Greifswalder Rentnerin ohne Maske angepöbelt

Wer im Supermarkt, Bus oder Geschäft keinen Mund-Nasen-Schutz trägt, muss mit ärgerlichen Blicken und aufgebrachten Kommentaren rechnen. Diese Erfahrung hat die Greifswalder Rentnerin Erika Brakhahn bereits mehrfach gemacht. Sie hat seit 50 Jahren starkes Asthma. „Ich habe deswegen von meiner Ärztin eine Befreiung von der Maskenpflicht erhalten“, so Brakhahn. Wenn die Rentnerin spricht, muss sie immer wieder japsend Luft holen. Wenige Schritte bringen sie bereits aus der Puste. „Als ich neulich im Taxibus gefahren bin, hat mich eine Dame sehr aufgeregt angesprochen, warum ich keine Maske trage. Dass ich befreit bin, hat sie nicht geglaubt oder wollte es nicht akzeptieren“, sagt Erika Brakhahn. Mehrfach sei die Rentnerin angegangen worden von der aufgebrachten Frau. Das habe sie sehr mitgenommen und noch Tage später aufgewühlt. „Ich traue mich kaum noch raus“, sagte sie unmittelbar nach dem Erlebnis. Mittlerweile hat sich die Rentnerin entschlossen, wann immer es geht, trotz ihrer ärztlichen Bescheinigung einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. „An der Kasse im Supermarkt habe ich mein Portemonnaie in der einen Hand und das Asthmaspray in der anderen“, so Brakhahn. Nur bei längeren Busfahrten legt sie die Maske weiterhin ab. Asthma und COPD sind kein Grund für eine Maskenbefreiung: Die Pulmologin Dörthe Walther stellt klar, dass chronische Atemwegserkrankungen wie Asthma oder COPD kein Grund für eine Maskenbefreiung sind. Das sei beim jüngsten Symposium der Lungenfachärzte nochmals deutlich gemacht worden. „Nur bei ganz wenigen Patienten gibt es einen medizinischen Grund für eine Maskenbefreiung“, sagt Walther. Diese sieht sie entsprechend der Datenlage als erforderlich an, wenn Patienten beispielsweise einen erhöhten Kohlenstoffdioxidanteil im Blut haben. „Das betrifft ganz wenige“, so Walther. Sie erstellt deswegen in ihrer Praxis konsequent nur Maskenbefreiungen aus medizinischem Grund. Oft sind es Maskenverweigerer, die um eine Befreiung bitten: „Es gibt viele Diskussionen und viel Ärger um das Thema. Aber wenn ich bei einigen Patienten richtig nachfrage, wird sehr schnell klar, dass es sich um Maskenverweigerer handelt, die nicht an die Wirksamkeit der Maske glauben“, berichtet Dörthe Walther von ihrer Erfahrung im Praxisalltag. Sie hält es für zumutbar, 15 Minuten während des Einkaufs oder einer Busfahrt die Maske zu tragen. „Meine Erfahrung ist, dass jene Menschen, die Anspruch auf eine solche Befreiung hätten, diese gar nicht möchten, sondern lieber eine Maske tragen“, so Walther weiter. Geschäftsinhaber dürfen auf Tragen einer Maske bestehen: Auf der Bescheinigung von Erika Brakhahn heißt es wörtlich, dass es ihr aufgrund ihrer chronischen Erkrankung unmöglich sein kann, eine Maske zu tragen. „Damit bestätigen wir lediglich, dass sie eine schwere Lungenerkrankung hat“, erklärt die Allgemeinärztin Frauke Dinklage. Die Medizinerin weiß, dass Geschäftsinhaber trotz Bescheinigung vom Hausrecht Gebrauch machen können und auf das Tragen einer Maske bestehen. Das bestätigt auch Gunnar Bauer, Pressesprecher des Gesundheitsministeriums MV: „Es steht jedem Betreiber frei, strengere Regelungen zu erlassen, als es die Corona-Landes-Verordnung Mecklenburg-Vorpommern vorsieht.“ Hugendubel bietet extra Service für Personen ohne Maske: Der Buchladen Hugendubel in Greifswald gehört beispielsweise zu jenen Geschäften, die dies tun. Um die Kunden bestmöglich vor einer Ansteckung mit Covid-19 zu schützen, werden Personen mit einer Maskenbefreiung gebeten, im vorderen Bereich Platz zu nehmen und sich die gewünschten Artikel von einem Mitarbeiter bringen zu lassen (die OZ berichtete). Land macht keine Vorgaben für Maskenbefreiung: Die Corona-Landesverordnung sieht vor, dass „Personen, die aufgrund einer medizinischen oder psychischen Beeinträchtigung oder wegen einer Behinderung keine Mund-Nase-Bedeckung tragen können und dies durch eine ärztliche Bescheinigung nachweisen können“, von der Maskenpflicht ausgenommen sind, so Bauer. Die ärztliche Bescheinigung kann vom Haus- oder Facharzt ausgestellt werden. Das Land macht hierbei keinerlei Vorgaben, welche Bedingungen für die Befreiung erfüllt sein müssen. „Das ist eine individuelle Entscheidung zwischen dem verantwortungsvoll handelnden Arzt und dem Patienten“, so Ministeriumssprecher Bauer. Betroffene wünscht sich freundlicheren Umgang: Erika Brakhahn wird künftig die Maske tragen, wann immer es ihr möglich ist. Trotzdem wünscht sich die Rentnerin einen verständnisvolleren Umgang ihrer Mitmenschen mit ihrer Krankheit. „Es würde ja schon helfen, wenn die Leute einfach freundlich mit mir reden statt aggressiv zu schimpfen. Es ist doch schon schlimm genug, dass ich die Krankheit habe. Das macht doch niemand freiwillig“, appelliert Erika Brakhahn an den zwischenmenschlichen Umgang miteinander. Lesen Sie auch: Maskenpflicht: Frau mit Attest muss Greifswalder Buchladen verlassen Greifswalder Mediziner vergleichen gesunde mit Corona-Lunge Corona in Vorpommern-Greifswald: Fischerschule und Schlossgymnasium betroffen Von Katharina Degrassi