Braucht Greifswald mehr Kunstwerke?

Mehr Kunst im öffentlichen Raum wünscht sich Milos Rodatos (Piraten), der Vorsitzende des Kulturausschusses der Greifswalder Bürgerschaft. „Das ist schon länger unser Wunsch“, sagt er. Mit „uns“, meint er sich und den Bürgerschaftsabgeordneten Erik von Malottki (SPD). Beide waren Teilnehmer einer Reise in die US-amerikanische Partnerstadt Newport News — und von den dortigen Kunst-Aktivitäten begeistert. „In Zeiten von Haushaltssparsamkeit und auf Kante genähter Verwaltung stößt man in Greifswald aber schnell auf taube Ohren“, meint Rodatos. Dabei seien gar keine riesigen Summen nötig. „In Newport News gibt es einen sehr aktiven Verein, der von der Politik unterstützt wird. Das kann ich mir bei uns auch vorstellen.“ Dabei sollten vor allem regional bekannte Künstler zum Zuge kommen, aber auch solche mit deutschlandweiter Ausstrahlung. Ein Mitstreiter für dieses Vorhaben ist Bürgerschaftsmitglied Peter Multhauf (Linke). Er engagiert sich in einer Arbeitsgruppe für Gedenksteine des Kulturamtes. „Im Haushalt muss Geld für neue Kunstwerke bereitgestellt werden“, sagt er. „Denn es gibt zu wenige in der Stadt. Dabei sollten gerade einheimische Künstler eine Chance bekommen.“ Multhauf war einer der aktivsten Unterstützer des umstrittenen Friedrichdenkmals in der Lappstraße zwischen Fischmarkt und Dom. Die kontroversen Auseinandersetzungen um diese Plastik (siehe Beistück) sind dem Vorsitzenden des Pommerschen Künstlerbundes, Herbert Raddatz, allerdings noch in unguter Erinnerung. Er reagiert daher sehr verhalten auf die Frage, ob Greifswald mehr Kunst im Öffentlichen Raum brauche. Eine Initiative der Stadt würde man aber begrüßen, sagt er. Problem: Greifswald hat derzeit keinen Fonds zum Kauf von Kunstwerken oder für die Vergabe von Aufträgen an Künstler. „Wir haben nur ein Budget für die laufende Pflege und Unterhaltung“, sagt Stadtsprecherin Andrea Reimann. Die in den letzten Jahren aufgestellten Kunstwerke seien im Rahmen von Sanierungsmaßnahmen entstanden. Auch die geplante Ausstellungsfläche für Kunstwerke auf dem Karl-Marx-Platz werde so finanziert. An der Ecke Falladastraße sollen nach der Umgestaltung im nächsten Jahr Bildhauerarbeiten im Wechsel gezeigt werden. Dem Wiecker Bildhauer Heinrich Zenichowski spricht Rodatos‘ Vorstoß aus der Seele. Er ist der Vater des Skulpturenpfades in Wieck, von ihm stammt auch der Greifenbrunnen vor dem Theatercafé. „Wir brauchen vor allem mehr figürliche Kunst“, meint er und verweist auf das Caspar-David-Friedrich-Denkmal. „Damit können die Menschen was anfangen. Das Denkmal wird viel besucht, alle Reisegruppen gehen dort vorbei.“ Die beiden neuen Kunstwerke am Boulevard dagegen seien nicht zufällig beliebte Fahrradständer. Zenichowski spielt damit auf die Plastiken vor der Unibuchhandlung und der Sparda-Bank in der Fußgängerzone an. Land und Unternehmer als Mäzene Die Wohnungsgenossenschaft Greifswald (WGG) hat nach der Wende eine Reihe von Kunstwerken besonders für Innenhöfe finanziert. Der Wiecker Bildhauer Heinrich Zenichowski hat mehrere davon gestaltet, beispielsweise den „Taubenmann“ und den „Genießer“. Die Wohnungs und Verwaltungsgesellschaft Greifswald (WVG) ist in geringerem Umfang aktiv, so mit dem Werk des Rüganers Mario Kusel im Wiecker Brückenhof. Auch das Land hat bei einigen Bauprojekten in Greifswald Kunst finanziert und schreibt dafür Wettbewerbe aus. Der Wolgaster Jürgen Kümmel setzte sich 2015 für den Campus Soldmannstraße durch. Die Arbeitsgruppe „Kunst im öffentlichen Raum“ heißt eine Arbeitsgruppe des Kulturausschusses. Zu den elf Mitgliedern gehören unter anderem Verwaltungsleute wie Kulturamtsleiterin Anett Hauswald, Kunsthistoriker und Künstler. Viel Streit um ein Denkmal für Friedrich Erst seit 2010 steht ein Denkmal für Caspar David Friedrich in der Lappstraße in der Greifswalder Innenstadt. Dabei wollte ein Bauunternehmer der Stadt schon viel früher eine Figurengruppe der Caspar-David-Friedrich-Familie für den Markt schenken. Als Vorbild schwebten ihm die Personen vor, die auf einem 1818 entstandenen Friedrich-Bild des Greifswalder Marktplatzes zu sehen sind. Die Bürgerschaft nahm dieses Geschenk 1998 an. Doch so ein Denkmal in der „Tradition der Kaiserzeit“ sei nicht zeitgemäß, kritisierten Gegner. Von „Gartenzwergen“ war die Rede. Und wenn es ein Denkmal für den Weltkünstler Friedrich werden solle, dann müsse es auch ein Weltkünstler ausführen. Die Initiative scheiterte. Der Greifswalder Künstler Helmut Maletzke regte 2008 dann die Schaffung des anderen Friedrich-Denkmals an (siehe Foto). Die Bürgerschaft rief zu Spenden auf, der Pommersche Künstlerbund wählte einen Entwurf von Claus Görtz aus, aber auch der wurde scharf kritisiert. Kunsthistoriker Dr. Michael Lissok sprach von einem „höchst belanglosen Monument“, das der Romatik nicht gerecht werde. Kunstprofessor Ulrich Puritz meinte, die Macher hätten den Meister nicht verstanden. Man dürfe sich das Projekt nicht „von den Oberkünstlern“ zerreden lassen, konterte Peter Multhauf erfolgreich. Etwa 38000 Euro gaben das Land und Spender. Daniel Salinas-Lange, der sich in seiner Bachelorarbeit mit dem Denkmal befasste, kam zu dem Schluss: „Es ist ein Denkmal vom Volk fürs Volk.“eob Kunst auf dem Boulevard Im Zuge der Neugestaltung der Bummelmeile zwischen der Europakreuzung und der Einmündung der Kapaunen- in die Lange Straße wurden zwei Kunstwerke mit Städtebaufördermitteln finanziert. Schon in den 1990er Jahren wurde zudem eine Plastik des Greifswalders Eckhard Labs von einer Jury ausgewählt. Vor dem Eingang der Sparda-Bank steht seit 2010 eine Monumentalskulptur aus schwarzem Basalt, umgeben von einer Sitzgruppe. Der bei Güstrow lebende Peter Lewandowski hatte sich mit dem Kunstwerk gegen acht Mitbewerber durchgesetzt. Jede Seite der Skulptur zeigt einen anderen Bearbeitungsgrad des Milliarden Jahre alten Basaltblocks. Die Kosten für das Kunstwerk beliefen sich auf rund 40 000 Euro. eob Eob Eckhard Oberdörfer

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