Reha-Klinik Prerow: Urgestein Bernd Gierke verabschiedet sich

Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen, die Antwort auf die Frage, wie er sich angesichts des bevorstehenden Ruhestandes fühlt. Fürchtet sich Bernd Gierke, ohne tagtägliche Arbeit in ein Loch zu fallen, so wie viele andere Menschen in der Situation? Klares „Nein“. Seit 22 Jahren ist die Reha-Klinik Prerow der Arbeitsmittelpunkt des heute 63-Jährigen. Ende dieses Monats wird der Leiter der Haustechnik der Klinik die Schlüssel an seinen Nachfolger übergeben – und dann erwarten den gebürtigen Prerower jede Menge Hobbys, die er dann noch intensiver ausüben will als bislang. Urgestein der Reha-Klinik: Bernd Gierke gehört zum Urgestein der Reha-Einrichtung. Schon einen Monat vor der offiziellen Eröffnung zählte er zum Team. Im Rückblick sagt er, es sei schon gut gewesen, bereits die Baustelle gut kennengelernt zu haben. Denn auf einmal wurde der gelernte Elektriker mit ganz neuen Techniken konfrontiert. „Das war eine wilde Zeit“, erinnert sich Bernd Gierke. Die Technik nahm scheinbar unheimliche Ausmaße an, fast stündlich musste er zu Einweisungen erscheinen, um die neuen Gerätschaften überhaupt bedienen zu können. Völlig neu im Repertoire des Prerowers war beispielsweise das neue Notrufsystem, auch Schwimmbadtechnik gehörte bis dahin nicht unbedingt zum Standardwissen des Elektrikers. Der Heimat treu geblieben: Der gebürtige Prerower ist zeitlebens seiner Heimat treu. Nur zur Ausbildung in der Volkswerft in Stralsund und einer späteren Tätigkeit dort musste er seinen Geburtsort verlassen. Doch dann kam er zurück, inspizierte die Baustelle der Reha-Klinik und ist auf einmal verantwortlich für die Technik des Hauses. Die hat er in seinem Berufsleben stets im Griff gehabt. Nicht ein einziger Belegungstag sei ausgefallen, weil irgendetwas nicht richtig funktioniert habe, sagt Bernd Gierke. Und weil alles vergleichsweise reibungslos über die Bühne ging, gibt es auch nicht allzu viele besondere Erlebnisse während der langjährigen Tätigkeit. Ja, einmal musste eine Uhr ausgetauscht werden, in deren Gehäuse sich eine heiße Glühbirne eingeschmolzen hatte. Das gute Stück hat Bernd Gierke noch heute in seinem Büro platziert. Blick nach vorn: Aufregender war da schon ein Patient, der mit einer kompletten Funkanlage angereist war. Kurzerhand hatte er in den Bäumen auf dem Klinikgelände eine Antenne aufgespannt und funkte sodann von Prerow aus in der Weltgeschichte herum. Das allerdings störte nicht nur Bernd Gierke, sondern auch das Notrufsystem. Dennoch dauerte es eine ganze Weile, bis der Leiter der Haustechnik mit seinen beiden Mitarbeitern die Ursache für die Störungen ermitteln konnten. Wenigstens soll der Patient einsichtig gewesen sein. Doch wenige Tage vor dem letzten Arbeitstag blickt Bernd Gierke nicht zurück, sondern vielmehr nach vorn. Er fühlt geradezu Erleichterung, befreit vom Druck von Bereitschaftsdiensten, künftig seinem Lieblingshobby nachgehen zu können, dem Angeln. Lesen Sie auch Prerower Klinik-Chefin: Darum wurden wir vom Pandemie-Geschehen eingeholt Kurklinik Zingst beteiligt sich an Corona-Aktionstag Clown Stramini freut sich auf Herrn H. und Sarah Wiener Enkel mit Geduld: Mit seinem kleinen Boot fährt er im Winter auf die Ostsee hinaus, ist im Sommer eher auf der Jagd nach Zander im Bodden anzutreffen. Wo die Plätze sind, die den besten Fang versprechen, verrät Bernd Gierke nicht. Angeln hat für ihn auch etwas mit Einsamkeit, mit Selbstbesinnung zu tun. Und das Angeln hat auch etwas mit Familie zu tun. Denn zwei Enkel kommen regelmäßig mit zu den Törns. Sie haben schon das Rüstzeug für gute Angler: Sie haben Geduld, wie der Prerower sagt. Rute mit holographischen Effekten: Über das Angeln ist er zu einer besonderen Tätigkeit gekommen: Bernd Gierke repariert Angelruten nicht nur, er veredelt sie. Das geschieht mit einer Wicklung mehrerer verschiedenfarbiger Fäden. Einzelne Lagen werden mit einem Harz eingegossen, so dass sich am Ende ein holographischer Effekt ergibt. Die zugegebenerweise Fummelarbeit hat sich Bernd Gierke selbst beigebracht, hat sich die Technik in Online-Videos abgeguckt. Inzwischen ist er damit so erfolgreich, dass eine so veredelte Rute immer eine passende Belohnung für einen Enkel ist, wenn der einen passablen Fisch am Haken hatte. Nähe zu jungen Menschen wichtig: Überhaupt ist ihm die Nähe zu jungen Menschen wichtig, nicht nur im Angelboot, auch am Netz. 50 Jahre lang hat Bernd Gierke Volleyball gespielt. In jüngeren Jahren war er sogar im Liga-Betrieb aktiv, spielte zuletzt aber in einer Hobbymannschaft. Mittlerweile hechtet er nicht mehr den Bällen hinterher oder schmettert die ins gegnerische Feld, jetzt ist er als Schiedsrichter tätig. „Das darf man aber nicht zu ernst nehmen, ich zähle die Punkte und trinke dabei ein Bier.“ Bernd Gierke ist überzeugt, durch den Kontakt zu den jungen Menschen selbst auch jung zu bleiben. Nachfolger bereits eingearbeitet: Eins ist für ihn nicht erklärlich. Er selbst bezeichnet sich als unmusikalisch, hat nie ein Instrument zu spielen gelernt, aber beide Söhne sind auf musikalischer Ebene aktiv, der eine spielt Schlagzeug in einer Band, der andere greift in einer anderen Band in die Saiten der Gitarre. Froh ist Bernd Gierke, seinen Nachfolger noch selbst eingearbeitet zu haben. So könne ein nahtloser Übergang erfolgen. Aus etlichen Bewerbern hat Thomas Diestler, ebenfalls gelernter Elektriker, aus Bodstedt das Rennen gemacht. Der scheidende Bernd Gierke ist überzeugt, dass sein Nachfolger menschlich gut in die „kleine Truppe“ passe. Mehr zum Autor Von Timo Richter