Greifswald: Neuer Friedhof bietet Kunst und Natur

Schon die Planer des 1864 eingeweihten Neuen Friedhofs legten den Gottesacker als Erholungsareal an. Diesen Charakter hat die nach Dessauer Vorbild angelegte, gepflegte Anlage bis heute bewahren können. In über 150 Jahren hat sich der Neue Friedhof natürlich verändert. Nach fünf Erweiterungen umfasst er eine Fläche von 23 Hektar. Vor 150 Jahren wurde der Neue Friedhof eingeweiht Das 1913 eingeweihte Krematorium war das erste in Pommern und das zweite in Preußen. Es wurde auf Initiative des Greifswalder Vereins zur Feuerbestattung errichtet. Erst 1911 erlaubte Preußen offiziell die damals kaum übliche Feuerbestattung. Das erklärt den vielen freien Platz, den es heute gibt. Erdbestattungen benötigen mehr Raum. In der DDR wurde 1981 die Feierhalle eingeweiht. Grabsteine erinnern an bedeutende Persönlichkeiten, darunter die Unirektoren der Jahre nach 1945 Rudolf Seeliger, Rudolf Gross, Werner Imig und Hans-Jürgen Zobel und der DDR-Tourismusminister Bruno Benthien. In den letzten Jahren hat die Hansestadt viel investiert, um dem Neuen Friedhof alte Schönheit zurückzugeben, zu bewahren und weiterzuentwickeln. Rund 3.200 Bäume stehen hier, ein botanischer Lehrpfad ist geplant. Greifswalder Friedhof: Petershagens Grab wird neu gestaltet Neuer Friedhof in Greifswald: So sieht der Platz vor der Feierhalle nun aus Leider nur noch ein Hochbeet erinnert an die neugotische Kapelle am Hauptweg. Es wurde viel zu wenig für die Instandhaltung getan. Die Stadt entschied gegen eine Generalinstandsetzung des Gotteshauses. Nach deren Abriss 1981 wurde im Jahr die Feierhalle eingeweiht. Handwerksmeister und Oberkonsistorialräte: Es lohnt es sich, durch die Alleen zu schlendern, die von Linden, Platanen, Birken und anderen Bäumen gesäumt sind. Manche Inschriften von Grabsteinen nennen den Beruf des Verstorbenen, da gibt es beispielsweise Tapezier-, Fleischer- und Bäckermeister, einige Oberkonsistorialräte und Pharmazieräte. Änderungen der Bestattungssitten werden deutlich. Heutzutage werden häufig ewige Lichter aufgestellt, teilweise Bilder angebracht. Christliche Symbole wie Kreuze oder Palmzweige werden nur noch selten gewählt. Greifswald investiert in Gestaltung des Neuen Friedhofs Unser Rundgang beginnt am Haupteingang. Gleich rechts befindet sich eine Abteilung mit Gräbern für Menschen, die im Dienste der hiesigen katholischen Gemeinde standen. Kaufmannsfamilien stifteten Kapelle: Zurück auf dem Hauptweg stehen in unmittelbarer Nachbarschaft des früheren Standortes der Kapelle die Grabmale von Kaufmannsfamilien. Diese stifteten die die 1886 eingeweihte Kapelle. Hermann Ahrens (1819 bis 1893) erlebte die Einweihung, August Berndt (1829 bis 1879) nicht. Den Platz nahe dem Gotteshaus erhielten sie für ihre großherzige Spende. 2024 läuft übrigens die Liegezeit ab. Ein Stück weiter links befindet sich das Ehrengrab für den Kampfkommandanten der kampflosen Übergabe, den Ehrenbürger und Ehrensenator der Uni, Rudolf Petershagen. Rechts des Hauptweges wurde nach dem Zweiten Weltkrieg der Bezirksfriedhof Nummer 2 der Roten Armee angelegt. Vor allem Kriegsgefangene wurden hier bestattet. Aktuell wird der von einem roten Stern gekrönte Obelisk saniert. Professoren und Stifterin des Krematoriums: Der Platz vor der Feierhalle, bzw. dem Krematorium, wurde gerade erst neu nach historischem Vorbild neu gestaltet. Auf der rechten Seite des Weges liegt die Grabplatte der 1908 verstorbenen Plattdeutsch-Dichterin Alwine Wuthenow. Es empfiehlt sich, hinter das Krematorium Richtung der Urnenfelder zu gehen. Dorthin wurden im Zuge des Baus der Feierhalle drei historisch sehr interessante Grabdenkmale verlegt. Sie 1927 verstorbene Emma Prast hat einen großen Teil des 68.000 Mark teuren Krematoriums finanziert. Die benachbarten Steine sind den Ehrenbürgern und Professoren Edmund Stengel (Romanist, verstorben 1935) und Johannes Remke (verstorben 1930, Philosoph, Begründer einer Schule). Heldenfriedhof wurde neu gestaltet: Weiter geht es auf dem nördlichsten nach Westen führenden Hauptweg. Hier kommt man an der Anlage für die Gefallenen des Ersten und des Zweiten Weltkriegs vorbei. Die ursprüngliche Grabstätte für die deutschen Soldaten wurde 1936 zum Heldenfriedhof mit vielen Kreuzen auf Einzelgräbern umgestaltet. Das heutige Aussehen prägt eine Neugestaltung vor zwei Jahrzehnten. Zwei Quartiere südlich steht eines der aufwendigsten Grabdenkmale, dass des Professors der Geburtshilfe, Reinhard Krömer (1874 bis 1917). Es wird von der Skulptur einer Krankenschwester mit Baby auf dem Schoß geschmückt. Von hier geht es weiter Richtung Westen, bis zum zweiten Abzweig nach Norden, dem wir folgen. Hier befinden sich zwei Abteilungen für viel zu früh verstorbene Kinder mit Windmühlen, Spielzeug, Plüschtieren. Folgt man weiter dem letzten Hauptweg nach Westen, wird die Grabstätte der tot geborenen Kinder, der Schmetterlingskinder erreicht. Eine Skulptur und ein 2019 von Volker Mixsa geschaffenes Lichthaus ermöglichen ein würdevolles Gedenken. Mädchen mit der Taube stand ursprünglich am Wall: Folgen wir diesem Weg, wird die Skulptur eines Mädchens mit einer Taube erreicht. Sie stand lange Zeit vor dem früheren Lyzeum, dem heutigen Haus II des Jahngymnasiums. Auf dem gegenüberliegenden Hauptweg geht es Richtung Osten. An der nächsten Wegkreuzung steht der Findling, der an den Physikprofessor Rudolf Seeliger, gewissermaßen den Vater der Greifswalder Plasmaforschung, erinnert. Ein Stück weiter in dieser Reihe wurden der Geologe Rudolf Gross, der Rektor aus Hermann Kants „Aula“ und seine Frau Nora, die ihm als Institutsdirektorin folgte, beerdigt. Auch Deutsche auf sowjetischem Friedhof bestattet: Unser Rundgang geht östlich bis zum nächsten Nord-Süd-Weg, dann Richtung Süden bis zu den Gräbern des 1969 verstorbenen Prof. Otto Rühle mit seiner Familie. Er war in der DDR dank seines Romans „Genesung in Jelabuga“ recht bekannt. Südlich davon befindet sich der Bezirksfriedhof Nummer 3 der Roten Armee, auf dem auch Bürger anderer Nationen ihre letzte Ruhe fanden. Darunter sind hingerichtete Deutsche, deren Leichen an die Greifswalder Anatomie geliefert wurden. Lesen Sie auch Greifswald, Gristower Wiek: Ausflug in die Region zur Kirche Freizeittipp rund um Greifswald: Auf Tour durch Kemnitz und Hanshagen Behrenhoff bei Greifswald: Ausflug mit geschichtlicher Spurensuche Greifswalder Ladebow Denkmalgeschützte Flugplatzsiedlung Am anderen Ende des Bezirksfriedhofs geht es wieder nach Norden zur Anlage der Verfolgten des Naziregimes (VdN). Hier liegen zum Beispiel Werner Westphal (viele Jahre Vorsitzender des Rates des Kreises Greifswald und Mitglied der Kreisleitung der SED, Ehrenbürgerwürde 1971), die Familie Lindgren (Der Kommunist Hermann Lindgren war in der DDR Namensgeber einer Schule und Ehrenbürger, die Würde wurde ihm 1990 auf Mehrheitsabschluss aberkannt, weil diese nur mit der Mitgliedschaft in KPD und SED begründet worden sei) und der 1933 von den SA-Männern ermordete Kommunist Franz Wehrstedt. Veränderung an sowjetischen Ehrenmalen? Nur wenn Russland zustimmt Die Buchstaben FIR an der Mauer stehen für Fédération Internationale des Résistants (Internationale Föderation der Widerstandskämpfer). Westphal. Das VdN-Grabfeld wurde 1970 nach Plänen des Greifswalder Künstlers Helmut Maletzke erneuert. Zwei Quartiere südlich des VdN-Gräberfeldes befindet sich eine Urnengemeinschaftsanlage mit zentralem Ablageplatz für Blumen. In der Mitte steht eine Skulptur aus Cortenstahl. Am westlichen Ende der Urnengemeinschaftsanlage gehen wir Richtung Süden zur Grabanlage für den Steinmetzmeister Friedrich Diede (1843 bis 1896) und Familie vorbei. Die schmückende Frauenskulpur ist leider verschwunden. Interessant ist der Findling für die Gefallenen der Greifswalder Turnerschaft Teutonia für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Mitglieder etwas weiter südlich. Es ist wohl der einzige original erhaltene Gedenkstein einer Greifswalder Studentenverbindung. Erbauer der Augenklinik und Vater des Botanischen Gartens: Vom Diedestein ist es nicht weit bis zu den vergleichsweise aufwendigen Grabdenkmälern des Gründers des heutigen Botanischen Gartens Julius Münter und seiner Frau sowie des Erbauers der Augenklinik Rudolf Schirmer und weiterer Angehöriger. Schon in der Nähe des Hauptwegs, nahe dem Eingang, steht der Grabstein für den Ehrenbürger und Heimatschriftsteller Otto Wobbe, der 1945 nach dem Einmarsch der Rote Armee Selbstmord beging. Von Eckhard Oberdörfer