Caffier bekommt Abgeordneten-Frust zu spüren

Wie stellen wir uns die Gemeinde der Zukunft vor? Diese Frage wollte Innenminister Lorenz Caffier (CDU) am Mittwochabend in der so genannten Leitbild-Debatte mit Bürgern und Abgeordneten in der Nieparser Aula diskutieren. Doch die Volksvertreter aus der Region rund um Stralsund machten schnell klar: Im Moment steht uns das Wasser bis zum Hals. Wir brauchen Auswege aus unserer Finanzkrise. Ansonsten erreichen wir die Zukunft gar nicht... „Die Gemeinde Lüssow steht gut da, hat 1,18 Millionen Euro Einnahmen aus Steuern und Zuweisungen. Allein die Umlagen, die wir an Kreis, Amt und für Gewerbe zahlen müssen, liegen bei 1,15 Millionen Euro. Das heißt, wir haben noch rund 29000 Euro zur Verfügung. Das heißt, wir haben eine Abgabenquote von 97 Prozent. Das ist sittenwidrig“, lässt Thomas Kamphues, Bürgermeister der Gemeinde Lüssow, knallhart die Fakten sprechen. Der CDU-Mann ärgert sich wie seine Abgeordnetenrunde darüber, dass die Kommune dauernd ermahnt wird, die Steuern zu erhöhen. „Nehmen wir mal an, wir setzen die Hebesätze für Grundsteuer A und B und Gewerbe so rauf, dass wir sogar über dem Landesdurchschnitt liegen, dann haben wir 82 Prozent Abgaben. Das reicht immer noch nicht für die Pflichtaufgaben, geschweige denn für freiwillige Leistungen. Wir können so nicht überleben“, sagt Kamphues und meinte: „Dafür haben wir absolut kein Verständnis.“ Lüssow war einst die reichste Gemeinde der Region, rutschte mit der Doppik aber ebenfalls ins Minus. Wegen der guten Gewerbesteuereinnahmen von rund 700000 Euro und 300000 Euro Einkommenssteuer bekommt die Kommune vor den Toren Stralsunds aber schon seit Jahren keine Schlüsselzuweisungen vom Land mehr. Ähnlich geht es der Gemeinde Kramerhof aus dem Amtsbereich Altenpleen. Das seien so genannte Abundanz-Gemeinden, für die müsse man Extra- Modelle finden, so der Gast aus Schwerin. Für die Geldsorgen der Kommunen hatte der Minister jedenfalls keine Lösungen parat. „Wir werden als Land auf keinen Fall mehr Geld zur Verfügung haben. Deshalb müssen wir uns Fragen stellen. Und wir werden uns von lieb gewonnenen Sachen trennen müssen. Das ist schmerzhaft, aber anders geht es nicht“, sagte Caffier. Ob öffentlicher Nahverkehr, Feuerwehr-Ausstattung oder Ausgaben für Jugendarbeit — alles müsse auf den Prüfstand. „Dass wir sparen müssen, wissen wir schon lange. Aber wo sollen wir denn noch streichen? Geben Sie doch mal Anregungen“, versuchte Peter Forchhammer — der Nieparser Verwaltungschef war an diesem Abend gleichzeitig Moderator — aus dem Minister konkrete Informationen herauszukitzeln. Der ließ sich auf nichts festnageln, stimmte kopfnickend der Zusammenfassung von Forchhammer zu: Hebesätze rauf, über Fusionen nachdenken, Feuerwehr-Zusammenschlüsse diskutieren und hoffen, dass Umlagen sinken. „Ja, Ihre Abgaben sind hoch, die müssen runter. Aber die Kreisumlage zum Beispiel ist doch deshalb so hoch, weil die Ausgaben für Jugend und Soziales so explodieren. Da müssen wir ansetzen“, meinte Caffier. Die Reaktionen im Saal lassen keinen Zweifel: Man ist enttäuscht, dass hier nichts Konkretes folgt. „Ich weiß nicht, was ich von diesem Abend mitnehmen soll“, sagte die Nieparser Amtsvorsteherin Iris Basinski (CDU). Die Altenpleener Verwaltungschefin meinte: „Ich hatte keine Wunder erwartet. Und für mich ist die wichtigste Aussage, dass wir mit der kommunalen Selbstverwaltung weitermachen sollen und können.“ Horst Badendieck (Linke), Bürgermeister der Gemeinde Neu Bartelshagen, wollte wissen, wie sich der Innenminister die Gemeinde-Fusionen vorstellt. „Bei uns haben die meisten Leute Angst, dass man nach einem Zusammenschluss mit Niepars keine Stimme mehr in der neuen, größeren Gemeindevertretung hat.“ Das gleiche Problem wurde auch aus der Gemeinde Kummerow angesprochen. Nur ein Ortsteilvertreter — das sei keine Lösung. Hier konnte Klaus-Michael Glaser vom Städte- und Gemeindetag Auskunft geben: „Es ist in dieser Wahlperiode möglich, je nach Einwohnerzahl zwei oder drei Abgeordnete aus der hinzukommenden Kommune in das neue Parlament zu wählen. Das macht schon was aus.“ Andere wollten von Lorenz Caffier wissen, ob eine Hochzeitsprämie lockt. „Ich wünsche mir das, aber spruchreif ist das noch nicht. Ich kann den fusionierenden Gemeinden aber zusichern, das wir in meinem Ministerium eine wichtige Maßnahme fördern können, zum Beispiel den Bau einer Straße oder ähnliches.“ Fakten und flotte Sprüche 75 Ämter gibt es in Mecklenburg-Vorpommern. Alle will der Innenminister besuchen. Niepars war nun Station 65. 1,6 Millionen Einwohner zählt MV. Das sind wenig für die Fläche. Kein anderes Bundesland habe dieses Problem, das unser Land vor große Herausforderungen stelle, so Caffier. Denn ärztliche Versorgung, Feuerwehrbereitschaft und dergleichen stehen den Leuten auch hier zu. Hans-Walter Blunck (CDU), Vize-Bürgermeister in Lüssow, rief dem Minister in der Finanzdebatte zu: „Wir wollen hier keinen Luxus, wir wollen, dass die Gemeinde kugelt, also dass es läuft.“ 5800 Polizisten hat unser Land. Gerechnet auf die Einwohnerzahl sei dies die höchste Polizei-Präsenz der BRD, so Caffier. „Na dann rechnen Sie das mal pro Hektar aus“, forderte Landwirt Blunck. Ines Sommer

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