Großer Arbeitgeber mit Monopolstellung

Grimmen — Vor genau 70 Jahren wurde der „Grimmer landwirtschaftliche Ein— und Verkaufsverein“ aufgelöst. Noch heute erinnern zahlreiche Gebäude an einen der größten Arbeitgeber der Stadtgeschichte und einen der größten Betriebe ganz Pommerns. Am 10. April 1895 erfolgte die Gründung. Maßgeblichen Anteil daran hatte der Ökonomierat Carl Hecht, der seinerzeit Besitzer des Rittergutes Bartmannshagen war. Er wurde dann auch der erste Vorsitzende des Ein— und Verkaufsvereins. Sein erster Stellvertreter wurde Franz Holsten aus Bretwisch. Insgesamt 64 Mitglieder zählte der Verein, der in den folgenden Jahren einen gigantischen personellen und auch umsatztechnischen Aufschwung erleben sollte, am Gründungstag. Der Geschäftsanteil der Mitglieder betrug zum Ende des 19. Jahrhunderts 3000 Goldmark. Zudem musste eine Haftungssumme in Höhe von 200 Goldmark gezahlt werden. Zwei Jahre nach der Gründung kaufte der Verein ein Grundstück in der Langen Straße, auf dem zunächst Lagerraum für 50 Tonnen zur Verfügung stand. Später, im Jahre 1913, sollte an diesem Standort der Bau einer neuen Verwaltung erfolgen. Die Mitgliederzahl war in den ersten fünf Jahren bereits von 64 auf 238 angewachsen. Als am 14. April 1906 Hugo Krüger zum Geschäftsführer wurde, steigerte sich der Warenumsatz enorm. In seinen ersten fünf Jahren als kaufmännischer Direktor steigerte er das Umsatzvolumen des Betriebes von 430 427 auf mehr als drei Millionen Goldmark. 20 Jahre später waren es fast 18 Millionen. Zum Beginn des 20. Jahrhunderts traten zudem immer mehr Genossenschaften und 1909 sogar die Grimmener Brennerei dem Verein bei. Durch den Erwerb des Grundstückes am Schützenplatz und dem Bau neuer Speicher wurden die Voraussetzungen für das weitere Wachstum geschaffen. Konzentrierte sich der Verein in den Anfangsjahren vor allem auf den Ankauf, die Verarbeitung und den Weiterverkauf von Getreide sowie dem Verkauf von Düngermitteln, forcierte er ab 1911 sehr intensiv den Kartoffel- und Strohhandel. Neben dem An- und Verkauf von Ernteerträgen wuchs der Betrieb auch auf anderen Ebenen kontinuierlich weiter. So wurde nach dem Erwerb des Brauereigeländes in der Grimmener Strohstraße im Jahre 1918 in diesem Objekt eine Reparaturwerkstatt für Landmaschinen eingerichtet. Im Jahre 1922 wurde die große Industrieanlage zwischen Stoltenhäger und Stralsunder Straße erbaut. An diesem Standort befanden sich unter anderem eine eigene Mühle, mit einer Tagesleistung von 70 Tonnen, eine Kartoffelflockenfabrik mit einer Tagesleistung von 1200 Zentnern und sogar eine Bäckerei. Dieser Betriebsort hatte zudem einen eigenen Bahnanschluss, mit dem Güter zum Hauptbahnhof oder den Speichern am Schützenplatz befördert wurden. Zur Verschiffung der Produkte auf der Trebel waren die Motorschute „Hanse“ und Kahn „Gollnow“ angeschafft worden. In den 1920er Jahren wuchs die Mitgliederzahl auf 1362 an. Dadurch entstanden im gesamten Stadtgebiet betriebseigene Beamtenwohnungen. So beispielsweise jene Backsteinhäuser, die sich bis heute in der Stoltenhäger Straße befinden. Zu Zeiten der Inflation entschloss der Vorsitzende Hans Peters (Besitzer des Rittergutes Jessin) Roggenscheine einzuführen. Diese konnten, unabhängig vom Wert der Mark, in festgelegte Roggenmengen eingetauscht werden. Dass sich der Ein— und Verkaufsverein zu einem der größten seiner Art in ganz Pommern entwickelte, belegt die Tatsache , dass es sogar eine eigene Betriebskrankenkasse gab. Aber auch außerhalb von Grimmen entstanden Lagerräume, die bis zum Teil noch heute stehen. So gab es am Stralsunder Hafen, in Tribsees, Rakow, Franzburg, Elmenhorst und Kandelin Lagerschuppen mit einem Fassungsvolumen von etwa 250 Tonnen. Aber auch großer Speicher, wie jener am Miltzower Bahnhof, mit einer Kapazität von 2500 Tonnen wurden vom Grimmer landwirtschaftlichen Ein— und Verkaufsverein genutzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Verein und somit einer der größten Arbeitgeber der Stadtgeschichte aufgelöst. Durch die Monopolstellung des Vereins, der nahezu beliebig die Preise im Handel mit landwirtschaftlichen Produkten bestimmen konnte, war bereits vor dem Krieg der Unmut vieler Landwirte gewachsen. Sie gründeten den „Schutzverband der Kaufleute gegen den Grimmener Ein— und Verkaufsverein“. Raik Mielke

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