Corona-Krise an Eltern-Kind-Klinik in Zingst: „Es ist kurz vor zwölf.“

„Wir merken immer mehr, wie erschöpft die Familien sind“, sagt Jette Jax. Die Leiterin der Awo-Eltern-Kind-Klinik „Haus am Meer“ in Zingst bekommt tagtäglich mit, wie sehr Lockdown, Kurzarbeit, Homeoffice oder Homeschooling an den Kräften der Eltern und vor allem ihrer Kinder zehren. Umso wichtiger sind Einrichtungen wie die Zingster Klinik, um Familien zu helfen, sich zu erholen. Bedarf steigend. „Wir sind ein wichtiger Teil, weil wir die Kinder erreichen und die Familien unterstützen“, so Jax. Rettungsschirm ausgelaufen: Doch die Eltern-Kind-Kliniken kämpfen derzeit offenbar ums Überleben. „Es ist wirklich fünf vor zwölf“, sagt Jette Jax. Bereits der erste Corona-Lockdown hatte für enorme finanzielle Einbußen gesorgt. Von Mitte März bis Mitte Juni musste die Klinik komplett schließen. Auch in den Folgemonaten, als die Belegung der Kliniken nur schrittweise erhöht werden konnte, fehlten weitere Einnahmen. Vom Bund wurden die Verluste in dieser Zeit zu 60 Prozent aufgefangen. Dieser Rettungsschirm ist jedoch Ende September ausgelaufen. Doch die steigenden Infektionszahlen sorgen noch immer für Einbußen, etwa weil Familien aufgrund von Infektionen kurzfristig nicht anreisen und die Plätze nicht neu belegt werden können. „Das können wir nicht kompensieren“, so Jette Jax. Erhöhter Arbeitsaufwand: Hinzu komme ein erhöhter Arbeitsaufwand, um die Hygienekonzepte einzuhalten. Täglich werden an die Patienten neue Masken verteilt. Fiebermessen und kleinere Therapiegruppen sorgen ebenfalls für Mehraufwand. „Täglich fallen damit zehn zusätzliche Arbeitsstunden an.“ Die Preise erhöhen, sei nicht möglich, da diese mit den Krankenkassen abgestimmt seien. „Die Finanzdecke ist sehr dünn“, sagt Jette Jax. Um auf die prekäre Situation aufmerksam zu machen, findet am Dienstag, 10. November, ein bundesweiter Aktionstag der Eltern-Kind-Kliniken statt. Dafür hatten die Patienten und Mitarbeiter der Zingster Awo-Klinik am Freitag ein Foto aufgenommen, um auf die Notwendigkeit weiterer finanzieller Unterstützung vom Bund hinzuweisen. „Der Wunsch ist, dass der Rettungsschirm bis zum 31. März 2021 verlängert wird. Dann kommen wir erst mal über den Winter“, sagt Jette Jax. Ohne weitere Hilfen „reden wir sehr schnell über das Aus in diesem Bereich.“ Lesen Sie auch: MV baut Impfzentren auf: Corona-Impfstoff noch vor Weihnachten? RKI: Mehr als 20 000 Corona-Neuinfektionen in Deutschland Geschlossene Fitnessstudios in MV: Diese Betreiber wehren sich gegen Lockdown Corona in MV: Aktuelle Zahlen zu Infektionen, Todesfällen, Genesungen am 06.11.2020 Von Robert Niemeyer