Wie die Menschen auf Rügen ihre Weihnachtsbäume schmücken

Still glitzert er in der Wohnstube, prächtig behängt mit Kugeln, Lametta und Zuckerwerk: Der Weihnachtsbaum. Schon seit Jahrhunderten schmücken die Menschen ihre Häuser in der dunklen Jahreszeit mit dem kräftigen Grün der Winterpflanzen. Im alten Rom sollen es Lorbeerzweige gewesen sein, in Ägypten, China und Israel waren es immergrüne Kränze, Girlanden und Bäume, die als Sinnbild des ewigen Lebens die Stuben schmückten. Seit dem 14. Jahrhundert dann werden in Rechnungsbüchern und Geschichtsaufzeichnungen immer wieder „die weiennacht baum“ erwähnt, die in Häusern und auf Marktplätzen aufgestellt und geschmückt werden. Adam und Eva statt Krippenspiel unterm Baum: „Früher wurden die Bäume mit Äpfeln geschmückt, denn sie standen für den Baum der Erkenntnis aus der Paradiesgeschichte um Adam und Eva“, weiß Marie-Luise Marlow. Die Pfarrerin der evangelischen Gemeinde Putbus, Vilmnitz und Kasnevitz auf Rügen rückt auch gleich einen weitverbreiteten Irrtum gerade: „Gott hat Adam und Eva nicht aus dem Paradies vertrieben, weil sie den Apfel gegessen haben. Es war keine Strafe, sondern Vorsorge: Sie sollten nicht auch noch vom Baum des Lebens essen und damit unsterblich werden.“ Dass die Paradiesgeschichte ausgerechnet zu Weihnachten aufgeführt wurde, erklärt die Pfarrerin so: „Mit der Geburt von Jesus wird der Sündenfall von Adam und Eva geheilt, er kommt auf die Welt, um den Bund mit den Menschen zu erneuern. Deshalb ist auch im Baumschmuck eine Vielzahl christlicher Elemente zu finden: Wir schmücken den Weihnachtsstern, der den Menschen den Weg zur Krippe gezeigt hat, Engelchen und Strohsterne – und natürlich Christbaumkugeln statt Äpfel.“ Für viele gehört der Weihnachtsbaum einfach dazu: Doch nicht nur christliche Bedeutung hat der Weihnachtsbaum für Marie-Luise Marlow. „Wir schmücken den Baum in unserer Stube gemeinsam mit den Kindern. Sie lieben das, es ist schon eine richtige Tradition und wird fest eingeplant. Wir holen uns damit das Licht ins Haus.“ Auf einen Weihnachtsbaum verzichten möchte auch Petra Evert auf gar keinen Fall. „Es scheint tatsächlich so zu sein, dass nicht mehr ganz so viele einen Weihnachtsbaum schmücken, wie es früher der Fall war. Ich weiß zum Beispiel von einer Weihnachtsbaumplantage, die seit zwei Jahren nicht mehr verkauft. Aber in meinem direkten Umfeld ist der Weihnachtsbaum ganz wichtig, für mich und meine Familie gehört er einfach dazu.“ Der Hiddenseer Bügelbaum ist eine in früheren Jahrhunderten auf der Insel Hiddensee verbreitete Variante des Weihnachtsbaumes. Die Form eines Tannenbaumes wurde aus einem zentralen Träger und dort eingesteckten gebogenen Ästen nachgebildet. Die Äste erhielten weihnachtliche Dekorationen verschiedener Art. Gelegentlich kam eine solche Konstruktion auch auf der Insel Rügen zum Einsatz, dort hieß er dann Rügener Bügelbaum oder einfach nur Bügelbaum. Als Ersatz für richtige nadelige Tannenbäume, von denen es auf dem „Söten Länneken“ im 19. Jahrhundert offensichtlich nicht viele gab, wurde der Bügelbaum zur Alternative zum herkömmlichen Weihnachtsbaum. Auf Hiddensee sind heutzutage wieder vermehrt in der Adventszeit einige Exemplare vor den Häusern zu sehen. Bügelbaum wieder bekannt und beliebt: Als amtierende Präsidentin des Inner Wheel Club Rügen hat sie ein ganz besonderes Anliegen: „Wir erhalten die Erinnerung an den Hiddenseer Bügelbaum aufrecht. In den früheren, oft sehr schweren Zeiten zeigt diese geschmückte Drahtkonstruktion, dass es den Menschen wichtig war, sich auch trotz widriger Umstände und fehlender Tannenbäume Grün und Licht ins Haus zu holen.“ Und so verkauft der Verein die Bügelbäume seit einigen Jahren traditionell auf dem Bergener Weihnachtsmarkt. „Mittlerweile kennen die Leute ihn wieder und kommen extra deshalb zu uns“, sagt Petra Evert. Bei ihr zu Hause steht aber noch ein echter Weihnachtsbaum. „Er muss jedes Jahr gleich geschmückt sein, dabei mögen wir die schlichte und natürliche Weise. Wir schmücken immer noch mit echten Kerzen und selbst gebastelten Strohsternen. Es gibt dazu eine entzückende Geschichte, nach der die Hirten dem Jesuskind die ersten Strohsterne der Welt geschenkt haben. Wir lesen sie jedes Jahr unter dem Weihnachtsbaum vor, denn sie zeigt sehr schön, warum dieses Fest sich seit 2000 Jahren hält und immer noch so wichtig ist für uns.“ Etwas ganz besonderes: Der eigene Baum: Und auch an die neue Generation hat sie die Begeisterung für den grünen Weihnachtsboten weitergegeben. „Mein Mann stammt aus einer Gärtnerfamilie, die noch selbst Bäume verkauft hat. Das hat der Vorweihnachtszeit eine ganz besondere Note verliehen und in den hohen Räumen stand immer ein vier Meter hoher Baum. Mein Sohn hat diese Woche seinen ersten eigenen, rund 3,5 Meter hohen Weihnachtsbaum abgeholt. Er ist ganz aufgeregt deswegen. Bisher waren seine Räumlichkeiten zu klein und er oft über die Weihnachtstage verreist, da hat sich ein eigener Baum nicht gelohnt. Aber nun, mit Familie und eigenem Haus, ist es soweit. Das wird auch richtig zelebriert: Seit Wochen bastelt die Familie Strohsterne und Baumschmuck.“ Und dann, wenn Weihnachten vorbei ist? Baum einfach an die Straße stellen und von der Müllabfuhr abholen lassen? Oder verbrennen? „Das kommt für uns nicht in Frage“, sagt Petra Evert entrüstet. „Unser Weihnachtsbaum wird nach dem Abschmücken noch gebraucht: Mit seinen Tannenästen werden die Rosen abgedeckt. Sie sollten spätestens nach Weihnachten geschützt werden, denn dann steigt die Sonne wieder höher und sie wollen wieder austreiben. Unser Weihnachtsbaum schützt die zarten Triebe vor der Kälte. So ist alles ein Kreislauf.“ Lesen Sie auch: Die besten Eindrücke vom Hansa-Weihnachtssingen im Ostseestadion Viele Besucher zu Gottesdiensten in MV an Weihnachten erwartet Zu Besuch beim Rostocker Shantychor: So singt es sich mit Seemännern Keine einmalige Weihnachtsdeko: Amaryllis nach der Blüte düngen OZ-Redakteure geben 7 Tipps für Geschenke auf den letzten Drücker Prominente Nordwestmecklenburger verraten ihre liebsten Weihnachtsrituale Von Gaia Born