Schon wieder prominenter SPD-Austritt

Eine der bekanntesten Frauen Greifswalds ist aus der SPD ausgetreten. Ute Boback-Askri, Leiterin der Kreisvolkshochschule, kann sich nicht mehr mit der Politik der Sozialdemokraten in Vorpommern identifizieren. „Mit der Kreisgebietsreform bin ich nie warm geworden. Dieser Landkreis ist zu groß und nicht regierbar“, so ihre Einschätzung. Auf dieser Grundlage wolle sie keine Entscheidungen mehr mittragen. Schon gar nicht solche, die Personalkürzungen betreffen. Auf der letzten Kreistagssitzung im Juli brachten Sozialdemokraten den Antrag ein, jährlich drei Prozent aller Kreismitarbeiter zu entlassen. „Ich kennen viele Beschäftigte in den Ämtern, die jetzt schon an ihrer Belastungsgrenze angekommen oder gar ständig krank sind“, erzählt Boback-Askri. Das ausgerechnet die SPD vorschlägt, in solch einer Situation Personal pauschal abzubauen, habe sie enttäuscht. „Sie hat gute Arbeit für die Partei geleistet“, sagt SPD-Ministerpräsident Erwin Sellering. Er bedauere ihre Entscheidung, verweist aber darauf, „dass man nicht auf Dauer mehr Geld für Verwaltung ausgeben kann, als man hat“. Das Land mache es vor: Über einen längeren Zeitraum wird dort das Personal ohne betriebsbedingte Kündigungen um ein Viertel reduziert. Die Mehrheit des Kreistages schmetterte den Vorstoß aber damals ab. „Der Antrag war innerhalb unserer eigenen Kreistagsfraktion umstritten“, sagt deren Vorsitzender Norbert Raulin, der mit dem Ansinnen persönlich auch nicht einverstanden war: „Es ist schizophren zu glauben, wenn man jedes Jahr drei Prozent der Mitarbeiter entlässt, dass man damit irgendetwas rettet.“ Er bringt sogar Verständnis für den Rücktritt von Boback-Askri auf: „Der politische Einfluss ist hier eben sehr bescheiden.“ Das liege an dem hohen Schuldenstand des Kreises und dem System dahinter. 80 Prozent der Gemeinden hätten keinen Handlungsspielraum mehr. „Jetzt müssen zusätzlich Altschulden abgebaut werden. Dafür werden aber wieder neue Schulden aufgebaut“, so Raulin. Im aktuellen Haushaltsentwurf sind das wieder mehr als 13 Millionen Euro. „Die übernommenen Aufgaben des Landkreises werden vom Land nicht ausreichend finanziert“, kritisiert er — und das schon seit Jahren. 2012 schickten die vorpommerschen Genossen einen Brandbrief an Landesvater Sellering. Darin beklagten sie die hoffnungslose Überschuldung und die mangelnde Unterstützung aus Schwerin. Raulins trockenes Fazit drei Jahre später: „Es hat sich nichts geändert.“ Sellering hingegen kontert: „Die Landesregierung unterstützt Vorpommern, wo immer das möglich ist.“ Frust war auch bei Oskar Gulla, einem der streitbarsten Greifswalder Sozialdemokraten, der Grund für den Parteiaustritt im Mai. Nach 43 Jahren Mitgliedschaft hegte er nicht mehr die Hoffnung, dass die SPD „willens und in der Lage ist, weitsichtige sozialdemokratische Politik zu machen“. Gulla kritisierte sowohl das Verhalten der Partei in der Flüchtlingsfrage als auch ihre Einstellung zu energie- und entwicklungspolitischen Prozessen. Wer will, kann diese Resignation auch aus den SPD-Mitgliederzahlen herauslesen. 2700 Menschen haben in MV aktuell noch ein SPD-Parteibuch, heißt es aus der Schweriner Geschäftsstelle. 2013 waren es im November noch 2866. Die Zahl in Greifswald liegt hingegen laut Monique Wölk konstant bei knapp 200. Die hiesige SPD-Vorsitzende bedauerte ebenfalls Boback-Askris Austritt. „Gerade in den 1990ern war sie sehr aktiv.“ Die heute 55-Jährige trat nach der Wende ein, weil sie „die Politik mitgestalten“ wollte. 2005 kandidierte sie erfolglos für den Bundestag. Ämter hatte sie dann in Gremien oder der Partei nicht übernommen. Deshalb halte sich auch der Verlust für die politische Arbeit in Grenzen, so Wölk. Ein persönliches Gespräch der beiden hat bisher nicht stattgefunden. Für Ex-SPDlerin Boback-Askri kommt „im Moment“ keine neue Partei infrage. „Aber das heißt nicht, dass ich jetzt kein politischer Mensch mehr bin“, sagt sie. Kai Lachmann

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