Als der Markt zum Parkplatz wurde

Ende der 1930er Jahre schlug der Architekt Hans Stubenrauch den Bau einer Treppenanlage mit steinerner Rednertribüne auf der Marktnordseite vor. Ideal für Kundgebungen und Aufmärsche, wie sie in der NS-Zeit beliebt waren. Für seinen Entwurf zur Umgestaltung der Greifswalder Guten Stube erhielt der Stettiner den zweiten Preis eines 1938 ausgeschriebenen Wettbewerbs. Der Wettbewerb sollte „durch Umgestaltung der Bauten um den Marktplatz eine künstlerische Einheit“ herbeiführen. Die Ratsapotheke, so ein Ziel, war auf eine Höhe mit dem Rathaus zurückzuversetzen. Hans-Meier Schomburg schlug gar ihre Beseitigung vor. Er gewann den Wettbewerb, wurde aber später wegen Nichteinhaltung der Ausschreibungsbedingungen disqualifiziert. Nur der Verwaltungssitz und das Haus Markt 11 durften laut Ausschreibung keine Veränderung erfahren. „1939 wurden die Ergebnisse des Wettbewerbs vorgestellt und diskutiert“, berichtet Bauhistoriker Torsten Rütz. Er hat sich schon während seines Studiums mit dieser Geschichte befasst. „Den ersten Preis unter 20 Bewerbern bekam der Stettiner Raimund Ostermaier, der unter anderem den Bau der Bansiner Kirche und die Umgestaltung des Ziethener Gotteshauses verantwortete“, erzählt Rütz. „Zu den Ankäufen gehörte der Entwurf des Stettiners Schaub, der in seiner düsteren Strenge, Radikalität und Detailarmut Assoziationen an nationalsozialistische Gauforen weckt.“ Die Preisrichter kritisierten, dass mit einer Verwirklichung der Charakter der Hansestadt zerstört würde. Doch die architektonische Qualität lobten sie. Der Ankauf ist wohl eine Verbeugung vor dem NS-Staat, dessen Vertreter auch der Jury angehörten. Mit der schmuckreichen Architektur des Deutschen Kaiserreiches hatten die Denkmalpfleger der NS-Zeit nichts im Sinn. „Die Wettbewerbsteilnehmer sollten den Charakter einer norddeutschen Hansestadt wahren“, erklärt Rütz. Damit sei klar gewesen, dass Giebelhäuser ein zentrales Element der Neugestaltung sein würden. „Überwiegend wurden von den Wettbewerbsteilnehmern schlichte Treppengiebel vorgeschlagen.“ Der Wunsch nach einem einheitlicheren Erscheinungsbild bestand schon in den 1920er Jahren. 1925 genehmigte die „Kommission zur Verhütung von Verunstaltungen des Stadt- und Straßenbildes“ den Bau zweier Treppengiebel vor den Traufenhäusern Markt 7 und 8. Ein ähnliches Projekt für Markt 9 wurde nicht umgesetzt. Nach den Vorstellungen von 19 der 20 Architekten, die sich am Wettbewerb beteiligten, sollte der Klinkerbau der Post verputzt werden. Der Turmstumpf wäre verschwunden. Einig war man sich darin, die Fassade des 1901 errichteten Kaufhauses Erdmann (heute Hugendubel) umzugestalten. Und sowohl Ostermaier als auch Stubenrauch wollten die Fassade von Markt 13 aufwerten. Rütz spricht von einer seinerzeit üblichen puristischen Umgestaltung von Stadtbildern. Dafür Sorge tragen sollten die Besitzer der Häuser. Dazu führte die Stadt erste Gespräche. Umgesetzt wurde aber nur eine Umgestaltung der Platzoberfläche. Der Markt sollte, wie es in der Greifswalder Zeitung 1938 hieß, künftig die Anforderungen an einen Aufmarschplatz für Kundgebungen erfüllen. Vier Kandelaber mit Quecksilberdampflampen wurden an den Ecken aufgestellt. Daran angebrachte Scheinwerfer konnten nachts den Markt taghell erleuchten. Stadtbaumeister Bastel schlug gekreuzte Pflasterbänder vor. Die Neugestaltung erfolgte dann 1939. Insgesamt 50 Stellplätze entstanden an der Nord-, West- und Südseite des Platzes. Die Straßen wurden verbreitert. Alle anderen Pläne wurden im Februar 1940 mit Rücksicht auf den Krieg zurückgestellt. Umfrage: Umgestaltung im Jahr 2000 gelungen Nach einer aktuellen Umfrage ist die im Jahr 2000 erfolgte Markt-Umgestaltung zur 750-Jahr-Feier sehr gelungen. Fast vergessen sind die Debatten um ein Denkmal der Familie des Malers Caspar David Friedrich auf dem Markt, das ein Bauunternehmer finanzieren wollte. Die Bürgerschaft bekannte sich dazu, bis heute ist der Beschluss nicht aufgehoben. Auch das Verschwinden der Parkplätze in der Guten Stube der Stadt erregte Ende der 1990er Jahre die Gemüter sehr. Die Alternative, das Parkhaus am Pommerschen Landesmuseum, wurde nur gebaut, weil nicht genügend Greifswalder bei dem Bürgerentscheid zu diesem Projekt ihre Stimme abgaben. Sehr viele Greifswalder hätten sich auch mehr Bäume gewünscht. Eckhard Oberdörfer

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