Greifswalder Geschichte am Weg nach Eldena: Freizeittipp

Nach 1900 wuchs Greifswald auch Richtung Eldena über seine Grenzen hinaus. In der Mühlenvorstadt wurde nun in mehreren Etappen gebaut. Da der Weg befestigt ist, lohnt es sich auch bei Regenwetter, von der Europakreuzung, dem Platz der Freiheit, der auch schon Rossmarkt und Hohenzollernplatz hieß, nach Eldena zu wandern, um diese bis in unsere Tage reichende Entwicklung nachzuvollziehen. Es waren vor allem wohlhabende Bürger, die hier als Erste bauten. Gegenüber dem 1914/15 eingeweihten Komplex von Stadthalle und Theater ließ die Familie Erdmann, der das Kaufhaus am Markt, Ecke Fleischerstraße, gehörte, 1911 ihre Villa am Eingang zur Wolgaster Straße errichten. In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg errichtete repräsentative Villen, viele vom Heimatschutzstil inspiriert, prägen die damalige Moltke-, jetzt Blumstraße, die ab 1906 bebaut wurde. Wo prominente Professoren wohnten: Sie stehen ebenso wie die ab 1911 (Nummer 5) errichteten Wohnhäuser der Werder- (Kollwitz)straße in einem Denkmalbereich. Eine Ausnahme ist die Blumstraße 5/6, die nicht von einem privaten Bauherren, sondern dem Greifswalder Spar- und Bauverein errichtet wurde. Einige der Villen sind mit prominenten Namen verbunden, wie die Nr. 12 mit Otto Waldmann. Er war seit 1919 Nachfolger von Friedrich Loeffler auf der Forschungsinsel Riems und die 13 mit Konrat Ziegler, einem der wenigen republikanischen Professoren in der Weimarer Republik, der nach dem Zweiten Weltkrieg als Gerechter unter den Völkern geehrt wurde. Das Gebäude war in der DDR Sitz einer sowjetischen Transportkommandantur. Am Eckgebäude zur Kollwitzstraße erinnert eine Gedenktafel an den Medizinprofessor Friedrich Pels Leusden. In der DDR befand sich in dieser Villa und im Anbau das Institut für Gasentladungsphysik der Akademie der Wissenschaften, der Vorläufer des Leibniz-Instituts für Plasmaforschung und Technologie. Einmalige Villen-Reihenhäuser: Die Häuser 1 bis 19 auf der westlichen Seite der Roonstraße (heute Rudolf-Breitscheid-Straße) wurden von 1880 bis 1900 als villenartige Reihenhäuser gebaut. Das ist einmalig in Greifswald. Das Haus Pommerndamm 1 (heute Rudolf-Petershagen-Allee) war in den ersten Jahrzehnten seines Bestehens Sitz des 1918 eröffneten Nordischen Instituts. Nur ein kleines Stück weiter steht die für den 1955 gewählten pommerschen Bischof Friedrich-Wilhelm Krummacher erworbene Villa. Gebaut wurde sie in den 1920er Jahren für die Apothekerfamilie Nitzelnagel. Mecklenburg-Vorpommern ist ein Land zum Entdecken. Sie suchen Inspiration für Ihren nächsten Ausflug? Egal ob Spaziergänge, Radtouren oder Spielplatz-Rallys: Die OSTSEE-ZEITUNG sammelt die besten Freizeittipps für alle Aktiven im Land – für Einheimische und Urlauber – für Familien mit Kindern oder auch nur für Erwachsene. Schauen Sie einfach auf www.ostsee-zeitung.de/freizeittipps vorbei. Hier finden Sie Vorschläge, untergliedert nach Regionen zwischen Grevesmühlen und Usedom. Dahinter beginnen die sogenannten Reichswehrhäuser, die in den 1930er Jahren errichtet wurden. Die Gestaltung folgt einer Planung, die zuletzt 1930 präzisiert wurde. Es sollte ein Spazierweg Richtung Eldena und ein Vorraum für den östlichen Universitätscampus ab der Hindenburgstraße (bis 1933 Schillstraße, seit 1946 Walther-Rathenau-Straße) entstehen. Gedenktafeln erinnern an prominente Bewohner wie Rudolf Petershagen, den Stadtkommandanten während der kampflosen Übergabe 1945, und den Rektor der 500-Jahr-Feier der Universität, Prof. Gerhardt Katsch, der als Parlamentär einer der wichtigsten Akteure der kampflosen Übergabe war. In der DDR wurde Planung von 1930 verwirklicht: Der nun als Rosengarten bezeichnete Teil der Rudolf-Petershagen-Allee mit der Freifläche in der Mitte geht auf die Planung von 1930 zurück. Eine Bebauung mit der für die DDR ungewöhnlichen Ladenstraße auf der Südseite erfolgte 1956/57. Auch die Nordseite mit den Sternzeichen-Sgraffiti an den Wohnblöcken zeugt von dem Willen nach interessanter Gestaltung trotz knapper Ressourcen. Die ersten Rosenstöcke wurden 1961 gepflanzt. Seit Jahren nicht mehr in Betrieb ist der Springbrunnen. Die dazugehörige Betonstele von 1972/73 ist ein Werk von Jo Jastram, der auch die Bronzetür des Rathauses schuf. Auf einer Seite ist eine „badende Familie“, auf der anderen Seite ein „Paar im Wasser“ zu sehen. Weichenstellung in der Weimarer Republik: Die nach der Wende errichteten Gebäude des Biotechnikums und der Zahnklinik sind das Tor zur Osterweiterung der Universität, zum Campus Beitzplatz. Die Weichen wurden schon Mitte der 1920er Jahre gestellt. Bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs entstanden nur die nicht am Wege liegende Hautklinik und die frühere, ebenfalls backsteinsichtige Hals-Nasen-Ohrenklinik. Aus der DDR-Zeit stammen die Wohnbauten der sogenannten „Würfelhäuser“ der 1980er Jahre (eines ist inzwischen das Institut für Mathematik und Informatik) sowie nicht am Wege der schlossartig angelegte Komplex der Gebäude der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät, den die DDR-Regierung der Uni zur 500-Jahr-Feier schenkte, das alte Rechenzentrum und Teile des in den 1970er Jahren begonnenen Klinikbaus. Davon bleibt nicht viel, nach dem Diagnostikzentrum soll auch noch das Bettenhaus durch einen Neubau ersetzt werden. Rechenzentrum hat heute Seltenheitswert: Auf der Nordseite der Pappelallee wird momentan noch viel gebaut. Aber nach der geplanten Errichtung eines Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung und dem Ersatz des alten Rechenzentrums durch ein Institut für Psychologie, dürften alle möglichen Grundstücke bebaut sein. Das 1972 eingeweihte alte Rechenzentrum besitzt heute Seltenheitswert. Es ist ein Typenbau, dessen Abmessungen denen des DDR-Großrechners Robotron 300 (R 300) entsprechen. Die meisten gleichartigen Gebäude gibt es nicht mehr. Ein Baum für jedes Jahrzehnt: Auch hinter dem Karl-Liebknecht-Ring geht die gebaute Stadtgeschichte weiter. 1927 wurde die Kampfbahn, das heutige Volksstadion, eingeweiht. Das Luftwaffenlazarett, heute Medigreif, ist ein Zeugnis der NS-Zeit, als die Universitätsstadt Greifswald zu einem Militärstandort mit Universität wurde. Geschichte dokumentieren an der Pappelallee ferner die Bäume, die aus Anlass der 750-Jahr-Feier 2000 gepflanzt wurden. 60 statt erhoffter 75 waren es, die ein Jahrzehnt der Geschichte dokumentieren. Erste Kirche in DDR-Neubaugebiet: Zwischen Schönwalde II und dem Ostseeviertel geht es am Rande des Stadtparks vorbei in die Natur. Ein Blick wert ist die 1984 eingeweihte Christuskirche – es war die erste in einem DDR-Neubaugebiet. Wer diesen Weg im Arbeiter- und Bauernstaat ging, den erwartete am Ende das Waldhaus, die Hasenbar, am Eingang zum Elisenhain. Die Gaststätte gibt es nicht mehr. Das 1939 eingemeindete Eldena ist das große Eigenheimgebiet der Nachwendezeit. Landwirtschaftliche Schule als Wohnhaus: Nur noch wenige Bäume und Gebäude an der Hainstraße erinnern an die 1835 eröffnete, berühmte Staats- und Landwirtschaftliche Akademie, in deren Zeit Eldena zum Musterdorf mit europaweiter Bedeutung wurde. Das in den 1860er Jahren gebaute, hell verklinkerte Haus auf der linken Seite neben dem Neubau mit der großen Platane davor, ist das letzte Akademikerhaus. Das heute schmucklose vom Forstamt genutzte Haus war das 1836 eingeweihte Hauptgebäude der Akademie. Weit auffälliger ist die 1910 eingeweihte Landwirtschaftliche Schule, in deren Klassenräumen 2016/17 seniorengerechte Wohnungen eingebaut wurden. Häuser im Tiroler Stil: Wer mag, könnte nun das Gelände der weltberühmten Klosterruine besuchen. Da der Studentensteig wegen der hier lebenden Wildschweine gesperrt ist, geht es an der Wolgaster Landstraße Richtung Treidelpfad, über den es in die Stadt zurückgeht. Am Weg dorthin stehen mit der Marquardtschen Bäckerei und der Wolgaster Landstraße 14 zwei Häuser der Akademiezeit, letzteres noch im originalen Tiroler Stil. Von Eckhard Oberdörfer