Vorpommern-Greifswald: Keine Luftreinigungsgeräte für Schulen

Für die meisten Schüler im Landkreis wird der Schulunterricht wohl auch weiterhin mit Stoßlüften, wärmenden Mützen und kalten Fingern verbunden bleiben. Der Kreistag entschied sich nach hitziger Debatte gegen die Anschaffung von Luftreinigungsgeräten für die Schulen im Kreis. Für zunächst 200 000 Euro sollten entsprechende Anlagen angeschafft werden, hatten Tierschutzpartei, Linke und Grüne gefordert. Alle 20 Minuten Stoßlüften ist Tortur für Schüler: „Sie müssen sich das einfach mal vorstellen“, beschrieb Birgit Socher von den Linken, selbst Lehrerin und unmittelbar mit dem Corona-Alltag in der Schule konfrontiert. „Wir reißen an den Schulen alle 20 Minuten die Fenster auf. Das heißt, die Schüler haben sich gerade eingearbeitet, dann werden die Fenster aufgemacht“, sagt sie. „Dann ist die Luft bei den Schülern raus – und das im wahrsten Sinne des Wortes.“ Das geschehe den ganzen Schultag über, irgendwann seien die Innen- und Außentemperatur ohnehin identisch, die Schüler dick eingepackt und frierend. „Wenn es drinnen so kalt wie draußen ist, findet auch kein Luftaustausch mehr statt, da kann ich die Fenster öffnen, wie ich will“, moniert Socher. Auch Robert Gabel, der die Vorlage entwickelt hat, ist von Luftreinigungsgeräten überzeugt. „Es werden 99,95 Prozent der virenbelasteten Aerosole herausgefiltert“, sagt er. „Das ist ja auch eine langfristig gute Investition, schließlich werden ja alle Virenarten herausgefiltert.“ Lesen Sie auch: Schule im Winter: Sind Trennwände und Luftreiniger die bessere Alternative zu Masken und Stoßlüften? Rostock: Lagus-Arzt forderte schon 2010 Luftreinigungsgeräte an Schulen Duell der Luftreiniger-Gutachten: Doch das Thema ist heftig umstritten. Finanzdezernent Dietger Wille (CDU) lehnt die Anschaffung ab, nicht nur Angesichts der Anzahl von rund 500 Klassenzimmern, die auszustatten wären. „Wir haben uns wissenschaftlichen Rat von der Universitätsmedizin Greifswald geholt. Die Maßnahmen würden nicht den gewünschten Erfolg bringen“, sagte er. „Ein Gutachten des Bundesumweltamtes rät davon ab.“ Erik von Malottki relativierte die Ergebnisse. „Es stimmt, Luftreinigungsfilter alleine reichen nicht aus, sagt das Umweltbundesamt“, so der SPD-Politiker. „Luftfilter plus Lüften ist besser.“ Entsprechende Studien sowohl von der Bundeswehr-Uni in München als auch von der Universität Frankfurt würden ganz klar ergeben, dass die Luftreinigungsgeräte eine wichtige Möglichkeit sind, das Infektionsgeschehen in den Schulen zu verringern. Schulen im Kreis leiden sehr unter Infektionsgeschehen: „Wir sollten alles dafür tun, um weitere Schulschließungen zu verhindern“, betonte von Malottki und griff damit exakt den Wortlaut von Landrat Michael Sack (CDU) auf. Der hatte nämlich vorher betont, dass die Schulen die Einrichtungen seien, die am stärksten vom Corona-Infektionsgeschehen betroffen sind. Von aktuell 104 Einrichtungen, in denen es Quarantäne und Infektionsfälle gebe, seien 36 Schulen betroffen. „Das ist nicht Pillepalle, sondern das sind wichtige Infektionsherde“, warf Ulrike Berger (Grüne) ein. „Ich hätte mir ja gewünscht, dass Sie von alleine auf diese Idee gekommen wären, Herr Sack. Die Zahlen sprechen eine eigene Sprache.“ Landtag hat für seine Sitzungen Geräte bestellt: Beate Schlupp (CDU) riss der Geduldsfaden. „Wir führen hier eine rein theoretische Debatte“, sagte sie genervt. „Hat sich irgendeiner von Ihnen mal die Mühe gemacht, überhaupt festzustellen, wie viel Luftreinigungsgeräte wir bräuchten?“ Und überhaupt. Die Lieferzeiten. „Der Landtag hat die Geräte beauftragt und noch sind nicht alle Geräte da, die wir vor zwei Monaten bestellt haben“, so Schlupp. „Dann kann man sich ja mal vorstellen, wenn jetzt tatsächlich die Impfungen losgehen sollen, wann diese Geräte dann kommen.“ Diese Information allerdings sorgte für Stunk. Von einem Skandal sprach gar Birgit Socher. „Der Landtag bestellt für sich und wir dürfen nicht?“, rief sie aufgebracht. Auch Robert Gabel konnte sich „schön, dass der Landtag welche hat“ nicht verkneifen. „Es kann nicht sein, dass sich Unternehmen und Ämter solche Geräte kaufen können und die Schulen nicht“, sagte er. Nach seinen Recherchen betrage die Lieferzeit bei mehreren Anbietern maximal drei Wochen. Genützt hat es nichts: Die Kreistagsmitglieder entschieden sich mehrheitlich gegen den Antrag. Lesen Sie auch: Pilotprojekt: Greifswald kauft Luftreinigungsgeräte für Klassenzimmer In Greifswald läuft Testphase für 13 Geräte an: In Greifswald hingegen treffen in der kommenden Woche die ersten Luftreinigungsgeräte ein, die Bürgerschaft hatte sich im Oktober für eine Testphase ausgesprochen. Zunächst werden 13 Lüfter an die städtischen Schulen verteilt, dann soll entschieden werden, ob weitere geordert werden. „Der Auftrag wurde Mitte November ausgelöst“, sagt Greifswalds Pressesprecherin Andrea Reimann. „Die erste Lieferung ist für den 14. oder 15. Dezember angekündigt.“ Von Anne Ziebarth