Corona beeinflusst Kriminalstatistik in Vorpommern-Greifswald

Shoppen, streamen, arbeiten: Mit Beginn der Corona-Pandemie wurde das Internet zu einem noch stärkeren Begleiter im Alltag. Doch immer häufiger wird das World Wide Web scheinbar auch zu einer Falle – auslegt von Internetbetrügern. Das geht aus der veröffentlichten Kriminalstatistik für den Landkreis Vorpommern-Greifswald für das Jahr 2020 hervor. So wurden im vergangenen Jahr insgesamt 565 Fälle im Bereich Internetkriminalität erfasst – im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das eine Steigerung von über 70 Prozent. „Das ist ein hoher Anstieg, den wir unter anderem mit Corona begründen können. Einrichtungen und Geschäfte haben geschlossen. Menschen, die keine Erfahrung mit Internethandel und -kriminalität haben, sind offenbar leichte Opfer für andere“, sagt Arne Zarbock, Leiter der Polizeiinspektion Anklam. Weniger Schwerverbrechen: Insgesamt ist die Zahl der Straftaten 2020 im Vergleich zum Vorjahr jedoch um knapp 13 Prozent gesunken. Wurden 2019 noch über 15 000 Straftaten im Kreis erfasst, lag die Zahl im vergangenen Jahr bei 13 290. Auch im Fünf-Jahres-Vergleich ist die Zahl der Straftaten deutlich gesunken: So wurden 2016 noch insgesamt 16 369 Delikte registriert. Lesen Sie auch Bäderdienst auf Usedom: Verstärkung für die Polizei Transporterknacker von Usedom: Weiteres Jahr Knast für sechs neue Taten Anschlag auf Haus von Günther Jikeli (SPD): So reagieren die Usedomer Greifswald: Ein Toter und ein Verletzter nach Messerangriff - Polizei fasst Verdächtigen Bei den schweren Verbrechen wie Mord (ein Fall), Totschlag und Tötung auf Verlangen (sieben Straftaten) konnten alle Fälle aus dem Landkreis komplett aufgeklärt werden. Bei der fahrlässigen Tötung wurden zwei Fälle bekannt, das sind gegenüber 2019 vier Fälle weniger. Deutlich weniger Fahrraddiebstähle: Besonders auffällig ist der Rückgang der Straftaten bei den Diebstählen. Sie machen im Jahr 2020 ein Viertel, also 25 Prozent, an der Gesamtkriminalität aus. Das sind 2,7 Prozent weniger als im Jahr davor. So wurde allein auf Usedom, der Hochburg des Diebstahls von Fahrrädern, E-Bikes und Fahrradträgern, im vergangenen Jahr nur ein Bruchteil dessen gestohlen, was sonst in anderen Jahren verschwand. In diesem Bereich ist die Corona-Pandemie definitiv eine der Ursachen. Von Mitte März bis Ende Mai und von Oktober 2020 andauernd fand kein Tourismus auf Usedom statt. Läden, Hotels, Restaurants und Fahrradhändler hatten geschlossen. Mitte Juni vergangenen Jahres gingen die Grenzen ins Nachbarland Polen erst wieder auf, kamen Touristen. Transporterknacker muss jetzt Haftstrafe absitzen: Zudem hat die Polizei mehrere Tatverdächtige festgenommen. Dazu zählt auch ein heute 26-jähriger arbeitsloser Pole, der inzwischen vom Landgericht Stralsund zu einer längeren Haftstrafe verurteilt wurde. Der Mann brach von November 2019 bis Ende Januar 2020 auf Usedom an die 100 Transporter auf und stahl, was er darin finden konnte. Laut Polizei beliefen sich die Schäden durch das gestohlene hochwertige Werkzeug und die kaputten Fahrzeuge auf insgesamt 360 000 Euro. Im Februar 2020 ging er dann den Anklamer Kripobeamten ins Netz. Und: Die Kripo hat mit zahlreichen präventiven Maßnahmen für einen Rückgang der Fahrraddiebstähle gesorgt. So wurden Urlauber für das Thema sensibilisiert – zum Beispiel mit Flyern am Auto, am Fahrrad oder auch im persönlichen Gespräch“, so eine Polizeisprecherin. Zum anderen setzen viele Radler mittlerweile auf bessere Schlösser, die potenzielle Diebe von ihren Taten abhalten. Für den Anklamer Inspektionsleiter Arne Zarbock steht außerdem fest, dass es neben der Pandemie noch einen weiteren Grund für die gesunkene Zahl an Straftaten gibt: „Wenn man auf die Zahlen ab 2016 schaut, ist insgesamt ein rückläufiger Trend zu erkennen. Allerdings spielt natürlich auch das Dunkelfeld eine entscheidende Rolle“, sagt Zarbock und spielt damit auf die Dunkelziffer an, die statistisch nicht erfasst wird, weil Opfer von Straftaten keine Anzeige erstatten. Hohe Dunkelziffer bei häuslicher Gewalt: Bestes Beispiel dafür sei der Bereich der häuslichen Gewalt. Bundesweit ist in den Statistiken ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen. „Es ist ein Deliktfeld, wo davon auszugehen ist, dass es mit Corona zu tun hat. Die Leute sind mehr zu Hause, sie sind in Kurzarbeit. Da kommt es vielleicht eher zu Konfliktsituationen, die in Gewalt münden“, so der Inspektionsleiter. Allerdings: In MV spiegelt sich das so nicht wider. In Vorpommern-Greifswald sind die Zahlen bei häuslicher Gewalt im vergangenen Jahr besonders rückläufig. Während 2019 noch 252 Fälle von häuslicher Gewalt registriert wurden, sind im Vorjahr lediglich 169 Taten bekannt geworden. „Wir glauben nicht, dass wir weniger Fälle von häuslicher Gewalt haben oder sie bekämpft haben. Es ist eine Zahl, auf die wir mit Sorge blicken und bei der wir die Befürchtung haben, dass das Dunkelfeld wächst.“ Präventionsarbeit per Video: Durch die Corona-Pandemie war auch die Präventionsarbeit der Polizei nur bedingt umsetzbar. „Schwierig war es natürlich in Schulen und Seniorenheimen. Wir haben versucht, Alternativen mit unseren Netzwerkpartnern wie dem Präventionsrat zu finden. Die Jugendlichen erreichen wir über Plattformen wie Instagram. Bei den über 60-Jährigen ist das natürlich schwieriger“, meint Arne Zarbock. Mit verschiedenen Aktionen hat die Polizei beispielsweise auf den Telefon-Trickbetrug aufmerksam gemacht. Zuletzt mit einem Video, das in Kooperation mit der Hansestadt Greifswald entstanden ist. Dass die Präventionsarbeit durchaus Wirkung zeigt, dafür gebe es so manches Beispiel, sagt Zarbock. „Wir hatten bereits Taxifahrer und Kassierer, die solche Straftaten verhindern konnten.“ Ein Großteil der Menschen hielt sich zudem aufgrund der Pandemie im vergangenen Jahr häufiger zu Hause auf. Das schien eine abschreckende Wirkung auf potenzielle Einbrecher zu haben. So wurden 2020 insgesamt 111 Fälle bei den Wohnungseinbruchdiebstählen erfasst. Das sind über 30 Prozent weniger im Vergleich zu 2019, wo 172 Delikte registriert wurden. Auch bei der Aufklärungsquote der Straftaten ist ein leicht steigender Trend zu sehen. Lag diese 2016 noch bei 54,7 Prozent, ist die Aufklärungsquote in den vergangenen Jahren um insgesamt vier Prozent im Landkreis Vorpommern-Greifswald gestiegen. Von Christin Lachmann und Cornelia Meerkatz