Von Placebos und Dezemberfieber

Die Bürgerschaftsmitglieder haben Marathonläufer-Qualitäten. Sitzungen werden in der Regel vertagt, wenn sie länger als vier Stunden dauern. Doch niemand kam auf die Idee, das zu beantragen. Im Gegenteil: je später der Abend, desto ausgelassener und wortwitziger die Diskussionen. CDU-Fraktionschef Axel Hochschild attestierte dem SPD-Mann Erik von Malottki sogar ein „Dezemberfieber“. Dieser hatte eine Beschlussvorlage erarbeitet, in der noch schnell bis zum 15. Dezember 50000 Euro an Vereine ausgereicht werden sollten. Malottki bescheinigte Hochschild dafür, dass seine geplante Babyprämie nur ein „Placebo“ sei und niemand in Greifswald Nachwuchs bekomme, weil die Stadt einen Bonus in Höhe von 200 Euro zahle. Später, als Hochschild in der Debatte zur Babyprämie auf die Linksfraktion schimpfte, machte er aus der Partei mal eben die PDS; vielleicht auch, weil er zugleich an den in der DDR üblichen Ehekredit erinnerte. Je höher der Mond stieg, desto häufiger verhaspelte sich allerdings auch Bürgerschaftspräsidentin und Sitzungsleiterin Birgit Socher (Linke). Sie führt auch Protokoll über die Abstimmungsergebnisse. Da wurde aus einer Zustimmung kurzerhand eine Ablehnung. So manches Mal stimmte das Ergebnis nicht mit der Anzahl der anwesenden Bürgerschaftsmitglieder überein. So auch bei der namentlichen Abstimmung zum Theater Vorpommern. Als Socher die Ja-Sager durchging, wurde plötzlich auch Ulrich Rose (Alternative Liste) zum Befürworter der Theaterfusion. Dabei ist Rose sozusagen der Batman der Fusionskritiker. Dafür erntete er viele Lacher. Ebenso Vize-OB Jörg Hochheim (CDU), der zu dem Tagesordnungspunkt „Berichte der Verwaltung“ nach OB Stefan Fassbinder (Grüne) ans Mikro trat, während Socher schon zum nächsten Tagesordnungspunkt überleiten wollte. „Ich bin auch noch da“, erinnerte Hochheim die Präsidentin. Als alle schon in Aufbruchstimmung waren, fiel Alexander Krüger (Grüne) noch ein wichtiger Punkt ein. „Weil Multhauf nicht mehr da ist, mach ich das heute“, sagte Krüger und entschuldigte sich gleich für den Scherz. Normalerweise ist es Kollege Peter Multhauf (Linke), dem noch etwas Wichtiges einfällt, wenn schon alles gesagt zu sein scheint. Die zum Abriss stehende Baracke am Volksstadion, um die es dann ging, liegt aber tatsächlich beiden am Herzen. OZ

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