Greifswald: Hamidreza Nafisi kocht persisch für Gäste

So einen Geschmack gibt es in der Stadt wohl nur einmal: Hamidreza Nafisi serviert Gerichte aus seiner iranischen Heimat. In seinem Restaurant „Darchin“ Am Rosengarten hat es vor allem das Hähnchen mit einer Soße aus Granatapfel und Walnüssen, genannt Fessanjan, den Greifswaldern angetan. „Praktisch 50 Prozent der Bestellungen sind das Fessanjan“, sagt der 52-jährige Nafisi. Die fein gemahlenen Walnüsse werden dafür stundenlang gekocht, mit dem Mark aus dem Granatapfel vermischt und anschließend mit angebratenem Hähnchen zu einem Schmorgericht mit moosgrüner Farbe verwandelt. „Es ist vielleicht kein wunderschönes Essen“, gibt der Inhaber zu, „aber es schmeckt sehr gut, weil die Soße mit dem angebratenen Fleisch kocht und die Soße sich so mit dem Fleisch verbindet.“ Persische Küche in Greifswald: Begeisterung löst das Gericht bei Thomas Putensen aus, der es mit nicht weniger als „belebend“, „aufmunternd“ und „Glückshormone auslösend“ beschreibt. „Jeden Tag schaffe ich es zwar nicht, aber wenn ich in der Gegend bin, dann komme ich hier vorbei“, sagt er. Lesen Sie auch: Essen in Greifswald: Dieses Trio tischt Überraschendes auf Greifswald: Authentische Pizza im „Gestiefelten Kater“ „Erinnerungen an Zuhause“: So kocht der Chef im Restaurant „Tischlerei“ Die Gerichte serviere Nafisi so, wie man sie auch im Iran essen würde, versichert der gebürtige Teheraner. Dass er mit persischer Küche wirbt, liege schlicht und einfach daran, dass Iraner eben auch Perser seien. An den für die Küche typischen Reis als Beilage haben sich die Kunden in den Tagen und Wochen der Eröffnung im Januar 2019 erst gewöhnen müssen, so Nafisi. „Sie wollten Pommes oder Kartoffeln als Beilage, aber das ist ja nicht iranisch“, sagt er mit einem Lächeln. Vom Textilingenieur zum Koch: Kochen sei ein Hobby des studierten Textilingenieurs und Projektmanagers gewesen, das er erst in Deutschland zum Beruf gemacht hat. Nach Greifswald kamen er und seine Frau vor fünf Jahren, weil sie eine Anstellung als Ärztin fand. „Wegen der Sanktionen gegen den Iran konnte ich keine Geschäfte mit iranischen Firmen machen“, beschreibt er den Grund, warum er seinen alten Beruf ruhen lässt. Statt mit Kugelschreiber, PC und Bürostuhl arbeitet er nun mit Gaskocher, Pfanne und einer ganzen Reihe an Gewürzen. Curry, Kurkuma, Safran, Boxhornklee oder der für das Restaurant namensgebende Zimt geben den Schmorgerichten mit Rinderhack, Lammfleisch, Hähnchen oder als vegetarische Variante ihren Geschmack. „Darchin“ bedeutet übersetzt „Zimt“ und wird „Dartschin“ ausgesprochen. In Deutschland eher selten genutzte getrocknete Limetten kommen zum Einsatz, zum Nachtisch serviert Nafisi das Strudelgebäck Baklava mit Walnuss, Haselnuss und Schokolade sowie schwarzen Tee, der mit einem Safran-Kandis-Stäbchen gereicht wird. Nafisi kann sich Glückskind nennen: Sein Angebot käme an, habe mit einer Spanne von fünf bis neun Euro vernünftige Preise und sei erfolgreich, sagt Nafisi. „Bis auf Corona“, schiebt er nach. Spenden habe er im März abgelehnt, als im ersten Lockdown, dem flächendeckenden Schließen von Geschäften, sein Laden betroffen war. „Aber das war ermutigend. Viele Kunden haben dann Gutscheine gekauft und die Hilfe der Regierung hat finanziell ausgereicht.“ Wegen der Pandemie könne er nicht in den Iran reisen, wie sonst ein oder zwei Mal im Jahr. Doch wenn er von seinem letzten Reiseversuch erzählt, dann endet die Geschichte in schallendem, ungläubigem Lachen über Zufall und Glück. Nafisi buchte Ende 2019 online die falschen Daten für seinen Hin- und Rückflug nach Teheran. Bei einer Änderung und Stornierung wäre sein Geld weg gewesen. Also fand er sich damit ab, Ende Januar zu fliegen und im Februar wieder zu kommen, statt wie geplant einen Monat früher. „Und das gleiche Ticket, das ich ursprünglich eigentlich haben wollte und dann nicht mehr bekommen habe, wäre für die Reise mit dem Flugzeug gewesen, das über dem Iran von einer Rakete abgeschossen wurde!“ Bei dem Absturz am 8. Januar waren alle Insassen bei dem Unglück gestorben. „Ich konnte es nicht fassen, als ich die Nachrichten gehört habe“, erinnert er sich. Pläne für die Zukunft hat der mit Glück ausgestattete Nafisi auch – er wolle einen zweiten, kleinen Standort in der Innenstadt eröffnen, sobald die passende Immobilie gefunden ist. Eine Küche brauche er nicht, weil er dort nur das im „Darchin“ zubereitete Essen verkaufen will. Von Christopher Gottschalk