Lubmins Bürgermeister Axel Vogt im Interview

Das Seebad Lubmin begreift sich nicht nur als touristische Anlaufstelle für Einheimische und Touristen, sondern auch als Gewerbe- und Industriestandort. Dafür spricht auch das umstrittene Projekt Nordstream 2, das Gas von Russland nach Lubmin bringen soll. Im Interview spricht Bürgermeister Axel Vogt (CDU) darüber, wie sich die Pandemie auf den Tourismus ausgewirkt hat, warum das große Hotel-Projekt in der geplanten Form nicht realisiert werden kann und was er über die aktuelle Diskussion zu Nordstream 2 denkt. Herr Vogt, die Gemeinde plante ein modernes Urlaubs-, Geschäfts- und Tagungshotel mit Gastronomie und Wellness im Diesterweg. Nun teilte die Hamburger Entwicklungsgesellschaft Premero Immobilien GmbH mit, dass sie das Projekt nicht weiterführen werden, weil sie keinen Hotelbetreiber gefunden haben. Ist das Thema nun vom Tisch? Nein, das Thema ist nicht vom Tisch. Die Absage kam für mich persönlich nicht überraschend im Hinblick auf die Pandemie. Hoteliers investieren aktuell lieber in Bestandsimmobilien, bevor sie ganz neue Projekt angehen. Wir verstehen, dass im Moment keiner so viel Geld in die Hand nehmen möchte, ohne zu wissen, was nächstes Jahr sein wird. Wir reden hier von etwa 20 Millionen Euro. Das Hotel ist gedacht in Kombination mit unseren touristischen Gästen, aber vor allem für Geschäftsreisende aus dem Industrie- und Gewerbegebiet Lubminer Heide. Seit Jahren können nicht alle bei uns in der Gemeinde wegen des zu geringen Angebotes unterkommen, sondern weichen auf Zinnowitz oder Greifswald aus. Das heißt, dass Projekt ist erst einmal nur verschoben? Ob wir für das Areal wieder einen großen Hotelinvestor suchen oder ob wir kleiner denken und die Fläche mit einem kleineren Hotel und anderen touristischen Dinge parzellieren, ist noch völlig offen. Darüber wird die Gemeindevertretung in den nächsten Monaten diskutieren. Klar ist, dass der Spielplatz bleiben wird und verbessert werden soll. Wir werden auch einen gewissen Parkraum beibehalten müssen. Wie hat sich die Pandemie auf die Gemeinde ausgewirkt? Wenn man das Soziale in der Gemeinde nimmt, mussten die Menschen mit erheblichen Einschränkungen leben. Das soziale Miteinander wurde im Bereich Kultur, Sport und Vereinsleben heruntergefahren. Das hat sich bemerkbar gemacht. Das heißt aber nicht, dass die soziale Struktur nicht gefestigt ist. Die Menschen stehen weiterhin zueinander und suchen nach anderen Möglichkeiten, wie man die Zeit übersteht. Unsere Sportlehrerin etwa, die wir angestellt haben, bietet Online-Sportkurse an. Lesen Sie auch: Greifswald: Protest gegegen Klimaschutz-Stiftung und Nordstream 2 So soll Lubmins Küste in den kommenden Jahren sturmsicher sein Lubmin: Sturmflut reißt tausende Kubikmeter Sand weg Wie steht es finanziell um Lubmin? Was den Haushalt der Gemeinde betrifft, sind wir ziemlich gut durch die Pandemie gekommen. Wenn ich mir die Gewerbesteuerentwicklung und insgesamt die Steuerentwicklung in der Gemeinde anschaue, macht sich der Mix aus Tourismus und Einwohnern, die in gut bezahlten Berufen in der Region arbeiten, bezahlt. Die Gewerbesteuer unserer Industriebetriebe ist recht stabil geblieben, sodass wir mit unserem Haushalt 2021 leistungsfähig sein werden und investieren können. Stichwort Investitionen: Welche größeren Bauvorhaben sind in diesem Jahr geplant? Wir werden uns weiter um den Neubau der Feuerwache kümmern und neben der schon laufenden Bebauungsplanung mit der Objektplanung beginnen. Wir werden weiterhin Straßen sanieren und an einer Gestaltungssatzung zur Wahrung des Ortscharakters sowie an einem Verkehrskonzept für den gesamten Ort arbeiten. Für den Gemeindehof werden wir neue Technik zum Beispiel einen Kommunaltraktor anschaffen. Geplant sind zudem zwei öffentliche Toiletten in der Nähe des Strandes und am Friedhof. Im vergangenen Jahr haben wir angefangen, unseren Friedhof neu zu planen. Dort werden wir weiter investieren. Wir wollen zudem Reparaturarbeiten an der Seebrücke vornehmen. In unserem Stadion fehlt noch der Multifunktionsplatz. Dort sind wir noch im Fördermittelverfahren. Für die Neuinvestitionen sind 2,5 Millionen Euro geplant. Wie blicken Sie auf die kommende Urlaubssaison? Vor April planen wir noch keine touristischen Veranstaltungen. Wir gehen davon aus, dass wir spätestens ab Mai unter Auflagen wie im vergangenen Jahr gewisse Programme wieder durchführen dürfen. Wir blicken trotz Corona optimistisch in den Sommer. Es hat sich im vergangenen Jahr gezeigt, dass mit den Lockerungen auch wieder Gäste zu uns kommen. Die eigentliche Saison ab Mitte Juni bis in den Oktober hinein war 2020 trotzdem gut. Wir hatten den Eindruck, dass wir durch die strengen Reisebestimmungen sehr viele neue Gäste bei uns hatten, die Lubmin und die Ostsee für sich neu entdeckt haben. Die USA wollen nun erste Sanktionen gegen Nordstream 2 erheben. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) geriet wegen der Pläne eine Stiftung zu gründen, um die Gaspipeline fertig zustellen, in die Defensive. Was sagen Sie zur aktuellen Diskussion? Ich bin dankbar dafür, wie entschlossen die Ministerpräsidentin handelt. Die Sanktionen, die die USA verhängt haben, sind rechtlich und völkerrechtlich nicht haltbar. Es ist das knallharte Vertreten eigener wirtschaftlicher Interessen. Wir sind keineswegs von russischem Gas abhängig. Zudem haben wir mit Gewerbesteuern des Nordstream-2-Projektes noch nicht gerechnet – weder für den Haushalt 2020 noch 2021. Wir sind beim Ausbau erneuerbarer Energien noch längst nicht soweit, als das man auf Erdgas verzichten könnte. Der Dreiklang zwischen Erzeugung, Transport und Speicherung erneuerbarer Energien ist noch nicht da. Von Christin Lachmann