Kirche irritiert über Abschiebung eines Afghanen

Was vergangene Woche in einer psychiatrischen Klinik der Odebrecht-Stiftung in Greifswald passierte, hat unter Kirchenvertretern aus Vorpommern Irritation und zum Teil Empörung ausgelöst. Polizisten hatten Montagnacht einen afghanischen Flüchtling im Auftrag des Landkreises Vorpommern-Greifswald aus der stationären Behandlung geholt und abgeschoben (die OZ berichtete). „Das ist schlimm, unter den Flüchtlingen im Asylbewerberheim geht jetzt die Angst um — davor, auch mal ins Krankenhaus zu müssen und dann abgeschoben zu werden“, sagte Pastor Michael Mahlburg am Sonnabend auf der pommerschen Kirchenkreissynode in Züssow. „Das kann doch nicht sein!“ Die Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche und die Kirchenleitung müssten den Fall prüfen, die Frage nach dem Patientenschutz in kirchlichen Kliniken klären und die Einrichtungen unterstützen, forderte Mahlburg. Fast alle der rund 60 anwesenden Synodalen stimmten einem entsprechenden Antrag zu, nachdem sie kurz vorher eine Stellungnahme gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit verabschiedet hatten. „Wir wissen zwar noch nicht genau, was hinter der Abschiebung steckt, aber wir können auf jeden Fall sagen: Wir sind besorgt, und das Vorgehen muss geprüft werden“, erklärte die Anklamer Pastorin Petra Huse als Vizepräses der Synode. Pastor Mahlburg betonte, die Abschiebung des kranken Flüchtlings sei gegen den Willen der behandelnden Ärzte passiert, das habe ihm Martin Wilhelm als Vorsteher der Johanna-Odebrecht-Stiftung bestätigt. „Als Ärztin bin ich höchst irritiert“, sagte die Greifswalder Synodale Sibylle Scheler, Herzspezialistin im Klinikum Karlsburg. „Wenn Polizisten bei uns auf Station kämen und Patienten mitnehmen würden diese Menschen stehen doch unter unserem Schutz!“ Jemand, der stationär behandelt werde, sei ernsthaft krank, davon könne man bei den restriktiven Regelungen der Krankenkassen ausgehen. Der Landkreis hatte gegenüber der OSTSEE-ZEITUNG betont, Ärzte hätten den Flüchtling als reisefähig eingestuft. Gemeint waren aber Amtsärzte, die der Kreis hinzugezogen hatte, nicht die behandelnden Klinikärzte, sagte Mahlburg. Gemäß dem Dublin-II-Abkommen wurde der 24-jährige Flüchtling dann nach Belgien gebracht, wo er zum ersten Mal nachweislich europäischen Boden betreten hatte. Dort werde er ärztlich weiter betreut, hieß es vom Kreis. Viele der Synodalen finden das Vorgehen trotzdem fraglich. „Wir dürfen jetzt nicht wegschauen“, sagte die pommersche Jugendpastorin Tabea Bartels. „Es ist wichtig, dass öffentlich darüber geredet wird!“ Dass der Landkreis den Mann in einer Nacht- und Nebel-Aktion aus der Klinik geholt habe, sei merkwürdig. „Wenn alles legal ist, warum haben die Behörden dann nicht am hellichten Tag gehandelt?“ Sybille Marx

Greifswald/Züssow - Kirche irritiert über Abschiebung eines Afghanen