„Anonyme Angriffe sind ohne Substanz“

Binz — Krisenstimmung in Binz: Bürgermeister Karsten Schneider (parteilos) sieht sich seit einigen Wochen zahlreichen Angriffe ausgesetzt. Ihm wird ein autoritärer Führungsstil vorgeworfen, er habe kein Konzept für die Vermarktung des Ostseebades, verschleiße Kurdirektoren und treffe zu viele falsche Entscheidungen. Das Ganze kulminierte in einer anonymen Dienstaufsichtsbeschwerde, zu der Schneider Stellung nahm. Gleichzeitig teilte er auf der historischen Gemeindevertretersitzung mit, bereits darüber nachgedacht zu haben, das Bürgermeisteramt an den Nagel zu hängen (die OZ berichtete). Wie er zu den Angriffen steht und wie es weitergeht mit Binz, erfuhr die OSTSEE-ZEITUNG in einem Gespräch mit ihm. OZ: Warum haben Sie zu der anonymen Dienstaufsichtbeschwerde Stellung genommen? Das hat den Anflug von „getroffene Hunde bellen“. Karsten Schneider: Die Rechtsaufsicht hat mir empfohlen, das zu tun. Mittlerweile vertrete ich die Auffassung, dass das nicht die günstigste Empfehlung war. Es ist besser, man kennt Ross und Reiter und weiß, an wen man die Antwort richten kann. Ich habe unterschätzt, welche Wege diese Beschwerde und meine Antwort nehmen. Eigentlich gingen die Schreiben nur an den Hauptausschuss und die Rechtsaufsicht. Mittlerweile liegt alles sogar der OZ vor. OZ: Ein Kritikpunkt ist ihr angeblich autoritärer Umgang mit den Mitarbeitern der Gemeindeverwaltung. Sind Sie ein Despot? Schneider: Das bin ich nicht. Darüber hinaus müssten sich die Mitarbeiter und der Personalrat zu meinem Führungsstil äußern. Die Vorwürfe haben keine Substanz, sonst wären sie nicht anonym geäußert worden. OZ: Die Beschwerde ist mit „Mitarbeitern der Gemeindeverwaltung“ unterschrieben worden. Glauben Sie, dass es tatsächlich Ihre Kollegen waren? Schneider: Ich führe regelmäßig Mitarbeiter- und Personalratsgespäche. Noch nie ist irgend etwas zu meinem Führungsstil geäußert worden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Beschwerde von derzeitigen Mitarbeitern kommt. Ich halte sie für das Geschenk eines ehemaligen Mitarbeiters. OZ: Wo wir bei den einstigen Kurdirektoren wären. Der letzte Mann in dieser Position, Sebastian Schenk, hinterließ eine mehrseitige Stellungnahme an den Hauptausschuss, die uns vorliegt. Darin spricht er davon, dass die letzten drei Kurdirektoren von Ihnen weggemobbt worden seien. Schneider: Es wurde nicht einer weggemobbt. Es hat nie eine Anzeige wegen Mobbings gegeben. Mit einem wurde ein Auflösungvertrag vereinbart, der nächste ging freiwillig und von Herrn Schenk haben wir uns nach der Probezeit getrennt. Auch ist die Besetzung der Kurdirektorenstellung keine Einzelentscheidung — dazu haben neun Mitglieder im Hauptausschuss abgestimmt. OZ: Die berüchtigte Steingeschichte, als Herr Schenk nach Urlauberbeschwerden Steine vom Strand abtransportieren und danach wieder zurückschaffen ließ, soll Binz teuer zu stehen gekommen sein. Schneider: Ich habe vom ehemaligen Kurdirektor die Information, dass es kein Geld gekostet hat. OZ: Hat diese Negativwerbung für Binz zum Zerwürfnis zwischen Ihnen und Schenk geführt? Schneider: Damals haben viele gesagt, er sei nicht der Richtige für den Job. Jeder, auch ich, macht mal Fehler. Trotzdem muss ich als Chef zu den Mitarbeitern stehen. Und das habe ich damals getan. OZ: Massive Kritik kommt aus dem Fremdenverkehrsverein. Vor allem, Sie hätten kein Vermarktungskonzept für Binz, unterstützten die Touristiker nicht genug. Schneider: Das Verhältnis zum Verein hat sich eindeutig verschlechtert. Über die Ursachen möchte ich nicht spekulieren. Wir sind immer gesprächsbereit, suchen den Kontakt. Unterstützt wird der Verein weiter durch die Kurverwaltung. Und damit durch die Gemeinde, denn die Kurverwaltung ist ein Eigenbetrieb der Kommune. OZ: Die Kritiker und Beschwerdeschreiber sprechen von Problemen zwischen Gemeinde und ortsansässiger Wirtschaft, was am Fehlen wichtiger Unternehmen beim Jahresempfang vor wenigen Wochen erkennbar gewesen sein soll. Schneider: Was zu beweisen wäre. Es waren Vertreter vieler großer Häuser anwesend. Auch zahlreiche Einzelhändler hatten den Weg zum Empfang gefunden. Wenn Betriebe fehlten, kann das auch mit dem neuen Termin im Sommer zusammengehangen haben. Der muss sich erst einmal etablieren. Auch wird der Charakter ein anderer. Der Empfang soll für alle sein, persönliche Einladungen gibt es nicht mehr. Wir wollen ein Fest haben. OZ: Stichwort Konzept: Welche Klientel will Binz denn nun künftig ansprechen? Den Pauschaltouristen, Familien, die Zahlungskräftigeren, Promis ...? Schneider: Wenn Prora fertig ist, haben wir insgesamt weit über 20000 Betten zur Verfügung. Die füllen wir nicht mit Nobel-Touristen, auch nicht allein mit Pauschaltouristen. Wir werden bei einem Mix bleiben müssen, wie er Binz schon immer ausmacht: in den Ferien Familien, Vor- und Nachsaison Rentner, Nobelgäste — die, die mehr Ruhe suchen. Es gibt eine breite Palette an Touristen, die diesen Ort mögen. Natürlich auch Promis. So haben wir im August erstmals eine Anreise im Hubschrauber. Die Promidichte in Binz sucht auf Rügen ihresgleichen. OZ: Gibt es eine Gruppe von Leuten, die an einem Konzept arbeitet? Schneider: Es gibt kein offizielles Gremium, das sich damit beschäftigt. Die Hoteliers haben aber ihre eigenen Strategien. Sie wären schlechte Touristiker, wenn dem nicht so wäre. Außerdem beschäftigen sich die Gemeindevertretergremien und auch ich mit der konzeptionellen Entwicklung des Ostseebades. OZ: Sie wollten schon einmal hinschmeißen. Wo stehen Sie jetzt? Schneider: Ich wollte nicht hinschmeißen, aber Zweifel kommen mir manchmal schon. Vor allem, wenn meine Familie angegriffen wird. Oder wenn Ziele der Gemeindevertreter verspottet werden. Wir brauchen konstruktive Kritik, keine Dauernörgler oder Meckerköpfe. Für mich gilt: Jetzt erst recht. Brandrede Karsten Schneider ist seit September 2011 Binzer Bürgermeister. Auf der historischen Gemeindevertretersitzung Anfang Mai hatte er sich seine Sorgen von der Seele geredet: Er sprach von anonymen, offenen und verdeckten Drohungen gegen sich und seine Familie. Die Vorfürfe hätten unter anderem mit Projekten zu tun, die er angeblich nur deshalb befürwortet habe, weil Mitglieder seiner Familie Nutzen daraus gezogen hätten. Böse Worte seien auch gefallen, weil Schneider von seinen Mitarbeitern verlange, Raucherpausen von der Arbeitszeit abzuziehen. Davon rücke er nicht ab, sagte er. Jens-Uwe Berndt

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