Krandienst Lange in Grimmen: Blaue Riesen heben alles

Ohne Torsten Lange und sein Unternehmen würden viele Innenstädte von Mecklenburg-Vorpommern wohl nur halb so weihnachtlich glänzen. Der 56-Jährige ist Gründer und Geschäftsführer des Krandienstes Lange und bringt jährlich die Riesentannen durch oder über enge Stadttorpforten auf die Märkte. So ganz nebenbei. Denn das Kerngeschäft ist ein ganz anderes. Lange manövriert, hievt und montiert normalerweise richtig dicke Dinger. Krane bis 500 Tonnen Traglast und Hubhöhen bis 140 Metern sind das Spezialgebiet des Grimmener Unternehmens. „Wir sind immer zu groß, zu schwer, zu breit“, sagt Lange. Damit bringt er das Business, indem Lange mit seinen tonnenschweren Baumaschinen operiert, auf den Punkt. Und daraus folgt eine lange Kette an Außergewöhnlichkeiten für seinen Beruf: Sondergenehmigungen ohne Ende, hohe Anschaffungs- und Unterhaltungskosten, zyklische Auftragslage, aufwendige Arbeitsplanung, flexibler Feierabend nach Baufortschritt. „Blauäugig“ zum Großbetrieb: 1997 machte sich Torsten Lange – „etwas blauäugig“, wie er heute sagt – mit zwei kleinen Mobilkranen und zwei Angestellten selbstständig. Zuvor war er Kranfahrer im Kernkraftwerk Lubmin und nach der Wiedervereinigung für den Kranbetreiber Maximum tätig. Nach dem Prinzip „learning by doing“ hantierte Lange mit 120-, 200- und 300-Tonnern zunächst in West-, dann in Ostdeutschland, als der Nachholbedarf hier riesig war. Mittlerweile fährt er nicht mehr selbst. 90 Mitarbeiter regeln am Hauptstandort Grimmen und in der Außenstelle Rostock Aufträge, Einsätze, Disposition und Rechtliches für rund 60 Krane, Ladekrane und Sattelzugmaschinen, die meist in Norddeutschland unterwegs sind. Doch Langes blau gefärbte Riesen fuhren auch schon mit der Fähre nach Norwegen und stellten dort Häuser auf oder halfen monatelang bei einer Tunnelbohrung in Italien. „Man darf sich nicht zu fein sein, auch mal zu einer Baustelle zu fahren, die nicht nur 100 Kilometer weit weg ist“, sagt der Firmenchef. Meist bauen die Krane allerdings in der Region Windräder auf oder ab, stellen Silos in Landwirtschaftsbetrieben auf, helfen bei der Konstruktion der Baumwipfelpfade auf Rügen und Usedom oder wuchten mehrmals am Tag „kleinere“ Dinge von A nach B. „Taxigeschäft“ heißt Letzteres im Firmenfachjargon. „Wir haben eine gute Struktur im Fuhrpark, sind daher flexibel aufgestellt“, unterstreicht Lange. 700-Tonnen-Koloss soll kommen: „Manchmal arbeiten wir nur für uns selbst, wenn Krane relativ schnell umgesetzt werden müssen“, sagt Lange. In „relativ schnellen“ sechs Stunden ist der aktuell größte Kran (500 Tonnen) der Grimmener Flotte auf- und abgebaut. Torsten Lange geht zu seinem Schreibtisch – dort steht ein Modell dieses Liebherr-Vehikels neben unzähligen anderen Miniatur-Kranen – und zählt auf: 165 Tonnen Ballast, 20 Tonnen Zentralwinde, 15 Tonnen Abspannung, viermal zwei Tonnen Abstütz-Platten. Allein für die Montage sind vier bis fünf Spezial-Lkw notwendig, um alle Aufbauten und Gewichte an den Einsatzort zu bringen. Um das Einsatzgebiet zu erweitern, soll 2021 ein Kran her, der bis zu 700 Tonnen heben kann. Rund 3,4 Millionen Euro kostet so ein Koloss. Das kleinste in Deutschland hergestellte Modell, ein 35-Tonnen-Kran, verschlingt 350 000 Euro. Zu den Anschaffungskosten kommen Ausgaben für Versicherung, Kraftstoff, Reifen und Genehmigungen. Für alle Fahrzeuge muss Lange jährlich 100 000 Euro an Genehmigungen blechen, damit diese überhaupt auf die Straße dürfen. Tendenz stark steigend. Ein Kran mit mindestens sechs Achsen benötigt für jede Fahrt einen Extra-Schein. „Das ist eine Katastrophe! Manchmal dauert das Wochen“, hadert Lange, dessen Unternehmen mit 15 Millionen Euro Jahresumsatz eines der größten der Region ist. Interesse an Kran-Beruf ist hoch: Was braucht ein Kranführer? „Einfaches Physik-Verständnis und gesunder Menschenverstand sind Voraussetzungen“, sagt Lange nüchtern und ergänzt: „Früher musste man mehr denken, aber heute unterstützt einen die Technik immer besser.“ Lkw-Führerschein und Lizenz zum Kranführen sind ein Muss. Das Interesse an dem Beruf ist groß. Das Grimmener Unternehmen hatte 2020 so viele Bewerbungen wie noch nie. „Und wir haben viele junge motivierte Leute bekommen“, sagt Stefanie Lange, Tochter des Firmengründers. Die 33-Jährige hat aus Interesse einen LKW-Führerschein gemacht. Und Kranen? „Das überlasse ich den Mitarbeitern“, winkt sie lachend ab. Krandienst Lange ist jedes Jahr gewachsen. „Aus fünf Leuten, die alles gemacht haben, sind viele mit Spezialgebieten geworden“, verdeutlicht Stefanie Lange. Aktuell lautet der Kurs: Struktur halten. Kurzarbeit vermieden: Auch im Corona-Jahr gibt es zum Glück genug zu tun. Kurzarbeit gab es bei Lange nie. Auch, wenn ein Hauptgeschäftszweig (Errichtung von Windkraftanlagen) um bis zu 80 Prozent eingebrochen ist. Generell schwankt die Auftragslage projekt- und konjunkturbedingt. Beispielsweise sei bei Errichtung der Gasleitung Nord Stream 1 noch viel Kraneinsatz benötigt worden. Beim Schwesterprojekt wurde größtenteils andere Technik gebraucht. Zudem ist das Krangeschäft regional stark unterschiedlich. „Unsere Industriekunden ist die Nahrungs- und Genussmittelindustrie“, verdeutlicht Torsten Lange und behauptet: „Einen Kran braucht man eigentlich überall.“ Seine Firmenentwicklung bestätigt seine These. Und sei es, um eine riesige Tanne auf einen Marktplatz irgendwo in MV zu heben. Von Horst Schreiber