Grimmen: Fahrschüler werden immer älter und brauchen immer länger

Seit fast 30 Jahren lotst Stephan von Einsiedel Fahranfänger aus Grimmen und Stralsund durch den Verkehr. Mit einer Engelsgeduld bringt der Fahrlehrer und Inhaber der „Blitz-Fahrschule“ ihnen Vorfahrtsregeln bei und führt sie zu theoretischen und praktischen Prüfungen. Vieles habe sich in den vergangenen Jahren verändert. Während sämtliche Prüfungen beispielsweise durch die aktuelle Corona-Krise abgesagt werden müssen, veränderten sich in den vergangenen Jahrzehnten auch die Fahrschüler. Zu wenig Verkehr in Grimmen: Seit ungefähr zehn Jahren dürfen in Grimmen keine praktischen Fahrschulprüfungen mehr stattfinden. Die Prüfer nehmen die Anfänger in Stralsund und Greifswald unter die Lupe. Das regele die sogenannte Fahrerlaubnisverordnung, erklärt Edgar Pinick (51), der Dekra-Fachabteilungsleiter für Fahrschulwesen aus Rostock. „Strenge Regeln schreiben vor, wie der Prüfungsort auszusehen hat.“ Und diese erfülle Grimmen eben nicht mehr. Das Verkehrsaufkommen sei zu niedrig, zu wenig Ampelkreuzungen, Fußgängerüberwege und bestimmte prüfungsrelevante Situationen seien in der kleinen Trebelstadt nicht gegeben. „Das Anforderungsniveau an die Schüler wäre zu gering, denn Autofahrer müssen heutzutage fit sein“, sagt Pinick. Das habe übrigens nicht die Dekra, sondern das Verkehrsministerium beschlossen. Warum in anderen Kleinstädten, wie beispielsweise in Barth, nach wie vor Prüfungen stattfinden dürfen, erschließt sich so manchem Fahrlehrer seit Jahren nicht. Fahrschüler wählen zwischen Stralsund und Greifswald: Stephan von Einsiedel hat sich darauf eingestellt und neben seiner Schule in Grimmen, eine weitere in Stralsund eröffnet. In den ersten Fahrstunden übt er mit seinen Schülern in Grimmen. Danach geht es, je nach Wunsch des Fahranfängers, nach Stralsund oder Greifswald. In den Hansestädten bereitet er seine Schüler auf die Prüfungen vor. Mit großem Erfolg. In der „Blitz-Fahrschule“ fallen weniger Prüflinge durch, als es die allgemeine Statistik besagt. 78,5 Prozent bestehen die Praxisprüfung. Auf die Theorieprüfung bereiten Stephan von Einsiedel, Peter Schwabe und Norbert Posselt ihre Schüler so gut vor, dass 81,5 Prozent die Prüfung schaffen. Zum Vergleich: Die Statistik des Kraftfahrt-Bundesamtes besagt, dass in MV mehr als 40 Prozent der Prüflinge durchrasseln. Von sechs Fahrschulen sind zwei geblieben: Mittlerweile gibt es in Grimmen noch zwei Fahrschulen. 1991 waren es noch vier in der Stadt. Die Fahrlehrer haben alle Hände voll zu tun – nicht nur in Grimmen. Edgar Pinick spricht von einem „wahnsinnigen Mangel“ an Fahrlehrern. „Zurzeit könnte ich täglich zehn Ausbilder vermitteln, die sofort eine feste Anstellung bei einer Fahrschule bekommen würden.“ Es sei ein Problem, das die Branche noch lange beschäftigen wird. Die Wartezeiten auf die Führerschein-Ausbildung werden immer länger, viele Fahrschulen kommen mit ihrer Arbeit kaum noch hinterher. Wer sich als Fahrlehrer ausbilden lassen möchte, könne sich an den Fahrlehrerverband beispielsweise in Rostock wenden, oder auch bei Stephan von Einsiedel, der auch Fahrlehrer im praktischen Bereich ausbildet. Jugendliche änderten Prioritäten: Die Trends haben sich gewandelt: Das bestätigt auch der Grimmener Fahrlehrer, der leidenschaftlicher Motorradfahrer ist und bei der Ausbildung auf seinem Krad begleitet: „Den typischen Fahrschüler von früher, der es kaum erwarten kann, seinen Führerschein am 18. Geburtstag in den Händen zu halten, den gibt es kaum noch.“ Die Fahrschüler seien in der Regel älter geworden. „Oft machen sie erst ihren Schein, wenn es ein Arbeitgeber verlangt – oder die Eltern drängen“, sagt auch Pinick. Heutzutage setzen die Jugendlichen andere Prioritäten. „Ein neues Handy oder andere Technik sind ihnen wichtiger als das Autofahren. Durch das Internet kann man sich eben auch ganz prima ohne Führerschein fortbewegen – und das sogar weltweit.“ Verändert habe sich auch die Einstellung zum Lernen. Das Fazit: Während Fahrschüler vor fünf Jahren etwa drei Monate für ihre Fahrausbildung benötigten, kann es heute schon mal ein Jahr oder länger dauern. Diese Ratschläge möchte Fahrlehrer Stephan von Einsiedel allen Fahrern geben: 1. Sitzen Sie niemals nur im eigenen Auto, sondern versetzen Sie sich auch immer in die Köpfe der anderen Verkehrsteilnehmer und rechnen Sie mit Fehlern der anderen! 2. Die Motorrad-Saison beginnt: Achten Sie besonders auf sie. Sie sind oft schnell unterwegs und bewegen sich ungeschützter als ein Autofahrer! 3. Bewegen Sie sich im Straßenverkehr möglichst so rücksichtsvoll wie in einer Beziehung! Mehr zum Thema: Corona: Touristen dürfen nicht mehr nach MV – Caffier droht mit Strafen Prolupin-Sturmschaden in Grimmen: Windhose verantwortlich Unbekannte brechen in Tedi-Markt in Grimmen ein Von Carolin Riemer