„Wir haben mit der NPD nichts am Hut“

Stralsund — Ralf Borschke (57) und Bernhard Wildt (48) sind Sprecher des Kreisverbands der „Alternative für Deutschland“ in Vorpommern-Rügen. Ralf Borschke sitzt auch im Kreistag. Im OZ-Interview reden sie über den Führungswechsel in der AfD, ihren Standpunkt bei der Asylpolitik und das Verhältnis zur NPD. OSTSEE—ZEITUNG: Wer von Ihnen tritt in die neue Partei von Ex-AfD—Chef Bernd Lucke ein? Ralf Borschke: Die Frage stellt sich nicht. Wir sind mit bestimmten Vorstellungen in die Partei eingetreten und auf keinen Fall wollten wir eine zweite FDP. Uns treibt die Unzufriedenheit mit der jetzigen Politik an. Das Ignorieren der Meinung der Bevölkerung. Die Politik macht was sie will, ohne die Leute mitzunehmen. Bernhard Wildt: Ein wichtiger Punkt ist die Basisdemokratie in der Gesellschaft, für die wir uns sehr stark einsetzen. Zum Beispiel Volksabstimmungen und Bürgerbegehren. Herr Lucke hat versucht, die Basisdemokratie in der Partei auszuschalten. Deswegen würden wir bei ihm nicht eintreten. OZ: Es wird viel darüber diskutiert, dass der gemäßigte Flügel der AfD nun die Partei wechselt und der rechte Flügel übrig bleibt. Wo verorten Sie sich? Borschke: Es ist kein Verbrechen rechts zu sein, sondern rechtsradikal zu sein. Wir achten darauf, dass weder Linksradikale noch Rechtsradikale in die Partei eintreten. Unter Frau Merkel ist die CDU nach links gerückt, die Mitte ist nicht besetzt in diesem Land. Ich sehe uns als die Mitte. Wildt: Ich bin gemäßigt in dem Sinne, dass ich Demokratie und Freiheitsrechte ganz hoch einschätze. Wer extrem ist, zeichnet sich dadurch aus, dass er die Meinungsfreiheit von anderen Menschen beschneiden möchte. Da sind wir ganz stark dagegen. OZ: Wie prüfen Sie denn Ihre Leute? Wildt: Wir führen mit jedem ein ausführliches Gespräch und klopfen ab, dass er keine extreme Vergangenheit hat. Ein ehemaliges NPD-Mitglied würden wir nicht aufnehmen, das ist schon in der Satzung ausgeschlossen. Bei uns sind viele Leute, die noch nie in einer anderen Partei waren, die vielleicht gar nicht mehr gewählt haben und sich jetzt gehört fühlen. OZ: Die AfD ist für Äußerungen zur Asylpolitik immer wieder in der Kritik gewesen. Wie stehen Sie dazu? Wildt: Wir sind für das Asylrecht, aber wir möchten, dass es jenen vorbehalten bleibt, die darauf einen Anspruch haben. Alle anderen Einwanderer müssen nach einem anderen Gesetz behandelt werden. Es kommen derzeit zu viele Menschen, die gar kein Anrecht auf Asyl haben und die so die Plätze verstopfen. OZ: Das heißt, der negativen Grundstimmung gegenüber Flüchtlingen, die zum Beispiel bei Pegida-Demonstrationen zum Ausdruck gekommen ist, würden Sie sich nicht anschließen? Borschke: Ich finde schon, dass wir aufpassen müssen, dass wir nicht in einen Bereich kommen, bei dem die Akzeptanz der Bevölkerung nicht mehr da ist. Wildt: Wenn die vielen kleinen Orte an ihre Grenzen stoßen, weil sie nicht wissen, wohin mit all den Leuten, ist am Ende keinem gedient. Was Pegida angeht: Wir achten sehr darauf, was die Leute denken und wie die Stimmung in der Region ist. Deswegen war Pegida schon ein Thema für uns. Es gibt aber einen großen Abstand zwischen Pegida und uns, weil wir eine mögliche Islamisierung bei uns nicht als Problem sehen. Das haben wir bei uns einfach nicht. OZ: Was sind Ihre Vorschläge für eine bessere Asylpolitik? Wildt: Das Verfahren darf nicht so lange dauern. Es kann nicht sein, dass ein Asylantrag vier, sechs oder acht Jahre bearbeitet wird. Dann ist es unmenschlich, die Leute wieder wegzuschicken. Es müssen genügend Sachbearbeiter da sein, die Anträge schnell prüfen können. Borscke: Und wenn ein Antrag abgelehnt wird, dann muss auch abgeschoben werden. Anders geht es nicht. OZ: Ihr Parteikollege Matthias Laack sagte kürzlich in der Stralsunder Bürgerschaft, man müsse sich zunächst ums eigene Volk kümmern, bevor man sich Flüchtlingen zuwendet. Klingt das nicht eher nach dem populistischen Gerede der NPD statt einer Partei der Mitte? Borschke: Ein Abgeordneter ist nur sich selbst verpflichtet. Den Schuh mit der NPD ziehen wir uns nicht an, mit denen haben wir nichts am Hut. Wildt: Matthias Laack ist bei uns dafür bekannt, dass er auch mal seine eigene Meinung sagt. Das darf er auch. Mit der NPD haben wir nichts zu tun, deswegen beschäftigen wir uns auch nicht mit denen. Aber natürlich gibt es auch in Stralsund viele arme Menschen, die von Hartz IV leben. Kinder, die in verwahrlosten Zuständen aufwachsen. Da ist es nicht verkehrt zu sagen, um die müssen wir uns aber auch mal kümmern. Was wir allerdings nicht wollen, ist, die einen gegen die anderen auszuspielen. OZ: Im Kreistag Vorpommern-Greifswald gab es den Fall, dass die AfD den sogenannten Schweriner Weg aufgekündigt hat, indem sie für einen Antrag der NPD stimmte. Würden Sie das auch machen? Wildt: Ich würde nicht zustimmen, auch wenn ich den Antrag in Ordnung finde, weil ich die NPD in keinster Weise aufwerten würde. Diese Partei ist indiskutabel. Ich könnte mir aber vorstellen, den gleichen Antrag nochmal zu stellen. Borschke: Ich würde raus gehen oder mich enthalten. So etwas wie die NPD muss man ertragen, das gehört zur Demokratie dazu. Die anderen Parteien stimmen ja auch systematisch gegen uns, wenn wir einen Antrag stellen. Ich nenne das politische Boshaftigkeit. OZ: Wie wollen Sie aus der Isolation herauskommen? Wildt: Das geht nur durch fleißige Arbeit. Indem wir gute Vorschläge machen und hoffen, dass die dann mal aufgenommen werden. OZ: Was ist denn das Profil der AfD im Kreis Vorpommern-Rügen? Wildt: Uns liegt Wirtschaftspolitik sehr am Herzen. Dass Arbeitsplätze jenseits des Tourismus geschaffen werden. Nur auf den Tourismus zu setzen, wie es die anderen Parteien größtenteils machen, reicht nicht aus. Borschke: Wir müssen Mittel und Wege finden, um hier Arbeit zu schaffen. Wir sind aber erst seit einem Jahr im Kreistag und sind alles Politikneulinge. Erwarten Sie nicht, dass wir der liebe Gott sind. OZ: Welche Ziele hat die AfD bei der Landtagswahl in MV nächstes Jahr? Wildt: Wir rechnen uns gute Chancen aus, da wir viele Nichtwähler ansprechen. Wir planen, in den Landtag einzuziehen. Interview von Alexander Müller

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