Corona-Impfung für behinderte Menschen: So läuft es rund um Greifswald

Für Kerstin Lenz bedeutet die Impfung gegen das Coronavirus viel Papierarbeit: Sie leitet die Einrichtung GBS Wohnzentrum Peenetal in Gützkow für Menschen mit geistiger Behinderung und Verhaltensauffälligkeiten mit insgesamt 27 Bewohnern. Hinzu kommt im Ort eine weitere Wohngruppe mit acht Menschen. Seit Beginn des Jahres sei die Impfung vorbereitet worden, Einwilligungsformulare für den Impfstoff von Biontech/Pfizer waren ausgefüllt – aber nicht für das Präparat von Astrazeneca, einem anderen Impfstofftyp, der erst später zugelassen wurde. Dafür braucht es ein anderes Formular. Kurzfristiges Angebot mit Astrazeneca: „Das Impfmanagement des Landkreises hat uns Ende März ein kurzfristiges Angebot mit Astrazeneca gemacht. Dafür konnten wir leider nicht rechtzeitig alle Unterlagen bereitstellen“, sagt Lenz. Betreuer und Eltern müssen kontaktiert werden, weil manche Bewohner Hilfe bei der Entscheidung benötigen, das brauche Zeit. Zwischenzeitlich seien die Formulare zusammen gewesen, die es aber nicht mehr gebraucht hätte: Weil Astrazeneca nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission des Robert Koch-Instituts nur für Personen über 60 Jahre empfohlen wird, kommt in Gützkow bei den jungen Bewohnern Biontech zum Einsatz. Am kommenden Dienstag stehe der Impftermin an, sagt Lenz. „Das läuft gut“, freut sie sich. Impfung seit dem 8. März möglich: Wie in der Gützkower Einrichtung sind auch in anderen Wohngruppen, Heimen und Werkstätten für Menschen mit einer Behinderung seit dem 8. März die Impfungen bei Bewohnern und Mitarbeitern in Vorpommern-Greifswald angelaufen (siehe Infokasten). Zur Impfgruppe 2 mit hoher Priorität gehören alle über 70-Jährigen. Sie erhalten eine Impfeinladung per Post. Zudem sind alle Menschen mit einer geistigen Behinderung impfberechtigt und Mitarbeiter in Einrichtungen für geistig oder körperlich behinderte Menschen. Zu den weiteren Gruppen, die wegen eines erhöhten Risikos für einen schweren Verlauf mit der Covid19-Erkrankung oder wegen eines hohen Ansteckungsrisikos impfberechtigt sind, zählen u. a.: Menschen mit Trisomie 21, wer eine Organtransplantation erhalten hat, behandlungsbedürftige Krebspatienten mit einer soliden oder hämatologischen Tumorerkrankung (nicht in Remission), fettleibige Menschen mit einem Body-Mass-Index über 40 oder chronisch Nierenkranke. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes leben rund 30 000 Menschen mit einer körperlichen oder geistigen Behinderung in Vorpommern-Greifswald, davon sind rund 13 500 Menschen zwischen 18 und 65 Jahren alt, weitere 16 000 älter als 65 Jahre. Rund 8 000 Menschen mit einer geistigen Behinderung leben im Kreis, es ist nicht aufgeschlüsselt, wie viele davon über 18 Jahre alt und damit impfberechtigt sind. Arbeitsalltag bleibt nach Impfung gleich: In den Werkstätten des Pommerschen Diakonievereins (PDV) seien seit Ende März von insgesamt rund 770 Mitarbeitern und Leistungsberechtigten 400 Personen geimpft worden, sagt Birgit Peters. Sie ist beim PDV für den Bereich Arbeit zuständig, Standorte gibt es in Greifswald, Züssow, Wolgast oder auch Bergen auf Rügen. „Im April stehen Impftermine an, bei denen sich weitere rund 200 Menschen impfen lassen wollen“, blickt Peters voraus. Ein Impfangebot habe es an allen Standorten gegeben. Die Bereitschaft sei hoch, doch gebe es auch Mitarbeiter und Leistungsberechtigte, die die freiwillige Impfung mit Astrazeneca wegen der Kontroversen ablehnen. Der Arbeitsalltag bleibe nach den Impfungen unverändert, so Peters. Wie in den vergangenen Monaten gelten Abstandsregeln, werden Masken getragen, regelmäßige Testungen durchgeführt, Externe dürfen die Werkstätten nicht betreten. „Die Impfungen sind ein zusätzlicher Schutz“, sagt sie. Vor Kurzem war bekannt geworden, dass in Wohnstätten der Pommerschen Diakonie drei Menschen in Folge einer Infektion verstorben waren, zahlreiche Bewohner hatten sich infiziert. Lockerungen in Wohngruppen möglich: Insgesamt leben in Züssow und Greifswald 243 Menschen in den Einrichtungen des PDV, sagt Jens Tode, Bereichsleiter Assistieren. 134 haben eine Erstimpfung erhalten, weitere 45 die Zweitimpfung. Bei den Mitarbeitern sind 32 Personen vollgeimpft, 59 haben die Erstimpfung. „Wenn ein Vollschutz besteht und 14 Tage vergangen sind, sind auch Lockerungen in den Wohngruppen möglich, wie zum Beispiel Gruppenaktivitäten innerhalb der Wohnbereiche oder das gemeinsame Speisen“, so Tode. Lesen Sie auch Wie Greifswalder Forscher den Impfstoff AstraZeneca gerettet haben Corona-Impfung ohne Bescheid in Vorpommern-Greifswald möglich Astrazeneca-FAQ: Warum kam es zum Impfstopp? Die wichtigsten Fragen und Antworten Für die Terminvereinbarung in den Einrichtungen der Eingliederungshilfe wie Wohngruppen für behinderte Menschen seien die Mitarbeiter der Einrichtungen zuständig, informiert Timm Laslo, Impfmanager in Vorpommern-Greifswald. Sie sollen den zuständigen Landkreis kontaktieren. Wenn die räumlichen Voraussetzungen erfüllt seien, können die mobilen Teams vor Ort impfen. „Wer sich bei uns meldet, der bekommt einen Termin, den wir zeitnah einplanen“, so Laslo. Weiterhin ist auch die Terminbuchung für die Impfzentren über die zentrale Impfhotline des Landes 0385 202 711 15, die Webseite corona-impftermin-mv.de und seit dieser Woche auch die Impfung beim Hausarzt möglich. Von Christopher Gottschalk