Greifswalder Wissenschaftler erklärt, wie verlässlich die Schnelltests für zu Hause wirklich sind

Die Schnelltests für zu Hause sollen ein weiteres Mittel im Kampf gegen die Corona-Pandemie sein und wurden bereits sehnlichst erwartet. Der Discounter Aldi hat am Sonnabend mit dem Verkauf begonnen. Der Ansturm war bundesweit groß. Innerhalb kurzer Zeit waren die Antigen-Tests (fünf Stück für 24,99 Euro) vielerorts bereits ausverkauft. Karsten Becker warnt jedoch vor Aktionismus hinsichtlich der Laien-Tests. Er ist Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie und Direktor des Friedrich-Loeffler-Instituts für Medizinische Mikrobiologie der Universitätsmedizin Greifswald. „Eine anlasslose Massentestung aus nicht wissenschaftlichen Gründen halte ich für den falschen Weg“, sagt der 59-Jährige. Antigen-Tests benötigen viel mehr Viruslast: Seit Beginn der Pandemie beschäftigt sich der Mikrobiologie mit den Testverfahren auf das Coronavirus. Der Wissenschaftler kritisiert die hohe Fehlerquote bei den Antigen-Tests. Im Vergleich zu den PCR-Tests, die durch qualifiziertes Personal im Labor ausgewertet werden und schon bei geringen Virusmengen im Körper anschlagen, reagieren Laien-Tests weniger sensibel. „Es gibt keinen Test in der Medizin, der einhundertprozentig sicher ist. Es gibt immer die Möglichkeit von Fehlern. Aber beim PCR-Verfahren sind sie viel geringer als beim Antigen-Test. In der Probe muss viel mehr Virus sein, damit der Test aus dem Supermarkt ein positives Ergebnis anzeigt.“ Zudem hätten die Antigen-Tests eine hohe Quote hinsichtlich der „falsch-positiven“ Ergebnisse. Bedeutet: Der Test zeigt ein positives Ergebnis an, obwohl die Person sich nicht mit dem Coronavirus infiziert hat. Grund dafür: Ein Antigen-Test weist spezielle Oberflächen-Proteine des Virus, die sogenannten Antigene, nach. „Diese sind innerhalb einer Virusfamilie oft sehr ähnlich. Im Körper und auf den Schleimhäuten können andere Viren zirkulieren, die mit dem SARS-CoV-2 verwandt, aber harmlos sind. Manchmal sind sogar noch weiter entfernte Verwandte dieses Virus für falsch-positive Ergebnisse verantwortlich, wie Studien zeigen.“ 35 Prozent der positiven Testergebnisse auch tatsächlich positiv: Siemens Healthineers ist eines von drei Unternehmen, welches die Zulassung für den Laien-Test vom Bund erhalten hat. Auf der Internetseite wirbt das Unternehmen damit, dass ihr Antigen-Test zu 97,2 Prozent mit Corona infizierte Personen erkennt. „Nach den von der Firma veröffentlichten Testergebnissen gehört dieser Antigen-Test schon zu den besseren“, schätzt Becker ein. „Jedoch sind unabhängige Studienergebnisse für viele dieser Tests oft noch nicht vorhanden“. Auch hier sei es wahrscheinlich, dass der Schnelltest häufig falsch-positive Infektionen anzeigt, wenn er in der Normalbevölkerung eingesetzt wird. Auf Grundlage der angegeben Daten von Siemens Healthineers sei davon auszugehen, dass lediglich etwa 35 Prozent der positiven Testergebnisse aus der Normalbevölkerung auch tatsächlich positiv sind, erklärt Becker weiter. „Jemand, der diese Hintergründe nicht kennt, ist bei einem positiven Test sofort verunsichert und weiß nicht, wie es weitergeht. Muss ich das Gesundheitsamt informieren? Muss der Test wiederholt werden? Bin ich überhaupt verpflichtet, diesen positiven Test zu melden? In einigen Bundesländern bedeutet bereits ein positiver Antigen-Test auch Quarantäne“, gibt der Wissenschaftler zu bedenken. Laut Bundesgesundheitsministerium gibt es bislang offiziell keine Meldepflicht. Dennoch wird darauf hingewiesen, sich bei einem positiven Ergebnis des Antigen-Testes vorsichtshalber in Quarantäne zu begeben, bis das Ergebnis durch einen PCR-Test bestätigt wurde. Lesen Sie auch Schwesig „sehr verärgert, dass zunächst Aldi und Co. Selbsttests verramschen können“ MV: Das ist die Corona-Lage am Sonnabend Corona-Schnelltests bei Aldi: Kritik an Teststrategie der Regierung wird lauter Wie viel Sicherheit verspricht hingegen ein negatives Ergebnis bei den Laien-Test? Auch hier mahnt Becker zur Vorsicht. Ein Antigen-Test mit einer schlechten Sensitivität (dieser Wert beschreibt, wie viele mit dem Coronavirus infizierte Personen als solche auch korrekt identifiziert werden) kann das Virus erst nachweisen, wenn es sich stark vermehrt hat und bereits ansteckend ist. Ein Antigen-Test ist also lediglich eine Momentaufnahme. Die Corona-Schnelltests für zu Hause sollen dabei helfen, Personen, die sich bereits mit dem Virus infiziert haben, häufiger und schneller zu finden, bevor sie weitere Menschen anstecken. Wer den sogenannten Laientest anwendet, muss den Abstich mit dem Wattestäbchen lediglich vorne in der Nase nehmen. Der Schnelltest für den Hausgebrauch umfasst ein Extraktionsröhrchen und eine Extraktionslösung sowie eine Testkassette und ein Wattestäbchen. So funktioniert's: Die Lösung wird in das Röhrchen eingefüllt (je nach Hersteller ist die Lösung bereits eingefüllt). Vor dem Abstrich einmal ausschnauben. Das Wattestäbchen zwei bis drei Zentimeter tief in die Nase stecken. Stäbchen an der Schleimhaut fünf Mal entlangdrehen. Stäbchen danach in das Röhrchen samt Lösung eintauchen. Erneut fünf Mal an der Wand entlangdrehen, je nach Test noch etwas drin lassen. Stäbchen abtropfen lassen und herausnehmen. Verschluss zudrehen. Die in der Packungsbeilage angegebene Menge auf das Probenfeld der Testkassette geben. Nach 15 bis 20 Minuten sollte das Ergebnis angezeigt werden. Ein Streifen sollte bei C (Control) stehen. Kommt kein weiterer Streifen bei T (Test) hinzu, ist das Ergebnis negativ. Bei einem zweiten Strich (auch wenn nur gering) bedeutet das, dass der Test positiv ist. Von Christin Lachmann