Uni-Klinikum Greifswald rüstet sich für Corona-Patienten

Am Mittwochabend appellierte Kanzlerin Angela Merkel an die Bevölkerung, die Corona-Gefahr nicht zu unterschätzen:„Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst.“ Wie ernst die Lage am Universitätsklinikum eingeschätzt wird, war am Donnerstag vor den Klinikumseingängen zu beobachten: Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes kontrollieren alle Zugänge. Wer keinen triftigen Grund hat, wird am Eingang zurückgewiesen. Ingo Bars wollte seine Frau zu einem wichtigen Untersuchungstermin in die Neurochirurgie begleiten. Während sie das Klinikum betreten darf, muss er nun draußen warten. „Es ist nicht schön, wenn man bei der Diagnostik seinem Partner nicht zur Seite stehen darf“, sagt der 66-Jährige. „Aber die Sicherheitsmaßnahmen sind zu akzeptieren. Bevor wir uns alle hier etwas einfangen, ist das besser so.“ Auf dem Parkplatz vor dem Klinikum stehen nur vereinzelte Autos. „Im Prinzip sind die Leute auch verständnisvoll“, sagt ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes. Hin und wieder gebe es Besucher, die auf Biegen und Brechen das Krankenhaus betreten wollen. Seit dem Wochenende ist der Zugang stark reglementiert. Wer sich auf der Palliativstation von einem sterbenskranken Patienten verabschieden will oder wer einen wichtigen Untersuchungstermin hat, darf das Klinikum betreten. Im Foyer warten Pfleger, die dann die Besucher auf die entsprechenden Stationen begleiten. Intensivbettenkapazitäten erweitert: Bislang ist weder ein Mitarbeiter noch ein Patient an Corona erkrankt. Doch angesichts exponentiell ansteigender Erkrankungszahlen in Deutschland richtet sich das Klinikum auf den „worst case“ ein und erweitert die Intensivbettenkapazitäten für Patienten mit schweren und schwersten Corona-Symptomen. „Bisher verfügte die Universitätsmedizin Greifswald über 66 Intensivbetten mit Beatmungsmöglichkeit“, sagt Klinikumssprecher Christian Arns. Nun sei alles vorbereitet, um 87 Intensivbeatmungsbetten nutzen zu können. Ein weiterer Kapazitätsaufbau werde angestrebt. „Dafür benötigen wir 15 weitere Beatmungsgeräte, die bereits beantragt sind“, so Arns. Im Landkreis Vorpommern-Greifswald wurden bislang 22 Menschen positiv auf Corona getestet. „Wir gehen in den kommenden Tagen von einem weiteren Anstieg aus“, sagte Kreissprecher Achim Froitzheim. An der Universitätsmedizin Greifswald wurden 517 Corona-Tests durchgeführt. Allein im Greifswalder Abstrichzentrum auf dem Mensavorplatz, das vor einer Woche als eines der landesweit ersten den Betrieb aufnahm, nahmen Medizinstudenten bis Mittwoch 424 Abstriche. Von den 517 Abstrichen waren 17 Proben positiv. Darunter waren auch Kontroll-Tests bereits bekannter Fälle, wie ein Klinikumssprecher sagte. Im Landkreis gibt es aktuell zwei Abstrichzentren, in Greifswald und in Pasewalk. Weitere Zentren sind in Planung. Corona- Vorbereitung: Stationen werden verlegt, temporäre Wände eingezogen: So paradox es zunächst klingt: Das Universitätsklinikum hat zudem einen Teil seines medizinischen Personals ins Homeoffice geschickt. „Wir wollen mit dieser Maßnahme unser Personal vor einer Ansteckung schützen, damit es gegebenenfalls dann eingesetzt werden kann, wenn sich Pfleger und Ärzte, die jetzt arbeiten, infizieren sollten“, so Arns. Weil elektive, also planbare Operationen abgesagt wurden, wurden Stationen verlegt und temporäre Wände eingezogen. Es werde im Klinikum auch nicht „die eine Corona-Station“ geben. Vielmehr müssen die meisten Fachabteilungen wie Augenklinik, Urologie oder auch Kinderchirurgie gedoppelt werden, um die jeweiligen Patienten fachgerecht zu behandeln und sie gleichzeitig von den Nicht-Infizierten zu trennen. „Das ist eine enorme logistische Herausforderung.“ Container für die Intensivmedizin sind in Greifswald nicht geplant. „Durch die Aussetzung beziehungsweise die Verschiebung vieler Operationen sind im Haus ausreichend Kapazitäten vorhanden.“ „Ausnahmesituation“: Personal freundlich und bestimmt: Der 41-jährige Sven Wendel verlässt gerade mit einem Rollkoffer das Klinikum. Vor einer Woche wurde er als Notfallpatient wegen eines Schlaganfalls hinterm linken Auge in das Krankenhaus eingeliefert. Mit der Behandlung und seinem Aufenthalt im Klinikum ist er sehr zufrieden, „obwohl die Situation für die Klinikmitarbeiter derzeit sicher nicht einfach ist“, wie er sagt. „Ich kann nur sagen, dass die hygienischen Standards extrem hoch sind.“ Überall werde man darauf hingewiesen, sich die Hände zu desinfizieren. Auf die Stationen komme kein Besucher mehr. Kontakt zu seinen Verwandten habe er per Telefon gehalten. „Zum Glück ist das WLAN im Klinikum sehr gut, sodass man per Skype oder WhatsApp miteinander sprechen kann.“ Das Klinikum habe zudem die Kosten für das Telefon ausgesetzt. „Ich bin angenehm überrascht. Trotz der ganzen Ausnahmesituation war das Personal freundlich, aber bestimmt.“ Trotz Corona: Breite der Versorgung wird sichergestellt: Wie Klinikumssprecher Arns betont, wird die medizinische Versorgung in der Breite auch weiterhin sichergestellt. „Das gilt selbstverständlich nicht nur für zu erwartende Corona-Patienten, sondern für alle Fälle, in denen eine Aufnahme und Behandlung in einem Krankenhaus erforderlich sind.“ Wenn Corona-Patienten nicht mehr stationär behandelt werden müssen, werden sie auch dann entlassen. „Sie begeben sich dann in häusliche Isolation – wie andere Positiv-Getestete auch.“ Mutmach-Bilder aus dem Klinikum: Aus dem nahezu hermetisch abgesicherten Klinikum sendeten Mitarbeiter am Donnerstag Mutmach-Bilder. Über Instagram appellierten sie aus dem Zentral-OP 1 an die Greifswalder, zu Hause zu bleiben. Die Medienmanagement-Studentin Anna-Lea Voigt kam mit ihrer Freundin Andrea Lemke, die als Anästhesie-Schwester im Klinikum arbeitet, auf die Idee. „Die extreme Verbreitung von Corona kann nur verhindert werden, wenn die Menschen ihre Kontakte einschränken“, so Anna-Lea Voigt. Rücksichtnahme sei wichtig – aus Respekt vor dem medizinischen Personal und den Risikogruppen. Mehr zum Thema: Zahl der bestätigen Corona-Fälle auf 133 gestiegen Liveicker: Hier erfahren Sie alles über die aktuelle Lage im Land Mitarbeiter des Uni-Klinikums Greifswald senden eine wichtige Botschaft Von Martina Rathke