Altschulden: Der Kreis zieht vor Gericht

Vorpommern-Greifswald probt den Aufstand: Gegen die vom Innenministerium angeordnete schrittweise Tilgung der von den Landkreisen Ostvorpommern und Uecker-Randow geerbten Altschulden regt sich nun doch Widerstand. Der Kreis soll klagen. Zudem haben 73 von 143 Gemeinden den Bescheiden widersprochen, mit denen sie Anfang Juni zur Abzahlung einer ersten Schuldenrate aufgefordert wurden. Die Landkreisverwaltung hatte die Bescheide erlassen, nachdem das Innenministerium die Altschuldentilgung regelrecht angeordnet und das Verwaltungsgericht Einwände dagegen abgewiesen hatte. Das Landkreisneuordnungsgesetz schreibt vor, dass die Großkreise zum Abbau ihrer Altschulden all jene Gemeinden zur Kasse bitten müssen, die den früheren Landkreisen angehörten. Im Falle Vorpommern-Greifswalds summieren sich die zu begleichenden Verbindlichkeiten aus der Vergangenheit auf mehr als 90 Millionen Euro. Um die Leistungsfähigkeit der betroffenen 143 Gemeinden nicht zu gefährden, waren Innenministerium und Landkreis übereingekommen, ihnen nur einen Teil aufzuerlegen: 27 Millionen, abzuzahlen in 15 Jahresraten. Eine Satzung regelt, wie viel Geld jede der Gemeinden jährlich abzutreten hat. Zu den Gemeinden, die sich nun widerspenstig geben, zählen sämtliche 14 Kommunen des Amtes Züssow. Im Amt Lubmin (zehn Gemeinden) sind bis auf Lubmin sämtliche Kommunen in Widerspruch gegangen. Auch die Gemeinde Wackerow (Amt Landhagen) beschloss gestern Abend diesen Schritt. Damit ist sie nach Mesekenhagen die zweite von zehn Landhagener Gemeinden, die sich dem formalen Protest anschließt. Im Gebiet des früheren Landkreises Ostvorpommern haben sich insgesamt 40, im früheren Uecker-Randow 33 Kommunen gegen die ihnen auferlegten Abgabebescheide gewandt. Monatelang war unklar, ob und wann die Altschuldentilgung einsetzen würde. Weil das Innenministerium offenließ, wie die gesamten Altschulden beglichen werden sollen, hatte der Kreistag die Abzahlung der Verbindlichkeiten ein ums andere Mal abgelehnt. Genervt von der Weigerungshaltung hatte das Innenministerium im März die Altschuldentilgung angeordnet. Dagegen hatte der Kreis am 2. April Klage beim Verwaltungsgericht in Greifswald erhoben und einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Letzterer sollte verhindern, dass Schwerin die Schuldentilgung trotz laufender Klage durchsetzt. Das Gericht lehnte den Antrag des Kreises auf Rechtsschutz ab. Zur Begründung verwies es auf das Landkreisneuordnungsgesetz. Die Kreisverwaltung empfahl zuletzt, die Klage gegen das Innenministerium fallen zu lassen. Zwar habe ein Jurist in einem Gutachten einer Klage gewisse Erfolgsaussichten bescheinigt. Doch würden die Gründe, die er ins Feld führt, durch die rechtmäßige Anordnung des Ministeriums belanglos. Purer Trotz oder Siegeszuversicht: Eine Mehrheit im Kreistag sieht das offenbar anders. Sie stimmte am Montag für die Aufrechterhaltung der Klage gegen das Ministerium. Damit muss der Landkreis nun trotz aller Bedenken seiner Verwaltung vor Gericht gegen Schwerin streiten. Erster Verhandlungstag ist der 29. September. Kritische Beobachter zweifeln am Erfolg der Klage. „Sie wird den armen Landkreis lediglich viel Geld kosten. Die Anwälte lassen sich nach Streitwert bezahlen und der ist hoch“, gibt Bodo Baranowski, Mitglied im Kreis-Finanzausschuss zu bedenken. Kritik übte auch der SPD-Abgeordnete Günther Jikeli: „Der Landkreis soll mit dem Innenministerium über eine Haushaltssicherung verhandeln und Schwerin dabei möglichst Zugeständnisse abringen. Ich bezweifle, dass man uns in Schwerin entgegenkommt, wenn wir gleichzeitig gegen das Land klagen.“ Wir klagen gegen das Land und erwarten zugleich Entgegenkommen von ihm — klug ist das nicht.“Günther Jikeli, SPD-Kreistagsmitglied Sven Jeske

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