„ . . . aber um 20 Uhr bist du zu Hause“

Seeleuten, die mit Herz und Seele an ihrem Beruf hängen, wird nachgesagt, dass ihnen die Seefahrt in die Wiege gelegt wurde. Bei Kapitän Rainer Lückemann aus Barth handelt es sich um mehr als eine Redensart. Nachdem er am 21. September 1948 in der Barther Klosterstraße das Licht der Welt erblickt hatte, trat er wenige Tage später mit seinen Eltern seine erste Seereise an: Gut verpackt in einem Babykörbchen mit dem Dampfer vom Barther Hafen zum elterlichen Wohnsitz in Prerow. Im alten Seefahrer- und Fischerort wuchs er auf, besuchte dort die polytechnische Oberschule. Das Leben an der Küste mit dem Ausblick auf die am Horizont ziehenden Schiffe prägte den Berufswunsch. Bei der DSR durfte der Prerower von 1965 bis 1967 den Beruf des Vollmatrosen erlernen und wurde auf einem Schiff im West-Afrika-Dienst eingestellt. Nach anderthalbjährigem Wehrdienst folgte ein Zwischenspiel als GST-Instrukteur in Ribnitz-Damgarten. Das eintönige Leben an Land behagte dem jungen, frisch verheirateten Seemann jedoch gar nicht. Ehefrau Christa zeigte Verständnis und ließ ihn schweren Herzens ziehen. Zwei Jahre war er Vollmatrose an Deck und erwarb in einem Fachschulstudium das Kapitänspatent für kleine Fahrt. Mit diesem in der Tasche wurde er 1974 Nautischer Offizier im Flottenbereich Spezial/Küste (Nord- und Ostsee). Nach einer Fahrt auf der MS „Flamingo“ nach Äthiopien war er fortan als I. Nautischer Offizier in diesem Flottenbereich tätig. „Mein Mann wollte aber häufiger bei seiner Familie sein“, berichtet Christa Lückemann. Die Kinder waren zehn und sieben Jahre alt, als der Familienvater 1980 zur Weißen Flotte nach Stralsund wechselte, zunächst als Schiffsführer auf der MS „Gellen“. Nach Stationen als Nautischer Oberinspektor und als Betriebsteildirektor zog es ihn 1986 wieder an Bord der Schiffe der Weißen Flotte, zum Schluss als Stammkapitän der MS „Ribnitz-Damgarten“. Weil sich Rainer Lückemann gern mal neuen Aufgaben stellte, wechselte er als Tauchereinsatzleiter zur Bagger-, Bugsier- und Bergungsreederei Rostock (BBB). Bei der Wahl seiner Arbeitsstätten rief er sich stets die Vorgabe seiner Frau in Erinnerung: „Du kannst gern zur See fahren, aber um 20 Uhr bist du zu Hause“. So hielt er es auch in den Jahren nach der Wende, in denen er im Passagierverkehr für private Reeder in Warnemünde, Barth, Prerow und Born fuhr. Seit zehn Jahren steht Kapitän Rainer Lückemann auf den Schiffen der Reederei Poschke am Ruder. Zum Ende dieser Saison wird er in den wohlverdienten Ruhestand treten. „Er ist ein beliebter, zuverlässiger und umgänglicher Kollege, dem man jedes Schiff anvertrauen kann“, charakterisiert ihn Reeder Andreas Poschke. Es liege ihm einfach im Blut, sich innerhalb kürzester Zeit in ein neues Schiff hineinzuversetzen. Andere würden dafür Wochen benötigen. Ein endgültiger Abschied von der Seefahrt wird es nicht sein, denn Rainer Lückemann hat seinem Chef versprochen, auch in der kommenden Saison an ein bis zwei Wochentagen auszuhelfen. Die Fahrgäste, die Rainer Lückemanns Erklärungen zur Landschaft, Natur und Heimatgeschichte sehr schätzen, wird es freuen. „Ohne Wasser und Schiffe würde es Rainer gar nicht aushalten — das ist doch sein Leben“, sagt der Reeder. Und die Sache mit dem Feierabend um 20 Uhr dürfte künftig auch hinzukriegen sein. Schiffe und Wasser 43 Schiffe sind es insgesamt, auf denen Rainer Lückemann seit dem Beginn seiner seemännischen Lehre fuhr. In 46 Berufsjahren war er als Matrose, Nautischer Offizier, Schiffsführer und Kapitän tätig. Volker Stephan

Barth - „ . . . aber um 20 Uhr bist du zu Hause“