Verwirrspiel um Werfttermin für die „Gorch Fock“

Entgegen der Ankündigung des Eignervereins der „Gorch Fock I“, Tall Ship Friends, soll das Schiff nun doch nicht heute auf die Volkswerft geschleppt werden. „Wir haben das Vorhaben abgeblasen, weil es in Stralsund nicht genug Schlepper gibt“, begründet Vereinssprecher Wulf Marquard die überraschende Entscheidung. Vorgeschrieben ist, dass die „Gorch Fock“ auf ihrem Weg durch die Rügenbrücke bis zur Volkswerft von mindestens zwei Schleppern manövriert wird. „Es gibt in Stralsund aber nur noch einen Schlepper, weil auf der Werft keine Schiffe mehr gebaut werden“, sagt Marquard. Demzufolge müsste aus Rostock ein zweiter angefordert werden. Die Kosten dafür beziffert er auf 17000 Euro. Erst Anfang Februar hatte es geheißen, dass das Schiff am 9. März während einer der regulären Öffnungszeit der Ziegelgrabenbrücke von seinem jetzigen Liegeplatz an der Ballastkiste zur Werft geschleppt werde. Damit fällt für viele „Gorch Fock“-Enthusiasten ein großes Schauspiel im Stralsunder Stadthafen ins Wasser. Allerdings kann das Vorhaben nicht lange aufgeschoben werden. Denn spätestens bis Oktober muss die „Gorch Fock“ von dem Schiffslift der Werft ins Trockene gehoben werden, damit die Außenhaut überprüft und der Germanische Lloyd dem Traditionssegler ein neues Schwimmfähigkeitszertifikat ausstellen kann. Dies ist sieben Jahr lang gültig, ansonsten aber vergleichbar mit dem TÜV beim Auto. Nach Angaben von Marquard soll das Schiff nun im Herbst in Richtung Volkswerft geschleppt. Der Eignerverein wolle die Erneuerung des Schwimmfähigkeitszeugnisses mit weiteren Arbeiten verbinden. „Wir haben noch etwa 1000 Quadratmeter Stahl gebunkert und wollen bei der Gelegenheit deshalb auch an Deck einige Platten auswechseln.“ Merkwürdig: Nach OZ-Informationen hat die „Gorch Fock“ trotzdem bereits Ende März einen festen Termin auf der Volkswerft. Angeblich soll das Schiff dort dann aus dem Wasser gehoben werden, um den Rumpf mit einem Ultraschallgerät auf Schwachstellen zu untersuchen. Hintergrund dafür könnte die geplante Übernahme der Bark durch die Stadt sein. Offenbar will Oberbürgermeister Alexander Badrow (CDU) nicht die Katze im Sack kaufen. Allerdings soll die Frage, wer diesen nicht ganz billigen „Gebrauchtwagencheck“ bezahlt, noch ungeklärt sein. Allein der Vorgang, den Schiffslift einmal ins Wasser abzusenken und wieder hochzufahren, schlägt mit einer fünfstelligen Summe zu Buche. „Wir gehen davon aus, dass die ,Gorch Fock‘ Ende März zu uns kommt“, bestätigt Werftsprecher Stefan Sprunk, ohne weitere Details zu nennen. Unterdessen werden die Verkaufverhandlungen zwischen der Stadtverwaltung und dem Eignerverein Tall Ship Friends zurzeit offenbar mit Hochdruck vorangetrieben, nachdem sich zwischenzeitlich sogar die Hansestadt Rostock als Interessent für das Schiff ins Spiel gebracht hatte (die OZ berichtete). Über den Kaufpreis soll auch wegen des unklaren Zustandes der „Gorch Fock“ noch immer keine Einigung erzielt worden sein. Der Eignerverein verlangt knapp eine Million Euro, während ein Schiffsgutachter den Wert der Bark auf maximal 416 000 Euro schätzt. Die Stadt will das Schiff kaufen und für über drei Millionen Euro sanieren lassen. Wirtschaftsminister Harry Glawe (CDU) hatte in Aussicht gestellt, dass 90 Prozent von dieser Summe mit Fördergeldern des Landes bezahlt werden könnten. Würde die Stadt anschließend auch den Betrieb des Schiffes übernehmen, trägt sie das finanzielle Risiko für die laufenden Kosten. Dem Gutachten zufolge könnte der Segler pro Jahr rote Zahlen in Höhe von bis zu 90000 Euro schreiben. Transparenz ist gefragt Die „Gorch Fock“ wird für CDU-Oberbürgermeister Alexander Badrow, der sein Amt im April verteidigen muss, sicher nicht zum alles entscheidenden, aber zumindest zu einem wahlkampfdominierenden Thema. Zu sehr ist die Geschichte des Schiffes mit Stralsund verbunden. Selbst wenn jetzt viele Menschen meinen, das Schiff wäre für uns angesichts der Millionenbeträge für Kauf und Reparatur verzichtbar. Wenn der 82 Jahre alte Segler erst einmal woanders schwimmt (vielleicht in Rostock), würden die meisten wahrscheinlich doch etwas komisch gucken. Dann ist das Hafenbecken leer. Allerdings geht der OB bei den Kaufverhandlungen bisher als andere als transparent vor. Vor einer Entscheidung muss nachvollziehbar sein, was der Spaß den Steuerzahler kostet. So lassen sich Vorbehalte abbauen — und vielleicht sogar Wähler gewinnen. Benjamin Fischer

Stralsund - Verwirrspiel um Werfttermin für die „Gorch Fock“