Fakultätsrat lehnt Kürzungsliste ab

In geheimer Abstimmung hat der Rat der Philosophischen Fakultät gestern einen Beschluss zur Einsparung von etwa zehn Stellen abgelehnt. 13 der 22 Mitglieder votierten dagegen, zwei enthielten sich. Damit erhalten die Studiengänge Musikwissenschaft und Baltistik zumindest noch eine Gnadenfrist. Sie stehen auf der von der ganzen Fakultät ungeliebten Streichliste (die OZ berichtete). Der Hindergrund: Im letzten Jahr wies der Haushalt der Geistes- und Sozialwissenschaftler ein Minus von 140000 Euro auf. Es wäre noch viel größer gewesen, wenn die Fakultät nicht große Teile ihres Topfes für Sachmittel in den für Personalmittel geschaufelt hätte. Tendenz : In den nächsten Jahren wird das Minus deutlich ansteigen, wie Fakultätsgeschäftsführer Markus Reger deutlich machte. Eine Strukturkommission unter Vorsitz von Prof. Matthias Schneider hat in vielen langen Sitzungen Vorschläge erarbeitet, wie dem beizukommen sei. Abgestimmt wurde darüber in der Kommission nicht, betonte Dekan Prof. Thomas Stamm-Kuhlmann. Kurzfristig bringen sie zunächst wenig, denn betriebsbedingte Kündigungen gibt es nicht. Schneider wies darum in der Debatte den Vorwurf zurück, man habe sich vor allem daran orientiert, welche Stellen demnächst frei werden. Beispiel Baltistik: Hier sollen die befristeten halben Stellen der Lektoren für Litauisch und Lettisch nicht wiederbesetzt werden. Prof. Christoph Kessler hat bis zur Berentung noch fast 20 Jahre, seine Assistentin die Hälfte. Das auf Empfehlung des Wissenschaftsrates 1993 gegründete Institut ist das einzige im deutschsprachigen Raum, an dem noch Baltistik studiert werden kann. Alle gleichartigen Studiengänge in Deutschland sind bereits geschlossen. Die Nachfrage ist gering. Im letzten Jahrzehnt gab es nur 22 Absolventen. Andererseits hat eine Schließung des Studiengangs Baltistik eine politische Dimension: die Beziehungen zu Lettland und Litauen, in denen die Greifswalder Debatte interessiert verfolgt wird. Und: Das Fach steht im sogenannten Eckwertepapier der Landesregierung für die Entwicklung der Universitäten bis 2020 (die OZ berichtete). Laut Dekan ist zur Unterstützung der deutschlandweit einmaligen Greifswalder Fächer Baltistik und Ukrainistik eine gemeinsame Initiative mit dem Rektorat bei der Bundesregierung geplant. Schneider zufolge habe man in den Sitzungen sehr wohl über die Profilierung der Fakultät, über die Stärkung von Stärken debattiert. Doch habe man schnell feststellen müssen, dass es „kaum Bewegungsspielraum“ gebe. Das betreffe beispielsweise die Lehrerbildung, die im Landespersonalkonzept von 2004 in Greifswald nicht mehr berücksichtigt war. Die damalige Verheißung, das sei stellenneutral möglich, erwies sich als falsch. „Als 2010 der Erhalt des Lehramtes beschlossen wurde, wurde das Landespersonalkonzept unterlaufen“, sagte der Student Milos Rodatos. „Wir sollten aufhören, den Kelch untereinander weiterzureichen.“ Er plädierte, man müsse Hilfe vom Bildungsministerium einfordern. Durch die Bafög-Millionen, die MV bekommt, stünde Geld zur Verfügung. Auch den Besuch von Bildungsminister Mathias Brodkorb (SPD) in Greifswald am 15. Juli solle man nutzen. „Das Abbauprogramm Ost darf nicht weitergehen“, sagte Rodatos. Von den 100 Zuhörern bekam er viel Beifall. Politik will mit Uni über Stellenabbau sprechen Die geplanten Stellenkürzungen an der Philosophischen Fakultät der Uni beschäftigen auch die Politik. So sprach sich der Kulturausschuss der Bürgerschaft bei seiner Sitzung am Dienstagabend dafür aus, dass es noch vor den Sommerferien ein Treffen zwischen ihm, dem Bildungsausschuss der Bürgerschaft und der Uni-Leitung geben soll. Damit folgte das Gremium einer Anregung von Ulrich Rose (Alternative Liste). „Wir wollen wissen, wie sich die Einsparungen auf Feste wie den Nordischen Klang, die Bachwoche oder den Polenmarkt auswirken“, so Rose, der auch Vorstandsmitglied im Polenmarkt-Verein ist. Etwa zehn Vollzeitstellen muss die Philosophische Fakultät abbauen, sonst droht in Zukunft ein Loch von bis zu einer Million Euro im Haushalt (siehe nebenstehender Beitrag). Dabei geht es beispielsweise um die für den Polenmarkt wichtigen Slawisten und das Institut für Kirchenmusik/Musikwissenschaft, das die Bachwoche unterstützt. Sollte es tatsächlich zu diesen Einsparungen kommen, sieht Rose als Folge das kulturelle Leben in der Stadt bedroht. Hinrich Rocke (Kompentez für Vorpommern) gab im Kulturausschuss zu bedenken, dass die Einsparpläne Sache der Gremien der Hochschule seien. „Wir dürfen nicht den Anschein erwecken, die Hochschuldemokratie nicht zu achten“, so Rocke. Rose entgegnete: „Ich will nicht die Vorgänge an der Uni beeinflussen.“ Zu der vorgeschlagenen Gesprächsrunde könne er keine Aussage treffen, so der Sprecher des Rektorats, Jan Meßermschmidt. Vorher müsste eine konkrete Anfrage des Kulturausschusses der Bürgerschaft bei der Philosophischen Fakultät vorliegen und dort besprochen werden.ran Das Problem bleibt Die abgelehnten Kürzungsvorschläge betreffen neben der Baltistik und der Musikwissenschaft, insbesondere die Slawistik und Sprachlehrer. So soll eine Professur in der Slawistik längere Zeit nicht besetzt werden. Alle Institute sind von der Kürzung bei den befristeten Qualifizierungsstellen betroffen. Drei dieser Stellen sollen nicht besetzt werden. Vom Tisch ist die Streichung des Lektorats Deutsch als Fremdsprache, weil sie sich nicht mit den Internationalisierungbestrebungen der Uni verträgt. Mit der Ablehnung der Vorschläge ist noch nichts gewonnen. Der Fakultätsrat debattiert im Juli erneut. Gibt es kein externes Geld und keine Einigung dann werden Stellen, die zufällig frei werden, nicht besetzt. Eckhard Oberdörfer

Greifswald - Fakultätsrat lehnt Kürzungsliste ab