Kuhn und Kerth im Stichwahl-Duell

Stralsund. Jubel gestern um 18.30 Uhr in der „Hafenresidenz“ in Stralsund: Als Andreas Kuhn den Saal betritt, sind schon über die Hälfte der Wahlbezirke ausgezählt – und der CDU-Mann führt mit 34 Prozent. Das Ergebnis klettert im Laufe des Abends noch auf 34,6 Prozent. „Ich bin zufrieden, rund 3000 Stimmen Vorsprung vor Stefan Kerth, das ist okay“, sagt der 53-Jährige und ergänzt: „Wir haben wohl alle mit einer Stichwahl gerechnet. Die große Überraschung, es gleich im ersten Wahlgang zu packen, ist mir leider nicht gelungen.“ Doch eins kann der Bürgermeister von Zingst nicht verstehen: „Eine Wahlbeteiligung von nicht mal 26 Prozent. Das ist erschreckend. Wir haben also die Mehrheit der Menschen in Vorpommern-Rügen nicht erreicht. Ich frage mich, wer dann in zwei Wochen noch zur Stichwahl kommt. Da werden wir noch mal richtig Gas geben müssen.“ Bei der Sektrunde mit all seinen Gästen zeigt er sich dann siegessicher und ruft: „Die CDU wird das Ding gewinnen“. Auch andere CDU-Vertreter sind entsetzt über die geringe Wahlbeteiligung. „Es haben doch wirklich alle Kandidaten gut informiert, waren auf Foren und in den Medien präsent. Ich verstehe das nicht“, sagt Thomas Reichenbach. Der Bürgermeister von Klausdorf berichtet, dass in seiner Gemeinde 38 Prozent zur Landratswahl gegangen sind. Landes-Wirtschaftsminister Harry Glawe meint: „Wir hatten keine Wahlthemen, die polarisieren. So richtige Aufreger gab es nicht. Deshalb sind viele eben zu Hause geblieben.“ Brisante Themen zu finden, sei jetzt Aufgabe der Christdemokraten. „Landratswahlen haben in Deutschland leider die niedrigste Wahlbeteiligung“, sagte auch Dr. Stefan Kerth, Landratskandidat der SPD, der im Wahlkreisbüro der Sozialdemokraten in Stralsund die Auszählung der Stimmen verfolgte. Es sei nun Aufgabe, in den nächsten zwei Wochen bis zur Stichwahl mit kreativen Ansätzen die Menschen dazu zu bewegen, zur Wahlurne zu gehen. Sein eigenes Ergebnis nahm Kerth äußerst zufrieden auf. Viele der Gäste im Stralsunder SPD-Büro hatten nicht mit so vielen Stimmen für ihn gerechnet. „Ich hatte im Vorfeld ein gutes Gefühl. Ich wollte mit einem guten Ergebnis in die Stichwahl gehen“, sagte Kerth, der sich 28,7 Prozent der Stimmen sicherte. Es sei ein toller, aber auch anstrengender Wahlkampf gewesen, der nun auf die Zielgerade einbiegt. „Der Landrat kann mehr als ,Weiter so!’“, sagte Kerth in Richtung der CDU. Die Genossen in Stralsund waren sich einig: Die „Kerthwende“ sei angesichts des aktuellen Wahlergebnisses möglich. Kerth: „Man kann es tatsächlich schaffen.“ Enttäuscht von diesem Wahltag ist Steffen Bartsch-Brüdgam, der für die Linke ins Rennen gegangen war. „12,5 Prozent, das ist zu wenig. Natürlich war das Erreichen der Stichwahl nur ein Traum. Aber Dritter wollte ich schon werden. Und dafür sind 6700 Stimmen eben zu wenig.“ Der Tribseeser, der übrigens heute seinen 50. Geburtstag feiert, will der Politik trotz des enttäuschenden Abschneidens bei der Landratswahl treu bleiben – als Stadtvertreter und im Kreistag. Dass so wenige Leute gewählt haben, sieht er als Indiz dafür, dass die meisten Leute zufrieden sind, mit dem, was sie haben. Auch Dirk Niehaus, Kandidat der Grünen, hatte sich mehr erhofft, wenngleich er mit seinem Ergebnis von 4,8 Prozent der Stimmen nicht vollends unzufrieden sei. Auch Niehaus zeigte sich „erschrocken“ von der niedrigen Wahlbeteiligung. „Es ist schade, wenn bei so einer wichtigen Wahl so wenige Menschen zur Wahlurne gehen.“ Mitte der Woche wollen die Grünen laut Niehaus das Ergebnis auswerten und festlegen, ob sie zur Stichwahl einen der beiden Kandidaten unterstützen wollen. Freude dagegen gestern Abend auf Rügen. Steffen Ulrich hat 10000 Stimmen geholt und ist positiv überrascht. „Das ist ein sehr, sehr gutes Ergebnis. Ich habe alles gegeben und wurde dafür mit dem dritten Platz belohnt“, freute sich der 48-jährige Haupt- und Ordnungsamtleiter aus Bergen. 192914 Wahlberechtigte hätten gestern den Landrat für Vorpommern-Rügen wählen können. Es gab insgesamt 230 Wahlbezirke und 28 Briefwahlbezirke. 28,4 Prozent – mit anderen Worten nur 54699 Wähler sind ins Wahllokal gegangen, um ihre Stimme abzugeben. Am 10. Juni steht ein zweiter Wahlgang an, Andreas Kuhn (CDU) und Stefan Kerth (SPD) gehen in die Stichwahl. Der neue Landrat tritt sein Amt am 10. Oktober 2018 an und löst dann Amtsinhaber Ralf Drescher (CDU) ab. Ines Sommer und Robert Niemeyer