Chaos auf der Fahrradstraße

Das ging ja noch einmal gut! Fast wäre Klaus Straubing am Rubenowplatz auf seinem Fahrrad mit einem Transporter zusammengekracht. „Vom Wall kommend, musste man hier schon immer rechts vor links beachten“, sagt der Greifswalder. Doch seitdem die Stadt die Domstraße Anfang Juni zur Fahrradstraße deklariert habe, sei die Ecke an der Rubenowstraße kreuzgefährlich. „Viele kennen die Regeln gar nicht. Ich finde die Lösung nicht gut“, kritisiert Straubing. Mit dieser Meinung steht der Mann nicht alleine da. Auch Manfred Mundt geriet an der Kreuzung bereits in Gefahr, berichtete er der OZ-Lokalredaktion. Sein Weg habe ihn deshalb auch schon zur Polizei geführt. Die sei für innerstädtische Verkehrsregeln aber nicht zuständig, musste er erfahren. Die großen Piktogramme und neuen Schilder in allen Ehren — meint Manfred Mundt: „Sinnvoller wären an der Rubenowstraße meines Erachtens aber ein dicker Balken auf der Fahrbahn und ein Stoppschild gewesen.“ Ein Plädoyer für eine klare Vorfahrtsregelung. Davon hält die Verkehrsbehörde jedoch nichts. In Innenstädten sei es üblich, heißt es aus dem Rathaus, „so wenig wie möglich Vorfahrtsstraßen“ einzurichten. Vielmehr sei es Absicht, „gleichrangige Straßen und somit rechts vor links gelten zu lassen“. Wie auch an der Ecke Dom-/Rubenowstraße. Für die Autofahrer habe sich dort nicht viel geändert. Problematisch werde es nur, wenn Pedalritter angesichts der Beschilderung „Fahrradstraße“ glauben, grundsätzlich Vorfahrt zu haben. Denn das ist nicht der Fall, betont Stadtsprecherin Andrea Reimann. Laut Straßenverkehrsordnung erhalte das Rad in Fahrradstraßen zwar Vorrang gegenüber dem Auto. Aber Vorrang ist nicht gleich Vorfahrt. Heißt: „Im Begegnungsfall ist selbstverständlich gegenseitig Rücksicht zu nehmen.“ Haben Verkehrsteilnehmer also einfach nur zu wenig Kenntnis über die tatsächliche Bedeutung von Schildern wie der „Fahrradstraße“? Immerhin sorgt auch der Wegfall der Hinweistafel „Durchfahrt verboten“ an der Ecke Baderstraße für Irritationen und Konflikte, wie Anwohner beobachten: Autofahrer lenken ihren Wagen hier neuerdings in die Domstraße, obwohl das Schild „Fahrradstraße“ dies untersagt. Erlaubt wäre dies nur mit dem Zusatz „Kfz frei“, wie er beispielsweise an der Ecke Dom-/Kapaunenstraße zu finden ist. Stiftet die Neuregelung also nur mehr Verwirrung, als dass sie für sichere Straßen sorgt? Eckhard Jähne fährt Teile der Greifswalder Fahrradstraße, die im Sommer 2009 in Greifswald eingeführt wurde, regelmäßig. Begeistert ist er nicht. Schon gar nicht über den Zustand der Wege: „Allein die Straße Am Mühlentor von der Europakreuzung bis zur Mühlenstraße ist katastrophal“, moniert der Greifswalder, der kein Auto besitzt. Aufgrund fehlender Kennzeichnung „fährt und läuft in dem Bereich jeder wie er lustig ist“, beschreibt Jähne das Phänomen auf dem Streifen. „Kommt dann noch ein Lkw zum Beliefern der Geschäfte, ist das Chaos perfekt“, kritisiert der passionierte Radler. Laut Hansestadt nutzen täglich über 12 000 Radler die Straße Am Mühlentor, die seit langem auf der Sanierungsliste steht. Nun endlich nahen die Bauarbeiten: Wie das Rathaus gestern auf OZ-Nachfrage mitteilte, soll es im September losgehen. Für Eckhard Jähne aber nicht das einzige Manko: Auch das Pflaster in der Robert-Blum-Straße und in der Mühlenstraße sei für Drahtesel völlig ungeeignet. „Bei Regen habe ich oft beobachtet, wie Leute am abschüssigen Rand mit ihrem Rad einfach wegrutschen“, erklärt er. Das Bestreben der Stadt, mit der Fahrradstraße für mehr Sicherheit zu sorgen, findet Jähne deshalb halbherzig. Auch aus Sicht der Fußgänger, die in der parallel verlaufenden Fußgängerzone weiter mit Pedalrittern zu kämpfen haben. „Warum wurde die Lange Straße im Zuge der erweiterten Fahrradstraße nicht komplett für Radler gesperrt“, fragt sich Eckhard Jähne und fügt hinzu: „Das wäre dann mal konsequent gewesen.“ Fahrradstraße Die Fahrradstraße soll helfen, den Radverkehr sicherer zu machen. 2009 wurde sie in Greifswald eingeführt: Vom Elisenhain über die Pappelallee, Petershagenallee, Blumstraße, Am Mühlentor. Im Juni 2013 wurde sie von dort über die Mühlenstraße bis zum Ende der Domstraße verlängert. Folgende Regeln gelten: Die Fahrbahn wird zum breiten Radweg. Autos werden durch ein Zusatzschild ausnahmsweise zugelassen, sie dürfen maximal 30 km/h schnell fahren. Radler dürfen auf der Straße nebeneinander fahren, sie haben Vorrang. Petra Hase

Greifswald - Chaos auf der Fahrradstraße