Greifswald: Forscher präsentieren mobiles Tiny House aus Moormaterial

Dieses kleine Haus auf Rädern ist nicht nur aufgrund seiner Größe etwas Besonderes. Es ist ein Vorzeigeprojekt, das bald auf große Reise geht. Das Außergewöhnliche an diesem sogenannten Tiny House (übersetzt winziges Haus) sind die Materialien, aus denen es besteht. Welche das sind, lässt sich erahnen, sobald man das Haus betritt: Von den Wänden aus dringt dem Besucher ein angenehm natürlicher Duft entgegen, der vergleichbar ist mit dem einer frisch gemähten Wiese. Grund dafür sind viele verschiedene Bau- und Dämmstoffe aus Paludikultur-Pflanzen, die in dem Haus verbaut wurden. Paludikultur bezeichnet die nachhaltige Nutzung nasser Flächen, zum Beispiel durch den Anbau und die Verwertung von Schilf, Rohrkolben oder Erle. Das Haus wurde also aus Erzeugnissen des Moores gebaut. Die wiederum stehen für eine gute Klimabilanz (siehe Infobox). Drei Monate von der Idee bis zur Umsetzung: Die Idee zu diesem besonderen Tiny House stammt von Moorforschern der Universität Greifwald. Sie wollten auf einfache Weise zeigen, dass diese Rohstoffe nachhaltig, regional und extrem klimafreundlich angebaut und vielseitig verwendet werden können, erklärt Anke Nordt vom Greifswald Moor Centrum. Gebaut wurde das Haus vom Verein „Solidarisch leben (Sole)“. Von der Idee bis zur Umsetzung habe es nur drei Monate gebraucht, erklärt Erbauer Torsten Galke von Sole. Untergebracht auf sechs Metern mal 2,5 Metern Fläche ist neben einem Sofa, eine Küchenzeile und ein Bad mit WC und Dusche. Eine Schrank-Treppen-Kombination, die aus Faserplatten aus Feuchtwiesengräsern besteht, führt zu den Schlafmöglichkeiten im oberen Bereich des winzigen Hauses. Zudem gibt es Ablageflächen, die ebenfalls zum Schlafen genutzt werden können. Auch Papier, Verpackungen oder Energie lassen sich aus Moor-Erzeugnissen herstellen: Die Innenwandverkleidung besteht aus Sperrholzplatten, die aus Erle zusammengepresst wurden, die Küchenzeile aus Erlenvollholz. „Um Besuchern zu zeigen, über welche verschiedenen Dämmstoffe das Haus verfügt, haben wir kleine Fenster in der Innenverkleidung eingebaut“, erklärt Anke Nordt. Doch warum gibt es Baustoffe aus Paludikultur noch nicht auf dem Markt? Zum einen müssten die Produkte bekannt werden und die Nachfrage stimmen, sagt Nordt. Zum anderen benötigen Produzenten nasse oder wiedervernässte Flächen, auf denen die Rohstoffe angebaut werden können, aber auch geeignete Maschinen. Neben Baustoffen ließen sich auch Verpackungen, Papier, Futter, Torfersatz oder Energie herstellen. Künftig könnten durch die Herstellung dieser Produkte also auch neue regionale Arbeitsplätze geschaffen werden. Bereits jetzt gebe es Nachfragen nach dieser Art Tiny House, erklärt Torsten Galke. Er kann sich vorstellen, mit der Produktion in Serie zu gehen. „Wir müssen keine chemischen Baustoffe verwenden, sondern können auf andere Stoffe ausweichen. Mit diesem Material ist es möglich, ganz normale Häuser zu bauen“, ist Galke überzeugt. Moore sind für den Klimaschutz besonders bedeutend, da sie Kohlenstoff speichern. Dafür müssen sie intakt sein und dürfen für die landwirtschaftliche Nutzung nicht entwässert werden. In einem intakten Moor entsteht Torf, der fast aus Kohlenstoffverbindungen besteht. Wenn der Torf nicht mit Sauerstoff in Kontakt kommt und das Moor genügend Wasser hat, bleibt der Kohlenstoff gespeichert. Werden die Moore entwässert, kann der Kohlenstoff entweichen – und die Klimabilanz der Moore verschlechtert sich. Zum Vergleich: 6,2 Millionen km² Moorboden speichern insgesamt 657 Milliarden Tonnen Kohlenstoff. 33,3 Millionen km² Wald sammeln 372 Milliarden Tonnen an. Tiny House soll künftig festen Platz in Greifswald bekommen: Das Haus wurde im Hochschulwettbewerb „Zeig deine Forschung!“ im Wissenschaftsjahr der Bioökonomie ausgezeichnet. Im Sommer wohnten zwei Künstlerinnen darin, die sich mit dem Thema Moor- und Klimaschutz beschäftigten. Dazu stand es in der Nähe der Karrendorfer Wiesen. „Wir wollen das Tiny House zukünftig in Greifswald an einem festen Platz aufstellen und zeigen“, sagt Anke Nordt. Wo genau, stehe noch nicht fest. Allerdings soll es ein Ort mit viel Publikumsverkehr sein. Geplant ist zudem, das Haus als Übernachtungsmöglichkeit für Gäste anzubieten. Im Sommer geht das Tiny House allerdings erst einmal auf große Tour. Geplant ist, dieses auf verschiedenen Veranstaltungen und einer Messe zu präsentieren. Im September soll es durch moorreiche Gebiete in Norddeutschland gehen, um Kommunen, Landeigentümer und -nutzer, Verwerter und Verbraucher zum Mitmachen anzuregen und davon zu überzeugen, dass Moormaterial eine gute und klimafreundliche Alternative zu herkömmlichen Baustoffen ist. Lesen Sie auch Vom Klimakiller zum Klimaretter: Wie nasse Moore dem Klima helfen Greifswalder Naturschützer Michael Succow gibt Amt in Stiftung auf Greifswalder Pharmafirma will Sonnentau bis nach China bringen Von Christin Lachmann