Verkehrsclub fordert eine autofreie Innenstadt

Eine autofreie Greifswalder Innenstadt fordert der Sprecher des Verkehrsclubs Deutschland (VCD), Torsten Wierschin. Damit könnte seiner Ansicht nach der Lärm im Zentrum wirkungsvoll bekämpft werden. Genau darum geht es. Unter Federführung der Stadt wird ein Lärmaktionsplan erarbeitet. Noch 2014 soll ihn die Bürgerschaft beschließen (OZ berichtete). Im Fokus steht der durch den Straßenverkehr erzeugte Krach. Da das Zentrum überschaubar sei, sei die Verbannung der Autos auf Parkplätze am Rand der Innenstadt kein Problem. Für alle Besucher würde sich das Erlebnis Innenstadt dadurch verbessern. „ Mit speziellen Elektrolastfahrrädern könnten Pakete bis zu 30 Kilogramm transportiert werden“, wirbt er für ein Umdenken bei der Belieferung. Dafür müsse es Zwischenlager für die Verteilung geben. Tiefgaragen oder spezielle Container seien geeignet. Lastenräder könnten auch am Tage, außerhalb der normalen Lieferzeiten, eingesetzt werden. Der Warentransport per Lkw sollte aber zu bestimmten Zeiten weiter möglich sein, so Wierschin. Auch für die Bewohner des Zentrums müsste es Sonderkonditionen geben. „In Helsinki werden gerade interessante Ideen entwickelt“, sagt der VCD-Sprecher. „Dort sollen Menschen künftig flexibel Busfahrten buchen, Fahrräder und Autos leihen und Taxis ordern können.“ Private Autos in der Stadt würden überflüssig. In Osnabrück denke man über ein Bürgerticket für den Nahverkehr nach, berichtet Wierschin weiter. Die Idee: Jeder zahlt um die 30 Euro, Fahrscheine werden überflüssig. Angebote wie Parken-und-Reisen sowie Fahrradverleih würden ebenso in diese Richtung wirken, ist Wierschin überzeugt. Sie könnten über Parkplatzgebührenerlöse mitfinanziert werden. „Wir empfehlen, nachts in der Stadt keinen Lärm von mehr als 50 Dezibel durch Autoverkehr zuzulassen“, führt Wierschin aus. „Das empfiehlt das Umweltbundesamt.“ 50 Dezibel entsprechen den Geräuschen von Regen oder Kühlschränken. Nach Einschätzung von Gesundheitsbehörden werden 55 Dezibel (Fernseher in Zimmerlautstärke) von vielen Menschen als Belästigung empfunden. Mit 60 Dezibel (Gruppengespräch) müssen gegenwärtig nach den Untersuchungen eines Dresdner Planungsbüros etwa 3000 Greifswalder leben. 65 Dezibel (Rasenmäher) bis 75 Dezibel (Pkw-Geräusch) bewirken Stress. Die viel diskutierte Diagonalquerung der Europakreuzung für Radfahrer ist für den VCD weiter aktuell. Sie sei Teil des von der Bürgerschaft beschlossenen Radverkehrsplans, erinnert Wierschin. „Es darf nicht sein, dass in den jährlichen Haushaltsberatungen Maßnahmen aus den unterschiedlichsten Gründen verwässert oder auf unbestimmte Zeit verschoben werden“, sagt er. Ohne die Bereitstellung der nötigen Mittel in klar definierten Zeiten drohe dem Lärmaktionsplan das Schicksal des Radverkehrsplans: Er existiert nur auf dem Papier und wird sehr zögerlich umgesetzt. „Mit der Umsetzung der schon beschlossenen Maßnahmen zur Förderung des Fußgänger- und Radfahrerverkehrs lassen sich in Greifswald locker 9 000 bis 10 000 Pkw-Fahrten pro Tag vermeiden“, so Wierschin weiter. „Das zeigen Statistiken.“ In erfolgreichen modernen Städten müsse der Autofahrer nicht König sein, zitiert Wierschin aus einem vor kurzem erschienen Artikel des Londoner Guardian. In der britischen Metropole habe die Diagonalquerung des „Oxford City Circus“ geholfen, eine Umsatzsteigerung von 25 Prozent der anliegenden Geschäfte zu erreichen, heiße es in der Zeitung. „Das preisgünstigste und am schnellsten umzusetzende Mittel zur Reduzierung Verkehrslärm ist ein Tempolimit“, stellt Wierschin fest. Der VCD fordere die Stadt auf, für alle Straßen, an denen die Lärmbelastungen am Tag über 65 oder in der Nacht über 55 Dezibel liegen, eine mögliche Anordnung von Tempo 30 zu prüfen. Eckhard Oberdörfer

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