Von Greifswald in die Welt: Störche bekommen Personalausweis

Aufgeregt sitzen drei Jungstörche in einem mit Streu ausgelegten Karton im Kofferraum. Vor wenigen Wochen von den Altstörchen aus dem Horst geworfen und im Tierpark wieder aufgepäppelt, sind sie nun wieder auf der Suche nach einer neuen Storchenfamilie. Bei der jährlichen Beringungstour durch den Altkreis Greifswald hoffen die ehrenamtlich tätigen Ornithologen Frank Tetzlaff und Jens Köhler, ein passendes Zuhause in der Natur zu finden. „Dieses Mal bringen wir die Kinder zu den Störchen“, witzelt Tetzlaff, der als Tierpfleger im Greifswalder Tierpark arbeitet. Seit 1997 kümmern sich die beiden um Adebars Nachwuchs im Greifswalder Umland, statten die Füße der Weißstörche mit gelben Ringen aus. Insgesamt hätten Köhler und Tetzlaff schon mehr als 1000 Störche beringt. „Auf diesen ist ein schwarzer Code zu sehen, der nur einmal vergeben wird“, erklärt Tetzlaff. „Quasi wie ein Personalausweis für die Störche.“ Anhand dieser Nummern werden die Störche zu Wissenschaftszwecken registriert. So lässt sich nachvollziehen, wohin die Störche fliegen, um zu überwintern oder ob sie standort- und partnertreu sind. Kindergartengruppe schaut bei der Beringung zu: Die erste Station der Beringungstour liegt in Katzow. Dort warten bereits zwei Jungvögel im Horst sowie eine Gruppe Kindergartenkinder auf die Ornithologen. Behutsam holt Jens Köhler die kleinen Vögel durch einen Hubsteiger herunter, während Frank Tetzlaff den Knirpsen erklärt, was nun passiert. Leuchtende Augen bei den Kids. Die Katzower Störche hätten ungefähr das gleiche Alter wie eines der aufgepäppelten Tiere aus dem Tierpark, stellt der Tierpfleger fest. Kurzerhand wird dieser mit ins Nest gesetzt. Storch Nummer Eins ist erfolgreich vermittelt. Die Anzahl der Brutpaare im Altkreis hat in den vergangenen Jahren abgenommen. Waren es Ende der 1990er Jahre noch 52 Paare, so zählte Tetzlaff in diesem Jahr 26. „Dieses Jahr gibt es im Altkreis 50 Jungstörche, das ist inzwischen eine durchschnittliche Zahl“, so Tetzlaff. Mecklenburg-Vorpommern sei das einzige Bundesland, in dem der Bestand zurückgehe. Einen Grund sieht der Ornithologe im trockenen Frühling. „In den ersten Wochen ernähren sich die Jungtiere von Regenwürmern. Wenn die Nahrungsmittel knapp werden, wird schon mal ein kleiner Storch aus dem Horst geschubst“, erklärt Tetzlaff. Jungtier in Lodmannshagen ist noch zu klein: In Lodmannshagen wartet schon Horstbetreuerin Ingrid Zimmermann auf die Ornithologen. Sie berichtet, dass hier kleine Störche aus dem Horst geworfen wurden und den Sturz nicht überlebt hätten. Ein Jungtier und ein unbefruchtetes Ei findet Jens Köhler allerdings noch vor. Das Jungtier im Nest ist noch zu klein für einen Ring. „Das ist kein Problem“, hört man Tetzlaff unter dem Horst rufen. Er hat etwas anderes vor. Er geht zum Auto und holt ein ebenfalls kleines Storchenbaby aus dem Wagen, das ungefähr im gleichen Alter ist. Somit hat der zweite Mitreisende ein neues Zuhause gefunden. Für die Adebare sei es kein Problem, einfach ein weiteres Jungtier mit aufzuziehen. „Sie können nicht zählen und nicht riechen“, erklärt Jens Köhler, der hauptberuflich als Vermessungstechniker arbeitet. „Die zugesetzten Tiere werden dann einfach mitversorgt, aber man sollte darauf achten, dass sie ungefähr gleich alt sind.“ Horstbetreuer haben viele Geschichten zu erzählen: Danach bleibt noch Zeit für einen kleinen Plausch: „Als der Horst entstand, wurde dieser vom Pastor gesegnet“, erzählt Ingrid Zimmermann, die von ihrem Küchenfenster aus die Störche beobachtet. „Ein Altstorch hat uns bei der Segnung zugesehen.“ Dieser habe direkt danach den Horst besetzt – in dem Jahr gab es fünf Jungtiere. „So viele hatten wir seitdem nicht mehr“, sagt die Frau. Wie in den Vorjahren unterstützt das Energieversorgungsunternehmen e.dis die Mission. Es stellt den Hubsteiger, damit Tetzlaff und Köhler an die hochgelegenen Nester gelangen. „Das funktioniert total problemlos und wir sind sehr dankbar über die Hilfe“, sagt Tetzlaff. „Bei der Beringung der Weißstörche, die im Tierpark leben, hat uns hingegen David Neumann seine Hebebühne zur Verfügung gestellt.“ In wenigen Wochen geht es für die Jungstörche auf Reise: Auf dem Weg in Richtung Neuenkirchen wird der Nachwuchs im Auto etwas unruhig. Tetzlaff weiß, dass in dem Ort auch zwei Jungtiere aus dem Horst geworfen wurden. Das Tier im Wagen hat Glück: „Es ist so groß wie die Störche im Horst“, sagt er. Somit ist also auch der letzte von Tetzlaffs Schützlingen erfolgreich vermittelt und die neuen Geschwister tragen nun einen gelben Ring. An den anderen Horsten des Altkreises geht die Aktion also ohne tierische Begleitung weiter. „Es lief besser als erwartet“, freut sich der Tierpfleger. Einige Jungtiere starten bereits die ersten Flugversuche. In wenigen Wochen geht es für die Störche auf die Reise von Greifswald in die Welt. „Einmal wurde uns ein Storch, der in Eldena geboren ist, in Südafrika gemeldet“, erzählt Tetzlaff. Das weiß er durch den Zahlenring, den der Storch trug. Und vielleicht erfahren die Ornithologen auch, wo es die aufgepäppelten Störche einmal hinzieht. Lesen Sie auch: Greifswald: Storchendame schnorrt Restaurantbesucher an Vorpommern: Naturschützer befürchten wegen Trockenheit schwieriges Storchenjahr Babyboom bei den Störchen im Greifswalder Tierpark Von Stefanie Ploch