100. Geburtstag in Corona-Zeiten: Personal im Zingster Seniorenheim ersetzt Familie

Eine Familienfeier mit ihren Lieben: So hatte sich Charlotte Pieser ihren 100. Geburtstag gewünscht. Doch die Corona-Krise hat die Pläne der Seniorin, die in der DRK-Wohnanlage „Bernsteinblick“ in Zingst lebt, durchkreuzt. Zum Schutz älterer Menschen, die zur Risikogruppe gehören und somit besonders gefährdet sind, herrscht in den Alten- und Pflegeheimen Besuchsverbot. „So einen Tag, auf den man so lange hingefiebert hat, nicht mit der Familie verbringen zu können, ist schon schwer“, sagt Schwiegersohn Ferdinand Simon, der mit seiner Frau Marie-Luise in Wieck wohnt. „Eigentlich wollten wir mit der Familie in einem Café feiern.“ Als dann die Nachricht kam, dass alle Cafés schließen müssen, plante die Familie zunächst, die Feier ins Pflegeheim verlegen. Doch auch daraus wurde nichts. Familie lebt in Deutschland verstreut: Und nicht nur für das Geburtstagskind sei das eine schwierige Situation, auch für die Angehörigen. „Unsere Familie lebt in Deutschland verstreut. Sie hatten schon ein Hotel gebucht“, berichtet Ferdinand Simon. Die zweite Tochter, Gabriele Mack, lebt in Westfalen und der Enkel mit seinen beiden Kindern in Berlin. Sie alle hatten sich schon darauf gefreut, den 100. Geburtstag ihrer Mutter, Oma und Uroma gemeinsam mit der Familie zu verbringen. Jetzt konnten sie dem Geburtstagskind nur am Telefon gratulieren. Doch die Mitarbeiter der DRK-Wohnanlage „Bernsteinblick“ gaben sich alle Mühe, den Tag für Charlotte Pieser trotz all dieser widrigen Umstände zu einem ganz besonderen Tag zu machen. Sie versuchten, so gut es geht, den Familienpart zu übernehmen. Der Wohnbereich wurde festlich geschmückt, morgens sangen alle ein Geburtstagsständchen, die Bäckerei Müller hatte eine Torte gebacken und zum Mittagessen gab es das Wunschessen der Seniorin: Schnitzel mit Spargel und Kartoffelpüree und zum Nachtisch ein Eis. Am Nachmittag saßen die Bewohner und das Personal bei Kaffee und Kuchen zusammen. Die Familie hatte als Überraschung ein großes Plakat mit 100 gemalten Kerzen gebastelt und alle hatten unterschrieben. Von Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig kamen Geburtstagsgrüße per Post. Seit fünf Jahren in Zingst: Die 100-Jährige lebt seit 2015 in dem Zingster Seniorenheim, das direkt am Meer liegt. „Sie fühlt sich dort sehr wohl“, berichtet Ferdinand Simon. „Sie hat ein wunderschönes Zimmer mit großem Fenster und von der Dachterrasse und von der Cafeteria hat man einen tollen Ausblick auf die Ostsee.“ Gebürtig stammt die 100-Jährige aus Magdeburg und lebte dann viele Jahre in Hagen in Nordrhein-Westfalen. Sport spielte in ihrem Leben immer eine sehr wichtige Rolle. In jungen Jahren spielte sie Handball, war sogar in der Olympiaauswahl für die deutsche Feldhandball-Mannschaft, allerdings kamen dann die Kriegsjahre dazwischen und die Olympischen Spiele wurden abgesagt. Liebe zum Fußball: Auch ihr erster Ehemann war ein Sport-Ass und gehörte zu den Leistungsträgern in der Leichtathletik. Er fiel allerdings schon früh im Zweiten Weltkrieg. Mit ihrem zweiten Ehemann bekam sie ihre zweite Tochter. Vom Handball wechselte sie zum Tennis. „Hier war sie auch erfolgreich und schaffte es bei den Senioren bis zur Deutschen Meisterschaft“, berichtet ihr Schwiegersohn. Im Alter entdeckte sie ihre Liebe zum Fußball, dann allerdings nicht mehr aktiv. Die Bundesliga verfolgt sie am Bildschirm. Ihr Lieblingsverein: Borussia Dortmund. Ihren 100. Geburtstag möchte die Familie so schnell es geht mit ihr nachfeiern. Und dann genau so, wie Charlotte Pieser es sich gewünscht hat. Im Kreise ihrer Lieben. Lesen Sie auch: Wie sich die Ribnitzer Boddenkliniken auf Corona-Patienten vorbereitet haben Pflegeheim-Bewohner aus Grimmen zeigen Verständnis für Besuchsverbot Die Corona-Krise trifft die Alten besonders hart Mehr zur Autorin Von Anika Wenning