Kuriose Notrufe in Vorpommern: Hilfe, die Aliens kommen

Unfälle, Diebstähle, zu laute Musik – das sind die klassischen Gründe, weshalb die Menschen in Vorpommern-Rügen, Vorpommern-Greifswald und Mecklenburgische Seenplatte den Polizeinotruf 110 wählen. Doch die Beamten mussten auch schon allerhand kuriose Anrufe entgegennehmen, wie Claudia Tupeit, Sprecherin des für die Kreise zuständigen Polizeipräsidiums in Neubrandenburg, in einer Bilanz für das Jahr 2020 berichtet. Da wären die Anrufe wegen ganz alltäglicher Dinge: „Selbstgekochtes, das nicht schmeckt, Fragen beim Abschluss von Versicherungsverträgen oder weil die Polizei das Internet reparieren soll“, erzählt Tupeit. Eine Frau habe sich gemeldet, weil sie ihr Telefon nicht laden konnte und bat die Polizei, ihren Bruder vorbeizuschicken. In anderen Fällen hatten sich Anrufer aus der Wohnung ausgesperrt. „Dabei wägen die Beamten ab: Ist die Tür zugefallen und im Haus sind zum Beispiel noch Kinder allein, organisiert die Polizei natürlich Hilfe.“ Polizei sollte das eigene Kind abholen: Ein interessantes Beispiel ist auch der Vater, der sich meldete, weil sein Achtjähriger nicht von der Spielkonsole wegzubekommen sei. Er forderte, der Junge solle von den Beamten abgeholt werden. „In solchen Fällen wird dem Anrufer gesagt, dass er bei uns an der falschen Stelle ist und dass wir nicht einfach vorbeikommen und das Kind mitnehmen können“, so Tupeit. Stattdessen seien Erziehungsratschläge gegeben worden. „Wir haben ihm gesagt, wenn er das Problem häufiger hat und aus lauter Verzweiflung bei der Polizei anruft, dann sollte er überlegen, ob er nicht etwas in Richtung Suchthilfe unternehmen wolle. Zudem gibt es die Möglichkeit, die Beratung des Jugendamtes in Anspruch zu nehmen.“ Auch wenn seiner Forderung nicht nachgekommen werden konnte – der hilfesuchende Vater wurde also nicht im Regen stehen gelassen. Beamte klären die Situation mit einem Schmunzeln auf: Ein weiterer kurioser Anruf kam von einem Mann, der die Polizei ernsthaft alarmieren wollte, weil Silberstreifen am Himmel sind und deshalb wahrscheinlich gleich Außerirdische landen werden. Erlaubte sich da jemand einen Scherz? War der Anrufer verwirrt und hilfsbedürftig? Oder hatte da jemand schlicht zu viele Film gesehen? Tupeit dazu: „Wenn die Kollegen merken, dass der Anrufer sie veräppeln will, wird ihm klargemacht, dass das ein Missbrauch des Notrufs ist, der strafrechtlich verfolgt wird. Merken sie aber, dass der Anrufer wie hier tatsächlich an die Sache glaubt, dann reagieren sie eher mit einem Schmunzeln. Sie sagen beispielsweise, dass sie die Silberstreifen auch kennen, aber dass deswegen keine Außerirdischen landen werden.“ 2020zählte die Polizei für die beiden vorpommernschen Landkreise und die Mecklenburgische Seenplatte rund 106 600 Notrufe und damit 3500 weniger als im Vorjahr. Etwa die Hälfte aller Notrufe (53 700) zog einen Polizeieinsatz nach sich. Über die Weihnachtstage gingen 582 Notrufe ein (2019: 538), Silvester waren es 284 (2019: 347). Nicht verwechseln: Wer die Polizei benötigt, ruft die 110 an. Wer Feuerwehr und Rettungsdienste verständigen will, wählt die 112. Streiche sind kein Kavaliersdelikt: Alle 110-Anrufe der eingangs erwähnten Landkreise kommen in der Leitstelle Neubrandenburg an. Dort sind meistens sechs, manchmal auch bis zu zehn Kollegen im Einsatz. Wenn die Lage es zulässt, besprechen die Polizisten den Anlass des Anrufes, auch wenn dieser vermeintlich albern ist. „Unsere Mitarbeiter sehen ja, ob die Kollegen links und rechts von ihnen telefonieren oder ob es eher ruhig ist. Wenn gerade viel los ist, wird schon darauf hingewiesen, dass die Leitung freibleiben muss“, so die Polizeisprecherin. Lesen Sie auch Rostock-Groß Klein: Prügelei wegen Corona-Maskenpflicht auf Parkplatz Lkw auf B 96 bei Altefähr umgekippt: Straße wieder freigegeben Dreijähriger in Greifswald von Auto angefahren – Schmerzen im Bein Der Missbrauch des Notrufs ist kein Kavaliersdelikt. In 125 Fällen ist im vergangenen Jahr Anzeige erstattet worden – zehn weniger als 2019, aber immer noch im Durchschnitt mehr als zwei pro Woche. „Streiche, Meldungen falscher Unfälle und sonstiger angeblicher Gefahren“, listet Tupeit die Gründe für die Strafverfolgung auf. Dazu zählen auch absichtlich falsche Beschuldigungen gegenüber unliebsamen Personen, etwa wenn jemand seinem Nachbarn die Polizei auf den Hals hetzen will. Eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe können die Folge sein. Leichte Zunahme wegen häuslicher Gewalt: Coronabedingte Anrufe werden nicht extra erfasst, sind aber 2020 natürlich auch dabei gewesen. Zum Beispiel, weil zu viele Personen an einem Ort waren, oder weil Kinder im Frühjahr auf gesperrten Spielplätzen tobten. Zudem habe es einen leichten Anstieg der Notrufzahlen im Bereich häusliche Gewalt gegeben. Von Kai Lachmann