Ahlbeck/Swinemünde - Eine Promenade — zwei Welten

Montagabend, kurz nach 19 Uhr auf der Ahlbecker Promenade: Junge Familien kehren von ihren Radausflügen zurück und sind auf dem Weg in ihre Unterkünfte. Auf den Restaurantaußenplätzen ist das Klappern des Bestecks auf den Tellern der hungrigen Urlauber zu hören. Musik allerdings nicht. Einige Einzelhändler, die Souvenirs und Postkarten verkaufen, haben ihre Läden bereits geschlossen. Es ist ein lauer Sommerabend, Hochsaison auf der Insel Usedom. Eigentlich. Ein paar Minuten später im nur wenige Kilometer entfernten Swinemünde: Nur langsam kommen die Menschenmassen auf der Promenade, die Deutschland und Polen vereint, voran. Immer wieder bleiben sie stehen, weil links und rechts der Promenade Straßenkünstler ihr Können beweisen. Ob Zauberer, Tänzer oder ein Puppentheater — die Leute halten an, meist mit einem Eis oder einem kühlen Getränk in der Hand. Sie flanieren, kaufen ein, haben offensichtlich viel Spaß. Aus einer anderen Kneipe klingen schräge Töne einer Karaoke-Party. Neugierig blicken die Urlauber hinein und singen ein Lied mit. 20 Uhr, Abendbrotzeit: Von der Restaurant-Terrasse blicken die vielen Touristen auf die Promenade. Auf einmal kommt ein kleines Mädchen auf einem Schaukelpferd vorbeigeritten. Sie liefert sich ein Wettrennen mit ihrem Bruder, der auch auf einem Pferd sitzt. Gegenüber des Restaurants spielt ein Straßenmusiker. Immer wieder legen die Leute Geld in seinen Hut. Es herrscht Urlaubsstimmung. Nach dem Essen ist es Zeit für einen Spaziergang. Also hoch zur Dünenpromenade. Hunderte Besucher haben scheinbar die gleiche Idee. Sie sitzen am Strand, genießen den Sonnenuntergang, schießen Fotos mit ihrem Handy und trinken den ein oder anderen Cocktail. Am Straßenrand verkaufen die Händler bunte Armbänder, Strandspielzeug und kleine Snacks. Zurück zum Auto. Auf dem Weg dorthin nehmen bereits etliche Besucher auf den Plätzen der Kurmuschel Platz. In wenigen Minuten beginnt nämlich ein Film. Techniker ziehen dafür eigens eine aufblasbare, rund zehn Meter große, Leinwand hoch. 21.15 Uhr: Abfahrt zum deutschen Teil der Insel. Während auf der Swinemünder Promenade aus vielen Restaurants und Bars Musik zu hören ist, herrscht auf dem deutschen Teil überraschende Ruhe. Um kurz nach 21.30 Uhr wirken große Teile der Promenade wie leergefegt, nur vor einem Restaurant auf der Promenade spielen zwei Musiker auf der Gitarre. Die Gäste hören gespannt zu. In anderen Lokalen sind die Stühle bereits zusammengestellt, in weiteren sind noch reichlich Plätze frei. Und die Leute, die noch da sind, sitzen fast musiklos auf den Terrassen und trinken Wein. Auf dem Seebrückenvorplatz hat ein Bierwagen schon geschlossen, und von der Kurmuschel ist nichts zu hören. Einzig drei Jugendliche nehmen in den Zuschauerreihen Platz und unterhalten sich. Am Strand laufen ein paar Jogger auf und ab. Aus der Ferne ist die Heringsdorfer Seebrücke zu erkennen. Und dort, wo vor fast genau einem Jahr noch die deutsche Nationalmannschaft bei der Fußball-Weltmeisterschaft bejubelt wurden, herrscht Stille. Kein Sommerkino, keine Strandbar und wenig Leute. Die Strandkörbe stehen in der lauen Sommernacht einsam am Strand und warten auf die Besucher am nächsten Tag. Geschichte 12 Kilometer ist der Abschnitt lang, der die Kaiserbäder mit Swinemünde verbindet. Nach dem Wegfall der Pass- und Grenzkontrollen im Jahr 2004 wurde die Promenade zwischen den Kaiserbädern und Swinemünde erneuert. Kosten: 3,6 Millionen Euro. Hannes Ewert