Experte: OB-Wahl wird nicht wiederholt

Die Wahl des Oberbürgermeisters der Hansestadt wird aller Wahrscheinlichkeit nach nicht wiederholt. Davon ist Thomas Spahn überzeugt. Er ist der Leiter der Forschungsgemeinschaft „Ethik und Politik Hamburg-Greifswald-Berlin“. Der Politikwissenschaftler, Parteienforscher und Publizist hat den Widerspruch eines Bürgers gegen das Ergebnis der OB-Stichwahl auf über 20 Seiten analysiert. Sie liegen der OZ vor. Der Greifswalder hatte beanstandet, dass die Tür des Wahllokals „Betreutes Wohnen“ im Thälmannring eine unbestimmte Zeit lang verschlossen war (die OZ berichtete). Nach den vorliegenden Informationen wurde die Tür wieder geöffnet, nachdem eine Wählerin geklopft hatte. Der Bürger kam später wieder und wählte selbst noch. Der Vorsprung von Stefan Fassbinder (Grüne) vor Jörg Hochheim (CDU) war mit 15 Stimmen bei der Stichwahl am 10. Mai sehr knapp — der Greifswalder begründet denn auch seinen Einspruch damit, dass das Ergebnis verzerrt worden sein könnte. Spahn geht dagegen nicht von einer „maßgeblichen Beeinträchtigung“ der Wahl im Betreuten Wohnen am Thälmannring aus, denn jeder hätte an der Tür klopfen können. Auch habe sich niemand beschwert, der tatsächlich nicht wählen konnte. Das hat es beispielsweise in Baden-Württemberg schon gegeben, als ein Wahllokal zu früh geschlossen wurde. Spahn erinnert in diesem Zusammenhang an Paragraph 40, Absatz 2 des Landeswahlgesetzes: Die Abstimmung sei zu wiederholen, wenn Unregelmäßigkeiten bei der Wahlhandlung vorlagen, die das Ergebnis beeinflusst haben könnten. Und zwar in diesem konkreten Fall nur im Einzugsbereich des Betreuten Wohnens. Was er aber wegen der genannten Gründe eben nicht als gegeben ansieht: Man konnte klopfen und niemand beschwerte sich, weil er nicht wählen konnte. Spahn hält den Einspruch darum für unplausibel. Eine Klage vor dem Verwaltungsgericht würde mit „größter Wahrscheinlichkeit dahingehend entschieden, den vorliegenden Einspruch abzuweisen“. So eine Klage ist mit einer Frist von einem Monat nach Ablehnung durch die Bürgerschaft zulässig. Eine Verzögerung der Amtsübernahme durch Stefan Fassbinder wäre laut Spahn ungesetzlich. Egal wie die Bürgerschaft am 8. Juni oder später die Gerichte entscheiden, er könne sein Amt im Juli antreten. Die Greifswalder Torsten Kur- schus und Robert Gabel, beide Mitglieder der Tierschutzpartei, sind ebenfalls in der Forschungsgemeinschaft „Ethik und Politik“ aktiv. Dass 16 Hochheim-Wähler ihre Stimme nicht abgeben konnten, ist für sie nicht vorstellbar. Bei der Wahl am 10. Mai im Betreuten Wohnen entstandenen Verhältnis von 60 Prozent Hochheim- zu 40 Prozent Fassbinderunterstützern käme ihrer Ansicht nach eine völlig unrealistische Zahl von Bürgern heraus, die nicht zur Urne hätten gehen können. „Das ist eine Luftnummer, weil niemand wirklich an der Wahl gehindert wurde“, sagt Kur- schus. Der letzte spektakuläre Fall einer erfolgreichen Anfechtung in Mecklenburg-Vorpommern war die Wahl des Bürgermeisters von Hiddensee 2010. Das Greifswalder Oberverwaltungsgericht entschied auf Wiederholung, weil der Amtsinhaber als Bürgermeister anbot, einen Bustransfer für Wähler zu bezahlen. Damit habe er Amtsausübung und privaten Wahleinsatz nicht strikt getrennt. „Die Unregelmäßigkeiten (hätten) auf das Ergebnis der Wahl von Einfluss gewesen sein können beziehungsweise (sind) geeignet, die Entscheidungsfreiheit ernstlich zu beeinträchtigen“, hieß es damals. Ich gehe nicht davon aus, dass die Wahl im Betreuten Wohnen maßgeblich beeinträchtigt worden ist.“Thomas Spahn, Politikwissenschaftler Eckhard Oberdörfer

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