Als es noch 26 Ämter in Greifswald gab

In den 25 Jahren seit der Wende ist die Greifswalder Stadtverwaltung geradezu dramatisch schlanker geworden — und die Stadtpolitik transparenter. Das zeigt ein Blick in die Protokolle der Sitzungen von 1990. Die Ausschüsse der Bürgerschaft tagten am Ende der DDR nicht öffentlich, das legte die Bürgerschaft am 12. Juni 1990 auf ihrer zweiten Sitzung fest. „Stellungnahmen einzelner Ausschussmitglieder sind in jedem Fall vertraulich zu behandeln“, hieß es in der Geschäftsordnung. Nur ein Abgeordneter stimmte gegen den Paragraphen, der sogar die Möglichkeit einer Verhängung der Schweigepflicht beinhaltete. Inzwischen hat sich das Verhältnis zur Transparenz grundlegend verändert: Alle Ausschüsse tagen öffentlich, seit 2014 auch der Hauptausschuss. Ferner wurden auf der zweiten Sitzung 1990 als sechster Beigeordneter Johannes Görlich (CDU) gewählt und die anderen fünf schon auf der ersten Sitzung bestimmten Beigeordneten den sechs Dezernaten zugeordnet. Ein großes Thema in der Stadt war damals die Zukunft des Kernkraftwerkes bei Lubmin. Abschalten oder nicht, das war die große Frage. Die CDU-Fraktion beantragte den „Weiterbestand des KKW Greifswald“, wie es im Protokoll heißt. 40 Mitglieder stimmten nach langer Diskussion dafür, acht dagegen, vier enthielten sich. Auf der gleichen Sitzung gab es eine deutliche Mehrheit für den vom Neuen Forum eingebrachten Antrag für eine öffentliche Anhörung zur Sicherheitslage im Kernkraftwerk. Die Verwaltung war damals großzügig aufgestellt. Heute gibt es noch neun Ämter, vor 25 Jahren waren es 25. Die Mehrheit der Leiter wurde auf der dritten Bürgerschaftssitzung am 28. Juni 1990 gewählt. Das war das einzige Mal überhaupt, im wiedervereinigten Deutschland wurde diese Wahl-Praxis abgeschafft. „Ich hatte nur einen Tag Bedenkzeit, um mich zu bewerben“, erinnert sich Bernt Petschaelis, der damals das Sportamt übernahm. Als letzter Leiter von 1990 schied Petschaelis Ende 2013 aus dem Amt. Zu den Gewählten zählten in Greifswald bekannte Persönlichkeiten wie Heidemarie Friedrich (Ordnungsamt), Hans-Georg Wenghöfer (Grünflächenamt) oder Hans-Joachim Hauswald (Tourismusamt, später Kreisverwaltung und Bürgermeister von Weitenhagen). Hauswald und Wenghöfer (beide CDU) mussten nun ebenfalls ihre Bürgerschaftsmandate ruhen lassen. Nicht am 28. Juni gewählt wurden beispielsweise Dirk Scheer (heute Sozialdezernent des Kreises), Winfried Kremer (Immobilienverwaltungsamt) und Reinhard Arenskrieger (jetzt Vizepräsident des Landesrechnungshofs). 1992 existierten sogar 28 Ämter, aber nur noch fünf Dezernate. Mit dem 28. Juni 1990 begann auch die Zeit von Ulrich Adam (CDU) in der Bürgerschaft. Er war einer der Nachrücker für die vier schon gewählten Senatoren, die zuvor Greifswalder Parlamentarier waren. Adam wurde noch 1990 in den Bundestag gewählt, saß dort bis 2009. Am 28. Juni 1990 wurde im heutigen Hörsaal der Wirtschaftswissenschaftler in der Loefflerstraße 70 noch etwas beschlossen. Laut Präsident Thomas Meyer (Neues Forum) erhielten die Mitglieder der Bürgerschaft zur Legitimation einen Ausweis. „Aus diesem Grunde ist bis zum 13. Juli 1990 über die Fraktionen ein Lichtbild im Büro der Bürgerschaft abzugeben. Gleiches gilt für die Senatoren.“ Wer diesen Ausweis vorzeigte, konnte den Stadtbus kostenlos nutzen. Fünf Minuten vor der Zeit Unter den Hinweisen zur Tagesordnung der Bürgerschaft heißt es, dass pünkliches Erscheinen, spätestens fünf Minuten vor Beginn, und die Erstellung eines Sitzplanes erwartet werden. Eckhard Oberdörfer

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