Greifswald: Beliebtes Restaurant „White House“ schließt für immer

Der Schriftzug über der Tür ist noch nicht demontiert. Doch im Inneren der Gaststätte erinnert nichts mehr an bierselige Abende, fröhliche Familienfeiern oder Vereinssitzungen. Der Tresen, die Tische und Stühle sind fort: Das „White House“ im Ostseeviertel am Kooser Weg ist Geschichte. Gastwirt Ralf Wolnikowski hat sein Lokal verkauft. „Mit der Corona-Pandemie hat das nichts zu tun. Ohne den Lockdown hätte ich womöglich zu Weihnachten und Silvester für meine Gäste noch geöffnet. Doch danach sollte definitiv Schluss sein. Ich möchte jetzt meinen Ruhestand genießen“, sagt der 60-Jährige, der die Liegenschaft an den Greifswalder Unternehmer Peter-Michael Pracht (55) veräußerte. Noch nicht eingelöste Gutscheine, betont der Gastwirt, zahle er selbstverständlich gern aus. Ein Anruf genüge. Sieben Tage die Woche geöffnet – 25 Jahre lang: „Das ‚White House‘“, würdigt Peter-Michael Pracht, „war im Ostseeviertel eine Institution.“ Ein Vierteljahrhundert lang begrüßte Ralf Wolnikowski hier die Gäste. „Geburtstage, Hochzeiten, Jugendweihen und andere Familienfeiern fanden hier statt. Und elf Vereine hielten hier ihre Treffen ab“, sagt der Gastwirt. Wie viele Veranstaltungen es insgesamt in den 25 Jahren waren, wisse er nicht. Doch eines könne er mit Bestimmtheit sagen: „Ich war nie krank, hatte sieben Tage die Woche auf, war immer da, all die Jahre von 12 Uhr bis Mitternacht.“ „Möchte einen Schlussstrich ziehen“: Rühmen wolle er sich damit nicht. Ganz im Gegenteil. Er wisse natürlich, dass kein Mensch solch einer Dauerbelastung ausgesetzt sein sollte. „Aber es war einfach so. Deshalb möchte ich nun auch einen Schlussstrich ziehen. Es muss noch ein Leben nach der Arbeit geben“, sagt der Greifswalder, der insgesamt 43 Jahre in der Gastronomie tätig war. Als Koch, Kellner und Gaststättenleiter habe er gearbeitet – und dies immer gern. Doch die letzte Zeit sei nicht einfach gewesen. „In unserer Branche ist kaum noch Personal zu bekommen“, erzählt der 60-Jährige. Während er anfangs vier Mitarbeiter in seinem Team zählte, hatte er zuletzt nur noch einen Koch an seiner Seite. Die Bedienung der Gäste habe er selbst übernommen. Um die Zukunft seines Kochs habe er sich keine Sorgen machen müssen. Fachkräfte seien gefragt. „Die Schließung der Gaststätte ist für uns alle hier ein Verlust“, bedauert Jürgen Liedtke, Vorsitzender der Ortsteilvertretung des Ostseeviertels. All die Jahre habe sich das Gremium im „White House“ zu den Sitzungen getroffen. „Wir hatten wirklich gute Bedingungen, konnten im separaten Raum in Ruhe diskutieren. Viele nutzten die Gelegenheit und tranken während der Sitzung einen Tee, Kaffee oder Wasser. Aber man musste das auch nicht“, würdigt er die „sehr gute Zusammenarbeit“ mit Wolnikowski. Auch die Ortsgruppe der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie habe hier praktisch ihr Zuhause gehabt. „Nun müssen wir uns umorientieren. Vielleicht kann die Ortsteilvertretung künftig im Haus der Begegnung beraten“, sinniert Liedtke. Das ist praktisch nur einen Katzensprung vom Restaurant entfernt. Bauantrag für Umbau läuft: Dort jedoch, im Kooser Weg 1, wird neues Leben einziehen. Allerdings nutzt Unternehmer Peter-Michael Pracht, der bereits vor Jahren nahezu all seine Pflegeeinrichtungen in und um Greifswald veräußerte, die Räumlichkeiten als neuer Besitzer nicht selbst. Gemeinsam mit dem Greifswalder Immobilienunternehmer Sven Hasl, mit dem er lange Jahre zusammenarbeitet, suchte und fand er einen neuen Mieter für das rund 230 Quadratmeter große Haus. „Hier wird eine Physiotherapie einziehen. Der Bauantrag ist gestellt. Wir hoffen, dass es mit dem geplanten Eröffnungstermin zum 1. April klappt“, sagt Hasl. Lesen Sie auch Fitness-Studios in MV: Training verboten – mit dieser Ausnahme Greifswalds Kneipen-Szene leidet unter dem Corona-Lockdown Elisenpark Greifswald: Zwei Drittel der Geschäfte sind dicht Stefan Blank, Geschäftsführer von Concept+, einer Marke der CF Physio Greifswald GmbH, bestätigt die Pläne: „Wir wollen im Kooser Weg ein neues Therapiezentrum mit sieben Behandlungsräumen sowie einem Trainingstherapieraum einrichten und damit unser Angebot in Greifswald erweitern“, sagt er. Das Interesse sei groß. Mitarbeiter für Physiotherapie gesucht: Bislang ist das Unternehmen mit einer Physiotherapie und einem Fitnessstudio im Ernst-Thälmann-Ring ansässig. Zudem betreibt es weitere Standorte in Rostock, Wismar sowie Neubrandenburg und ist außerdem landesweit in der betrieblichen Gesundheitsförderung unterwegs. Der Ausbau von Physio- und Trainingstherapien sowie Präventionsangeboten entspreche einer großen Nachfrage, versichert Blank. Deshalb soll auch das bislang etwa 40-köpfige Team weiter wachsen. „Bewerbungen sind immer willkommen“, sagt der Gesundheitsmanager und denkt dabei auch an junge Leute. Es gebe sowohl die Möglichkeit einer klassischen Ausbildung, etwa zum Sport- und Gesundheitstrainer, als auch die eines dualen Studiums. Von Petra Hase