Vor 120 Jahren wurde die Eisenbahnstrecke Stralsund-Tribsees eingeweiht

Zu Kaisers Zeiten wurde massiv in die Infrastruktur investiert. Das war wichtig für die rasche wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland. Die Wertschöpfung der Wirtschaft wuchs von 1870 bis 1913 von über 14 Milliarden Reichsmark auf etwa 48,5 Milliarden Reichsmark. Deutschlands überholte in der Industrieproduktion in diesen Jahrzehnten Großbritannien und lag weltweit auf Rang zwei hinter den USA. Lesen Sie auch: Kleine Feldbahn schnaufte bis 1991 durch Grimmen Vor 150 Jahren dampfte der erste Zug an den Sund Zwei Privatbahnen mit Normalspur: Ein Netz von Eisenbahnlinien entstand, das man sich bei der Verkehrswende unserer Tage wünschen würde. Dazu gehörten auch zwei Privatbahnen, die Greifswald-Grimmer-Eisenbahn und die Stralsund-Tribseer-Eisenbahn. Ihr Ende kam nach dem Zweiten Weltkrieg. Bis auf kleinere Reste erfolgte der Abbau der Gleise als Reparationsleistungen für die Sowjetunion. An die historischen Strecken erinnern beispielsweise noch Gleisanlagen in Grimmen und Stralsund sowie Bahnhofsgebäude in Richtenberg, Negast und Tribsees. Die Grenzstadt zu Mecklenburg an der Trebel war mehrere Jahrzehnte ein wichtiger Knotenpunkt. Seit 1895 verkehrten bis dort die Züge der staatlichen Nebenbahn Rostock – Tribsees, die Kleinbahn Velgast – Tribsees (Franzburger Südbahn) zusammen. 1896 erreichte der erste Zug der privaten Nebenbahn Greifswald – Grimmen – Tribsees die Stadt. Die zweite Privatbahn Stralsund – Tribsees traf erstmals 1901 auf dem gemeinsamen Bahnhof ein. Die ersten Ideen für den Bau der Strecke von Stralsund nach Tribsees hatte es bereits Ende der 1870er-Jahre gegeben. 1882 wurden dann die ersten konkreten Forderungen für eine solche Verbindung erhoben, und acht Jahre später unterzeichneten die Städte Stralsund, Richtenberg und Franzburg eine Petition für den Bau. 1894 sprach sich der Provinzialverband Pommern für Investitionen in eine solche Strecke aus, und zwar als Normalspur- und nicht als preiswertere Kleinbahn. Gemessen an der heutigen Zeit ging es nun sehr schnell. Im Oktober 1898 erteilte das Ministerium für öffentliche Arbeiten in Berlin die Konzession für den Bau des ersten Abschnitts Stralsund-Franzburg. Im Januar des Folgejahres wurde eine Aktiengesellschaft gegründet und im Sommer 1899 mit dem Bau begonnen. Güterverkehr zwischen Stralsund und Franzburg: Schon im Dezember 1900 begann der reguläre Güter- und Reiseverkehr zwischen Stralsund und Franzburg und ein Jahr später, also vor 120 Jahren, auch der auf dem zweiten Abschnitt bis Tribsees. Die gesamte Strecke war etwa 36 Kilometer lang. Wer von Tribsees nach Stralsund reiste, benötigte dafür etwa 75 Minuten, bis Franzburg dauerte es von der Hansestadt am Sund 40 Minuten. Eine Alternative, mit einem Omnibus von Franzburg nach Tribsees zu fahren, existierte nicht, denn eine richtige Straße, die die beiden Städte verband, gab es noch nicht. Für die Wirtschaft der Hansestadt am Sund war die Erschließung ihres südwestlichen Hinterlandes wichtig. Getreide für die Mühlenwerke Rasmus, die Brauerei, landwirtschaftliche Produkte für den Export über den Hafen, Rüben für die Zuckerfabrik und anderes konnten so leichter nach Stralsund gelangen. Die damalige Kreisstadt Franzburg erhielt ebenso wie Richtenberg und Tribsees eine direkte Verbindung nach Stralsund. Auch der preußische Staat profitierte, weil seine in diesem Bereich liegenden Domänen und Forsten an das Eisenbahnnetz angeschlossen wurde. Wie die Greifswald-Grimmer-Eisenbahn war auch die Linie Stralsund – Tribsees darüber hinaus wichtig für das Militär. In Berthke und Pöglitz wurden darum je 500 Meter lange Gleise für das Beladen von Militärzügen verlegt. Der wirtschaftliche Aufstieg des Kaiserreiches hatte einen steigenden Wohlstand vieler Bürger des Kaiserreiches zufolge. Für die Naherholung wurden Gaststätten gebaut. Nicht der Transport von Waren, sondern der Ausflugsverkehr erlangte die größte Bedeutung für die Stralsund-Tribseer Eisenbahn. Der Borgwallsee war bei den Stralsundern als Ausflugsziel sehr populär, der Stadtwald bei den Tribseern. Das war der Grund für den Bau des Haltepunktes Stadtwald bei Tribsees. Eine gewisse Bedeutung hatte die Strecke auch bis 1928 durch die Anbindung vieler Orte an die Kreisstadt Franzburg sowie an die Hauptstadt des Regierungsbezirkes. Die hohen Erwartungen in den Güter- und Personenverkehr erfüllten sich indes nicht. Lesen Sie auch Historisches: Tribsees war einst ein Eisenbahnknotenpunkt Velgast kämpft um Bahnstrecke nach Barth Auf schmaler Spur: Im Klützer Winkel rollt der „Kaffeebrenner“ Das Angebot war überschaubar. So verkehrten von 1906 bis zum Ersten Weltkrieg drei Zugpaare auf der Strecke Stralsund – Tribsees plus eines bis Franzburg. Eigens für den Ausflugsverkehr gab es eines am Sonntag nach Negast. Weil das nicht reichte, fuhren weitere Züge außerplanmäßig nach Negast. Ab 1936 bis zum Zweiten Weltkrieg waren es dann vier Zugpaare nach Tribsees plus eines nach Franzburg (wird fortgesetzt). Von Werner Hormann und Eckhard Oberdörfer