Bus-Streik in der Region Greifswald: Fahrrad statt Bus: So lief der Warnstreik im öffentlichen Dienst

Die vergangene Streikwelle im Winter ist den Greifswaldern noch gut im Kopf – jetzt ist es wieder so weit. Die Gewerkschaft Verdi lässt ihre Muskeln spielen und der öffentliche Personennahverkehr steht in der Hansestadt still. Nur die wenigsten Schüler kamen am Dienstag mit dem Bus in ihre Schulen, nach Angaben von Verkehrsbetrieb-Geschäftsführer Henrik Umnus fuhren von 3.30 Uhr bis 9 Uhr keine Busse von Mitarbeitern des Verkehrsbetriebs im Einsatz. Eine Sicherung des Schülerverkehrs hatte der Verkehrsbetrieb dieses Mal nicht auf die Beine gestellt. Offensichtlich haben die Hansestädter mittlerweile eine gewisse Übung im „Bestreiktwerden“, der Busbahnhof war wie ausgestorben, dafür waren viele Fahrräder im Stadtbild zu sehen. Mehr dazu: Liveticker zum Nachlesen: Streik bei Bus und Bahn in MV am Dienstag (29.9.2020) Nur zwei junge Frauen standen mit langen Gesichtern vor der Anzeige am Busbahnhof. „Ich komme aus Jager mit dem Zug und will zur Wirtschaftsakademie“, sagt Tanja Technau (17). „Es gibt keine andere Verbindung. Nun muss ich eine Stunde warten, bis die Busse wieder fahren.“ Das Schicksal teilt sie mit Jasmin Hoffmann (16) aus Demmin, ebenfalls unterwegs zur Wirtschaftsakademie. „Eine Freundin sagt Bescheid, dass ich später komme.“ Besser war Situation bei der Verkehrsgesellschaft Vorpommern-Greifswald mbH. „Es sind acht von 36 Frühleistungen ausgefallen, das entspricht 22 Prozent“, so VVG-Geschäftsführer Dirk Zabel. „Es gab nur vereinzelt Ausfälle in der Region Torgelow. Die VVG-Busse in der Region Jarmen, Loitz und Pasewalk sind planmäßig gefahren sowie auch alle Subunternehmer.“ Mehr Stress, lange Fahrtzeiten und Schmuddel-Schichten: Vor dem kleinen Aufenthaltsgebäude am Busbahnhof stehen sechs Männer in gelben Warnwesten. Busfahrer des Verkehrsbetriebs Greifswald. Sie streiken für bessere Arbeitsbedingungen. Die Arbeit habe sich in den vergangenen Jahren sehr verändert, sei viel stressiger geworden, merkt Busfahrer André Hellwig an. „Wir haben mit immer höherem Verkehrsaufkommen zu tun“, präzisiert sein Kollege Peter. „Die Strecken dauern immer länger. Baustellen, Tempo-30-Zonen, Verkehrsberuhigung, immer mehr Radfahrer, das ist in Greifswald schon speziell. Aber unsere Taktzeiten sind seit 2012 gleich geblieben.“ Sich zu Hetzen, sei kaum praktikabel. Gerade bei älteren Fahrgästen oder Rollstuhlfahrern würde das Einsteigen eben einfach länger dauern, das sei ja auch völlig in Ordnung. „Was soll ich denn dann machen? Ich kann dann ja schlecht auf die Tube drücken, um die Zeit wieder reinzuholen.“ Morgens bis abends mit langen Dienstzeiten: Den meisten Unmut gibt es bei den Busfahrern allerdings über die Schichten. Ein Blick in den Dienstplan am Wochenende verdeutlicht das Problem. Um 9.15 Uhr ginge es los, am Abend um 20.45 Uhr sei Schluss, sagen die Busfahrer. Von den elfeinhalb Stunden Gesamtzeit würden aber nur rund sechseinhalb bezahlt. „Die restlichen fünf Stunden sind Pausenzeit, die die Kollegen hier irgendwie am Busbahnhof abbummeln müssen“, beschreibt Hellwig. „Das nennt sich ‚geteilter Dienst‘“. Im Landverkehr sei die Situation noch schlimmer. „Wir wünschen uns mehr Freizeit“, sagt André Hellwig. Das habe gar nichts explizit mit den Stadtwerken zu tun, denen der Verkehrsbetrieb angegliedert ist. „Der Tarif lässt das einfach zu“, so Hellwig. „Und das wird natürlich ausgenutzt, auch in anderen Betrieben. Deshalb fordern wir Verbesserungen.“ Früher war man stolz, Busfahrer zu sein, merkt er an. „Heute will das keiner mehr machen. Es gibt kaum noch junge Busfahrer.“ Wer soll die besseren Konditionen bekommen? Die Meinungen der Greifswalder über den Streik gehen auseinander. Rückenwind gibt es zum Beispiel von Manuela Reinhardt, die ihre beiden Kinder täglich mit dem Auto zur Schule bringt. Sie spricht sich klar für den Streik aus. „Ich finde es gut. Jeder hat das Recht zu streiken.“ Sie selbst arbeitet im Pflegebereich. „Bei uns wurde zwar geklatscht, aber viel getan hat sich nicht“, kritisiert sie. Obwohl der Streik auf Sarah Lange und ihre siebenjährige Tochter keine Auswirkungen hatte, weil auch sie ihre Tochter täglich mit dem Auto zur Schule bringt, findet die 32-Jährige die Aktion nicht gut. „Viele Eltern waren jetzt wieder auf den normalen Schulalltag eingestellt und dann wird gestreikt.“ Sie sagt, dass es andere Berufsgruppen geben würde, die mehr Geld und besser Konditionen verdient hätten als Bus- und Bahnfahrer, und spielt damit ebenfalls auf den Pflegebereich an. Situation an den Schulen entspannt: Verkehrschaos blieb aus: An den Greifswalder Schulen blieb die Situation relativ entspannt. Dank des Herbstwetters fuhren viele Schüler, zum Beispiel am Humboldt-Gymnasium, ohnehin Fahrrad. Vor der Erich-Weinert-Grundschule und der Käthe-Kollwitz-Schule stoppten die Elterntaxis wie sonst auch. Einige Schüler der Caspar-David-Friedrich-Schule haben es nicht pünktlich zum Unterricht geschafft, wie Anke Thurow, stellvertretende Schulleiterin, berichtet. „Aber so große Auswirkungen hatte der Streik nicht auf uns.“ Lesen Sie auch Streik der Busfahrer in MV: Kritik von Eltern und Arbeitgebern Busfahrerstreik: Bekommen Greifswalder Geld für Monatskarte zurück? Liveticker zum Nachlesen: Streik bei Bus und Bahn in MV am Dienstag (29.9.2020) Von Anne Ziebarth, Christin Lachmann