Steigender Wildbestand ruft Jäger auf den Plan

Unübersehbar stehen sie wieder an den Straßenrändern: Schilder, die darauf hinweisen, dass in den heimischen Wäldern gerade eine Drückjagd stattfindet und Kraftfahrer deshalb zur Vorsicht mahnt. „Die Jagden sind wichtig, denn wir halten damit die Wildbestände gesund“, sagt Forstdirektor Norbert Sündermann, Leiter des Forstamtes Neu Pudagla. Es sei nötig, Tiere zu erlegen, denn die Populationen haben sich in Deutschland enorm vergrößert. Usedom und die Wälder rund um Greifswald machen da keine Ausnahme, sie seien voll mit Schalenwild — Rot-, Dam- und Rehwild sowie Wildschweinen. Deshalb sehen die Abschusspläne für die einzelnen Wildarten auch deutlich größere Tiermengen vor als noch vor Jahren. So sollen auf Usedom allein in diesem Jagdjahr — es dauert vom 1. April 2014 bis zum 31. März 2015 — durch die Hegegemeinschaft Usedom-Süd 480 Stück Rotwild erlegt werden. Allein das Forstamt Neu Pudagla muss 47 Stück Rotwild erlegen. Dazu kommen in Summe 223 Stück Dam-, Reh- und Schwarzwild. Im Forstamt Jägerhof sieht der Abschussplan 90 Stück Rot-, 60 Stück Dam-, 170 Stück Rehwild und 125 Sauen vor. Im Stadtwald Greifswald werden jährlich an die 250 Tiere, zumeist Schwarzwild, erlegt. Und im Uniforst müssen etwa 300 Rehe und 200 Wildschweine geschossen werden. „1994/95, vor 20 Jahren, waren es in der gesamten Hegegemeinschaft Usedom-Süd lediglich 40 Stück Rotwild und 21 Stück Damwild“, zieht Norbert Sündermann den Vergleich und ergänzt, dass Jagden damit auch Ausdruck stabiler Wildbestände sind. „Das sind Steigerungsraten von mehr als dem Zehnfachen und ein deutliches Zeichen, dass der Wildbestand rapide zugenommen hat“, betonen Norbert Sündermann und sein Kollege Torsten Hackert, Leiter des Forstamtes Jägerhof. Grund für die starke Zunahme des Wildes sind die hervorragenden Lebensbedingungen für die Tiere und die Unterschätzung der Zuwachsfreudigkeit. Die Jäger der Region haben daher eine verantwortungsvolle Aufgabe. Zur Gesunderhaltung des Bestandes werde die Anzahl auf einem vertretbaren Level gehalten. „Wo es zu viele Hirsche, Rehe und Schweine gibt, leidet nicht nur der Wald darunter, sondern vor allem auch der Mensch“, nimmt Sündermann kein Blatt vor den Mund. Er und auch seine Kollegen Torsten Hackert, Greifswalds Stadtförster Bent Knoll sowie Wolfgang von Diest, Dezernent Liegenschaften der Universität Greifswald, wissen um die Probleme mit Wild. Knoll verweist darauf, dass in Stadtrandnähe der Bestand an Schwarzwild niedrig gehalten werden muss, „sonst tummeln sie sich bald auf dem Wall oder in den Vorgärten. Das findet dann niemand mehr schön“, redet er Klartext. Verkehrsunfälle, gerade jetzt in der dunklen Jahreszeit, sind ebenfalls ein Problem. Jährlich ereignen sich in Deutschland 230 000 Wildunfälle, oft werden Menschen dabei sogar getötet. „Die bei den Unfällen verendeten Tiere machen zwölf Prozent der Jahresstrecke des Schalenwildes aus“, erläutert der Forstdirektor. Mindestens genauso großen Ärger haben Waldbesitzer und Landwirte, wenn ihnen Wälder und Äcker durch Schweine und Rotwild verwüstet werden. „Landwirte erhalten aus der Wildschadensausgleichkasse eine Entschädigung. Wenn Wald jagdlich verpachtet ist, kann der Waldbesitzer auch Wildschäden geltend machen. Im Landes-, Stadt- und Universitätsforst sind die Waldflächen aber meist nicht verpachtet. Sie müssen Schäden selbst tragen“, erklärt Wolfgang von Diest. „Im Gegenteil: Wenn durch zu viel Wild die Stangenhölzer geschält werden oder die Naturverjüngung vernichtet wird, dauert der Schaden 100 Jahre, bis wieder Wald nachgewachsen ist“, macht Sündermann deutlich. Der erfahrene Grünrock verweist noch auf die Zeckenplage durch hohen Wildbestand. „Wer jemals intensiv ein totes Reh angeschaut hat, weiß von den vielen Zecken auf diesen Tieren. Nicht umsonst wird alljährlich vor der Zeckenplage im Wald gewarnt“, erläutert er. Die Jagd ist aber — so alle vier Förster unisono — auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. „Wildbret ist in der Bevölkerung beliebt. Wildfleisch ist gesund und hat einen geringen Fettanteil. Hirschkeulen, Rehrücken und Wildschweinschinken kommen aber nicht von allein in den Handel“, sagt Torsten Hackert. Es bedürfe der 340000 Jäger in Deutschland, um die Tiere, die dieses edle Fleisch liefern, zu schießen. Auch deshalb sind im November und Dezember vermehrt Hinweisschilder auf Drückjagden zu finden. Cornelia Meerkatz

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