Altschulden: Kreis lässt die Gemeinden zur Ader

Nun ist es amtlich, der Aderlass beginnt: Der Landkreis hat mit der schrittweisen Abzahlung seiner sogenannten Altschulden durch die Gemeinden begonnen. Am 6. Juni gingen in den ländlichen Amtsverwaltungen Bescheide ein, auf deren Grundlage mehr als 130 Kommunen der ehemaligen Kreise Ostvorpommern und Uecker-Randow bis zum Jahr 2030 insgesamt 27 Millionen Euro abzahlen sollen. Eine Satzung regelt, wieviel Geld jede der Gemeinden jährlich abzutreten hat. Grundlage für die Berechnung dieser Rate ist der Durchschnitt der in den Jahren 2009 bis 2011 für die jeweilige Gemeinde ermittelten Steuerkraft und Schlüsselzuweisungen (Kreis- und Amtsumlagegrundlage). Kommunen des früheren Ostvorpommern müssen pro Jahr 1,0029 Prozent dieses Dreijahresdurchschnitts entrichten. Beispiel Bandelin (Amt Züssow): Von 2009 bis 2011 belief sich die Umlagegrundlage im Falle der 530 Einwohner-Gemeinde auf durchschnittlich 607904,63 Euro. In den kommenden 15 Jahren muss sie deshalb jährlich gut 6080 Euro (1,0029 Prozent) zur Altschuldentilgung beitragen. Beispiel Weitenhagen (Amt Landhagen): Die Umlagegrundlage der 1490 Einwohner-Kommune am südlichen Stadtrand von Greifswald für die Jahre 2009 bis 2011 beträgt 1,074 Millionen Euro. Ergo hat Weitenhagen in den kommenden 15 Jahren jeweils mehr als 10740 Euro für die Altschuldentilgung abzutreten. Beispiel Lubmin (Amt Lubmin): Steuerkraft und Schlüsselzuweisungen des 2047 Einwohner-Seebads am Bodden betrugen in den Jahren 2009 bis 2011 durchschnittlich 1,45 Millionen Euro. Bis zum Jahr 2030 wird Lubmin deshalb jährlich mit mehr als 14500 Euro zur Altschuldentilgung herangezogen. Die von den Gemeinde insgesamt zu zahlenden 27 Millionen sind nur ein Teil der Altschuld, die Vorpommern-Greifswald von den Vorgängerkreisen Ostvorpommern und Uecker-Randow erbte. Laut Gesetz müssten die gut 130 Gemeinden der beiden Altkreise diesen Berg abtragen. Um ihre Leistungsfähigkeit nicht zu gefährden, kamen Innenministerium und Landkreis überein, ihnen nur einen Teil aufzuerlegen. Eben jene 27 Millionen Euro, deren Eintreibung nun begonnen hat. Monatelang war unklar, ob und wann die Altschuldentilgung einsetzen würde. Weil unklar blieb, wie die gesamten Altschulden beglichen werden sollen, hatte der Kreistag die Abzahlung der Altschuld ein ums andere Mal abgelehnt. Genervt von der Weigerungshaltung hatte das Innenministerium im März die Altschuldentilgung angeordnet. Dagegen hatte der Kreis am 2. April Klage beim Verwaltungsgericht in Greifswald erhoben und einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Letzterer sollte verhindern, dass Schwerin die Schuldentilgung trotz laufender Klage durchsetzt. Das Gericht lehnte den Antrag des Kreises auf Rechtsschutz ab. Zur Begründung verwies es auf das Landkreisneuordnungsgesetz. Das schreibt vor, dass Kreise zum Abbau ihrer Altschulden all jene Gemeinden zur Kasse bitten müssen, die den früheren Landkreisen angehörten. Der Kreis, stellten die Richter fest, habe keinen Ermessensspielraum. Er habe nicht glaubhaft gemacht, dass die schrittweise Altschuldentilgung den betroffenen Kommunen die finanzielle Mindestausstattung entziehe. Der Kreis soll nicht klagen Unabhängig davon, dass das Verwaltungsgericht einen Rechtsschutzantrag des Landkreises in punkto Altschuld ablehnte, ist eine Klage des Kreises gegen die Anordnung der Altschuldentilgung durch das Innenministerium anhängig. Ein juristisches Gutachten ermuntert den Landkreis, seine Klage aufrechtzuerhalten. Doch danach sieht es nicht mehr aus. Der Kreistag soll am 13. Juli über die laufende Klage entscheiden. Die Rechts- und Kommunalaufsicht des Kreises will empfehlen, die Klage gegen das Innenministerium zurückzuziehen. Sven Jeske

Greifswald - Altschulden: Kreis lässt die Gemeinden zur Ader