Iberische Orgelkunst: spannend und ungewöhnlich

Die diesjährigen Stralsunder Stellwagen-Orgeltage an St. Marien sind gestern Abend mit einer Orgelmatinee und dem Konzert „Klangwelt Orgel — Drei Organisten an drei Instrumenten“ zu Ende gegangen. Mit einer Ausnahme: Bis morgen wird es noch den Internationalen Orgel-Meisterkurs unter anderem zum Thema „Iberische Musik“ geben. Da diese Musik — gemeint ist hier Spanien — bei uns nahezu unbekannt ist, hatte der Veranstalter am Freitag ein das 16. und 17. Jahrhundert berücksichtigendes Programm mit dem Organisten Miquel Bennàssar (Mallorca) angeboten. Bennàssars Programm reichte vom kastilischen Großmeister und Hoforganisten Philipps II. Antonio de Cabezon (1510-1566) bis zum Valencianer Kathedralorganisten Joan B. Cabanilles (1644-1712). Mithin von des Ersteren „Diferencias“ (Variationen, 1578) zu den höchst abwechslungsreichen Vorformen der Fuge („Tiento“) eines Arauxio, Ximenez, Bruna, Menalt und Cabanille und damit bis zum Ende des „goldenen Zeitalters“ iberischer Musik zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Das war so spannend wie ungewöhnlich, aber im Blick auf hörbare Freude am vollen Klang und teils fast obsessivem Umgang mit spielerisch präsentierter Virtuoisität eine auch vergnügliche Angelegenheit. Da machte es wenig aus, dass bisherige Hörerfahrungen in unerwartete Testsituationen gerieten. Denn dafür entschädigten die vielen formalen, melodischen, harmonischen Eigenwilligkeiten und Überraschungsmomente, die das Hören und Verarbeiten zur zwar nicht unangestrengten, aber doch recht lustvollen „Arbeit“ werden ließen: Dank Stellwagenorgel und einem souveränen, höchst fantasievoll registrierenden Miquel Bennàssar. Ekkehard Ochs

Stralsund - Iberische Orgelkunst: spannend und ungewöhnlich