Stärken und Schwächen des Ostseeküstenradwegs: Vom Darß über Rügen bis nach Usedom

Die einsame Kreuzung an der Brandshäger Straße kurz vor der Stralsunder Stadtgrenze ist eigentlich nicht für hohen politischen Besuch bekannt. Bis auf Radfahrer kommen hier nicht viele Menschen vorbei. Doch zwischen Wiesen und Feldern ließen sich in dieser Woche mit Wirtschaftsminister Harry Glawe (CDU) und Verkehrsminister Christian Pegel (SPD) zwei der einflussreichsten Männer des Landes mit Schaufeln in der Hand ablichten. Die beiden wollten gemeinsam mit Gästen neben einem eigens herbeigeschafften Bierwagen den Weiterbau eines der bedeutendsten Tourismusprojekte in Mecklenburg-Vorpommern feiern. Denn was man der Kreuzung nicht ansieht: Hier verläuft mit dem Ostseeküstenradweg einer der wichtigsten Fernradwege des Landes. Fast 800 Kilometer schlängelt er sich von der dänisch-deutschen Grenze über Lübeck, Rostock, Fischland-Darß-Zingst, Rügen und Stralsund bis nach Usedom. In Stralsund wird nun ein alter Plattenweg zwischen den Stadtteilen Devin und Andershof für Radfahrer asphaltiert – das letzte Teilstück in der Hansestadt. Doch es gibt etwas, worüber die beiden Minister nicht so gerne reden – und das liegt nur ein paar Meter von der Baustelle entfernt. Dort führt eine alte Pflastersteinstraße von der Stralsunder Stadtgrenze über Brandshagen bis ins benachbarte Greifswald – ein 25 Kilometer langer Albtraum für Radfahrer. Bei Anwohnerin Annelie Möller stehen regelmäßig Touristen vor dem Gartenzaun und fragen, wie es denn hier weitergeht. Ihr bleibt dann nicht anderes übrig, als auf die Holperstraße zu zeigen. „Irgendwann soll der Bau des Radwegs hier ja auch weitergehen. Aber wann, das weiß keiner“, sagt Annelie Möller. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) hat bei einer Befahrung des gesamten Ostseeküstenradwegs festgestellt, dass in MV 185 Kilometer in einem schlechten Zustand sind – doch nirgendwo ist es so schlimm wie an dieser Stelle. „Das ist das härteste Brett, das wir zu bohren haben“, sagt Thomas Weber, zuständig für Förderung der kommunalen Infrastruktur im Wirtschaftsministerium. Das Problem ist, dass der Ostseeküstenradweg zwischen Stralsund und Greifswald neben den beiden Hansestädten durch insgesamt vier Gemeinden führt. Dazu kommt der Landkreis Vorpommern-Greifswald, der ebenfalls für ein Teilstück zuständig ist. Alle müssen sich miteinander koordinieren, den Ausbau planen und dann durchführen. „Das beschäftigt seit Jahren die ganze Region bei Greifswald, weil so viele Abschnitte bewältigt werden müssen“, sagt Verkehrsminister Pegel.Denn der Fernradweg ist keine geradlinige, einheitliche Trasse, sondern besteht vielmehr aus vielen einzelnen Wegen in kommunaler Trägerschaft. Die Gemeinden sind also auch für Ausbau und Instandhaltung zuständig. Auch mit Fördermitteln vom Land ist das eine Mammutaufgabe angesichts der vielerorts leeren Kassen. „Die Gemeinden haben dafür gar nicht die Mittel“, sagt Reinhard Klette vom ADFC Stralsund Rügen. Sein Verband kämpfe deswegen schon lange dafür, dass alle Fernradwege in Landeshand kommen Während der Landkreis Vorpommern-Greifswald und das Amt Landhagen, das die Planungen für Mesekenhagen, Neuenkirchen und Wackerow übernommen hat, mit den Vorbereitungen schon recht weit sind, gibt es in Sundhagen große Schwierigkeiten. Die Gemeinde muss sich um den größten Abschnitt kümmern „Das Projekt ruht zur Zeit“, sagt Bürgermeister Helmut Krüger (CDU). Nachdem lange mit den Stralsunder Nachbarn über den Trassenverlauf gerungen wurde – statt durch das Naturschutzgebiet Devin geht es nun also neben der alten B96 entlang – tauchen immer neue Probleme auf. Weil die alte Straße denkmalgeschützt ist, darf dort nicht einfach Asphalt draufgekippt werden. Um den Radweg neben der Straße zu bauen, müsste die Gemeinde erstmal die nötigen Grundstücke kaufen – und dafür fehlt das Geld. Deswegen wurde jetzt mit Vorpommern-Rügens Landrat Ralf Drescher (CDU) ein Feuerwehrmann ins Boot geholt, der die Dinge ins Rollen bringen soll. Direkt nach seinem Urlaub will er die nötigen Leute zusammentrommeln. „Um in der Sache endlich voranzukommen.“ Der Ostseeküstenradweg verbindet mit Fischland-Darß-Zingst sowie den Inseln Rügen und Usedom Vorpommerns wichtigste Tourismusregionen miteinander. Doch die Befahrbarkeit des Weges schwankt von Ort zu Ort stark. Auf Rügen verläuft die Trasse als Rundweg um die ganze Insel. Und der lässt Wünsche offen, meint Herbert Trilk vom Rad-Team Rügen. „Wir sind zwar inzwischen so bescheiden geworden, dass wir nur noch die schlimmsten Stellen anmahnen, aber auch davon gibt es genug“, sagt er. Gleich der von Stralsund kommend erste Abschnitt von Garz über Rosengarten bis nach Neuendorf bestehe streckenweise faktisch nicht oder allenfalls aus Betonspurplatten. „Ganz heikel sind auch die schmalen Eisenbahnbrücken bei Mukran, wo Radfahrer in den dicken Verkehr müssen“, so Trilk. Wenn hingegen Koserows Kurdirektorin Nadine Riethdorf über den Ostseeküstenradweg auf Usedom spricht, dann fallen ihr viele positive Beispiele an. Meerblick, schattige Wege und eine abwechslungsreiche Landschaft. Es gebe aber auch Probleme. „Der Deich zwischen Zempin und Koserow ist eigentlich zu schmal für die Massen an Urlaubern. Es drängeln sich Radfahrer, Fußgänger, Rollatorfahrer und Kinderwagen auf der schmalen Strecke“, sagt sie. Außerdem gibt es dort seit Jahren Probleme mit Wühlmäusen. „Der Weg wurde vor zwei Jahren ausgebessert, aber die Wühlmäuse kommen immer wieder. Dadurch sackt an einigen Stellen auch die Fahrbahn ab“, erklärt sie. Dem Ostseeküstenradweg auf Fischland-Darß-Zingst geben die Urlauber Corinna Lengfeld und Jörg Waldheim aus dem Berliner Umland durchweg gute Noten. Der Abschnitt entlang des Boddens sei sehr gut befahrbar. Besonderheit des Fernradweges ist, dass er in Ahrenshoop von der Ostseeküste an den Bodden schwenkt. Dabei muss die vor allem während der Saison stark befahrene L 21 überquert werden. ud, tr, he Alexander Müller

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