Spektakuläre Inspektion am Kirchendach

Sensible Aufträge erledigt Zimmerermeister Thomas Liess lieber selbst — so wie jetzt die Inspektion und Ausbesserung des Daches der katholischen Kirche in Barth. Eigentlich etwas ganz Alltägliches für eine Zimmerei und Dachdeckerei, wäre da nicht die ungewöhnliche Weise, auf das Dach und an die schadhaften Stellen zu gelangen. Thomas Liess, Inhaber der gleichnamigen Zimmerei & Dachdeckerei in Barth, hatte sich einen 50-Tonnen-Autodrehkran von einer Firma aus Grimmen bestellt, um sich im Bootsmannstuhl sitzend aufwärts hieven zu lassen. Neben dem vorschriftsmäßigen Sicherheitsgurt war der Handwerker auch per Funk mit dem Kranführer verbunden. So konnte er sowohl mündlich als auch über Handzeichen mit dem Kranführer kommunizieren und den am Kranhaken hängenden Bootsmannstuhl dorthin dirigieren, wo er ihn haben wollte. Für die Kran-Aktion habe er sich entschieden, um den aufwendigen und teuren Aufbau einer Rüstung zu vermeiden, erklärte er. Und um den Kran nicht mehrmals im beengten Umfeld der katholischen Kirche umsetzen zu müssen, habe er gleich den Fünfzigtonner mit dem langen Ausleger geordert, der überall hinreiche. Grund für die ungewöhnliche Maßnahme, die sich über einen halben Arbeitstag hinzog, waren diverse kleine Schäden am Kirchendach und an den Dachrinnen. Obwohl die Kirche mitsamt Dach erst in den 1990er Jahren saniert worden ist, sind während der letzten Jahre immer wieder mal neue Schadstellen hinzugekommen, vor allem als Folge von Stürmen. Lose Dachziegel schob Thomas Liess gleich an die richtige Position zurück, lecke Dachrinnen dichtete er sofort ab. Defekte Dachpfannen können aber erst später ausgetauscht werden. „Für solche Arbeiten ist der Bootsmannstuhl nicht geeignet“, erklärte er. Deshalb umfasste der Auftrag des Zimmerermeisters auch die Dokumentation vorhandener Schäden zur Planung späterer Reparaturen. Zu diesem Zweck hatte er, auf seinem Sitz über dem Kirchendach schwebend, auch eine Digitalkamera zur Hand. Besonders die alte Turmkugel aus Kupferblech ist zum Ende des Zweiten Weltkrieges stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Wahrscheinlich enthält auch sie eine Kassette mit Dokumenten zum Kirchenbau in den 1920er Jahren, die sich aber in keinem guten Zustand befinden wird. Die vielen Einschusslöcher lassen keinen anderen Schluss zu. Sie stammen von Gewehrkugeln sowjetischer Soldaten, die zum Kriegsende kampflos in Barth einrückten. Turmverzierungen aller Art müssen eine magische Anziehungskraft auf sie ausgeübt haben. Thomas Liess: „Es gibt kaum alte Turmkugeln oder Wetterhähne, die damals nicht durchlöchert wurden. Sogar das Turmkreuz unserer katholischen Kirche weist Einschusslöcher auf.“ Kirche ist erst 89 Jahre alt 1926 wurde die Katholische Kirche erbaut. 1993 ist die Kirche umfangreich saniert worden. 1996 erhielt die Kirche eine neue Orgel von der Heidelberger Orgelbaufirma Kircher. Sie besitzt 891 Pfeifen, 13 Register, zwei Manuale und Pedal. Eine Rüstung wäre aufwendig und teuer geworden.“Zimmerermeister Thomas Liess, Barth Volker Stephan

Barth - Spektakuläre Inspektion am Kirchendach