70 Jahre Kriegsende: Nur Vortrag und Kranzniederlegung

Das Erinnern an den 70. Jahrestag des Weltkriegsendes fällt spärlich aus. Ein Vortrag zur kampflosen Übergabe der Stadt am 30. April und eine Kranzniederlegung am 8. Mai — mehr plant das offizielle Greifswald nicht. „Es ist auch der 70. Jahrestag der Befreiung und des Neubeginns“, stellt Bürgerschaftsmitglied Peter Multhauf (Linke) fest. „Es ist beschämend, dass so wenig passiert.“ Auch vom Pommerschen Landesmuseum hätte er sich mehr gewünscht als nur Filme in der Reihe „Nordoststreifen“. Oberbürgermeister Arthur König (CDU) hat bisher gegenüber Multhauf weitere Aktionen von offizieller Seite abgelehnt: Man müsse nicht alle zehn Jahre von Seiten der Stadt etwas organisieren, meint der OB. Ehrenamtliches Engagement sei aber sehr erwünscht. Multhauf schlug nun auf der Hauptausschusssitzung vor, wenigstens den Grafikzyklus „Greifswald 1945“ von Armin Münch (1930 bis 2013) in der Rathausgalerie zu zeigen. Der langjährige Kunstprofessor am Caspar-David-Friedrich-Institut hatte die Bilder der Stadt geschenkt. Der im Archiv verwahrte Zyklus wurde zum 60. Jahrestag erstmals in Greifswald gezeigt. Zur Vernissage 2005 erfolgte die Uraufführung des Stücks „Intrada“. Ottmar-Wolfram Vogel hatte es eigens für diesen Anlass komponiert (die OZ berichtete). Armin Münch wäre am 1. Mai 2015 übrigens 85 Jahre alt geworden. Ein zweiter Anlass, den Kriegsende-Zyklus zu zeigen, findet Paul Kroll. Er war dem Künstler freundschaftlich verbunden. Kroll stellt als Herausgeber am 30. April das Buch „Stoße zum Bildkern vor. Armin Münch in Greifswald“ in der Medien- und Informatikschule vor. Dort wird zeitgleich eine kleine Ausstellung mit Porträts des Künstlers eröffnet. Paul Kroll kann wie Multhauf nicht verstehen, dass es keine offizielle Gedenkveranstaltung am 30. April gibt. Im nicht mehr existierenden Stadtmuseum war den Ereignissen sogar eine eigene Etage gewidmet. Zum 60. Jahrestag 2005 gab es eine zentrale Gedenkveranstaltung im Theater. Im Rathauskeller wurde eine Ausstellung des Stadtarchivs mit Dokumenten und Fotos gezeigt, erinnert Multhauf. 2015 wird nur Stadtarchivar Uwe Kiel am 30. April über „Wer rettete Greifswald? Die kampflose Übergabe und die umkämpfte Erinnerung“ referieren. Ursprünglich sollte gleichzeitig ein Buch über die Retter Greifswalds vorliegen. Es sei noch redaktionelle Arbeit zu leisten, begründet Kulturamtsleiterin Anett Hauswald die erneute Verzögerung. Der Sammelband sollte schon zum 60. Jahrestag der kampflosen Übergabe erscheinen. Aus einer erneuten Ausstellung des Münch-Zyklus 2015 werde leider nichts, informiert Bürgerschaftspräsidentin Birgit Socher (Linke). Sie habe darüber mit dem OB gesprochen. „Der Terminkalender der Rathausgalerie ist voll“, sagt Birgit Socher. Multhauf hätte seine gute Idee früher äußern müssen. Das Kulturamt mit seinen drei Mitarbeitern sei total ausgelastet mit all den kulturellen Veranstaltungen und Jubiläen, nimmt sie die Verwaltung in Schutz. Die Präsidentin nennt beispielsweise 25 Jahre Städtepartnerschaft Lund oder 200 Jahre Ende der Schwedenzeit. Die Mehrheit des erweiterten Präsidiums der Bürgerschaft sei der Auffassung, dass nur alle 25 Jahren größere Feiern stattfinden sollten. Socher verweist ferner auf einige andere Initiativen wie Lesungen von Zeitzeugen im St. Spiritus und im Pommernhus sowie ein Konzert im Dom. Geplant sei noch eine Kranzniederlegung am 8. Mai. Greifswald hat drei sowjetische Friedhöfe. Die kampflose Übergabe 18Namen stehen auf der Tafel, die 2011 am Eingang zum Bürgerschatssaal im Rathaus angebracht wurde. Aufgeführt sind dort die Personen, die das unzerstörte Greifswald kampflos übergaben. Besonders bekannt sind wohl der Stadtkommandant Rudolf Petershagen, der Unirektor Carl Engel, der Direktor der Medizinischen Klinik, Gerhardt Katsch, der damals amtierende OB Siegfried Remertz und der Wiecker Pastor Gottfried Holtz. Es war ein breites Bündnis, angefangen von Mitgliedern der NSDAP bis hin zur KPD. Eckhard Oberdörfer

Greifswald - 70 Jahre Kriegsende: Nur Vortrag und Kranzniederlegung