Binz: Gemeinde streitet mit VVR um Recht auf Fahrt zum Jadgschloss Granitz

Bestimmt zwei Jahre lang sei der Poller, der die Zufahrt von Binz hinauf zum Jagdschloss Granitz gewähren oder verhindern kann, im Boden versunken gewesen, weiß Kathleen Dittert. Sie betreibt gemeinsam mit ihrem Mann Michael seit 24 Jahren den Waldbiergarten am Jagdschloss und verfügt deswegen über einen Chip, mit dem sie den Poller verschwinden lassen kann. Das würde Ulrich Sehl auch gern von sich sagen können. „Wir haben eine gültige Konzession, um unsere neue Linie 28 zum Jagdschloss bedienen zu können, aber die Gemeinde weigert sich, uns das zu ermöglichen“, klagt der Geschäftsführer der Verkehrsgesellschaft Vorpommern-Rügen (VVR). Woran genau das liegt, lässt sich nur schwer ergründen. Gemeinde und Kurverwaltung halten sich gegenseitig für zuständig. Kurdirektor Kai Gardeja ist in der Angelegenheit nicht zu sprechen. Eigentlich hätte die Linie ihren Betrieb im Oktober aufnehmen sollen. Die Weigerung der Herausgabe des elektronischen Schlüssels zur Granitz ginge auf einen Beschluss der Gemeindevertretung vom Januar dieses Jahres zurück, weiß Gemeindesprecher Lutz Reuter. „Wir möchten generell die VVR aus dem Bediengebiet Granitz heraushalten. Das hat die Gemeindevertretung einstimmig beschlossen“, sagt Mario Kurowski. Zu den Gründen möchte sich der Vorsitzende der Gemeindevertretung nicht äußern, weil die Entscheidung im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung gefallen sei. Gemeindevertretung stützt Monopol: Nach den ersten Gesprächen zu dem Thema hätten einige Gemeindevertreter Bedenken geäußert bezüglich der Befahrbarkeit des steinigen und schmalen Weges mit einem großen, dieselbetriebenen Omnibus, weiß Sehl. Darauf aber hätten die öffentlichen Verkehrsbetriebe reagiert und nun den Einsatz eines Kleinbusses geplant. „Auch erwägen wir die Anschaffung eines Elektrobusses“, sagt der Geschäftsführer. Mit dessen Einsatz könne sein Unternehmen künftig eine weitere Lücke in der Reisekette des ÖPNV bis zu der beliebten Sehenswürdigkeit erschließen. Das aber möchte der bisherige Bediener der Strecke offenbar verhindern. Roger Pieniak, Betreiber der Kleinwegebahn „Jagdschlossexpress“, soll Klage wegen der Erteilung der Konzession gegen das zuständige Landesamt eingereicht haben. Pieniak, der auch die aus Mitteln der Kurtaxe finanzierte Bäderbahn in dem Ostseebad betreibt, möchte weiterhin alleiniges Beförderungsunternehmen für die Strecke zum Jagdschloss bleiben und weiß dabei die Mehrheit der Gemeindevertretung hinter sich. „Dabei wäre sowohl verkehrlich, als auch vom Kundenpotenzial her für beide Betriebe Platz auf der Strecke“, meint Ulrich Sehl. Drei Betriebe leben von den Fahrgästen: Kathleen und Michael Dittert würden gern „das seit 20 Jahren bestehende Monopol des Privatunternehmens brechen“. Für sie relativiert sich auch das Argument von der umweltfreundlichen Variante. „Bei uns am Waldbiergarten am Jagdschloss kommen sowohl eine elektrische, als auch eine dieselbetriebene Kleinwegebahn an.“ Die aber würden nur wenige Fahrgäste auf die Granitz bringen. Den Grund sehen die Ditterts in den relativ hohen Fahrpreisen der Kleinwegebahn, denn Hin- und Rückfahrt kosten 10 Euro je Fahrgast. „Dann hat eine vierköpfige Familie 40 Euro gezahlt und war weder im Jagdschloss, noch hat sie etwas gegessen oder getrunken. Wer nicht gut zu Fuß ist oder einen kleinen Geldbeutel hat, den schreckt das ab.“ Viele Menschen würden sich das nicht leisten können oder wollen. „Ohne Fußgänger und Radfahrer hätten wir schon schließen müssen.“ Das Gastronomen-Paar schrieb daher einen Brandbrief an Kurdirektor, Bürgermeister und Gemeindevertreter von Binz. „Groß war die Freude, dass wir endlich wieder öffnen dürfen“, hieß es darin. „Mit Entsetzen mussten wir allerdings feststellen, dass die Erreichbarkeit des Jagdschlosses nicht gegeben ist. Die Gemeinde Binz leistet sich seit über 20 Jahren ein Monopol zur Befahrung der Jagdschlossstraße. Derzeit fahren statt drei Bahnen nur noch eine und selbst wer an der letzten, 800 Meter entfernten Station des Rasenden Roland in Garftitz einsteigt, muss noch zehn Euro zahlen“. In den vergangenen Jahren hätte etwa die Hälfte der Gäste das Jagdschloss mit der Bahn erreicht. „Nun sitzt kaum noch jemand drin, weil es zu teuer ist.“ Neben ihrem seien noch ein weiterer Betrieb sowie das Jagdschloss selber von den Gästen abhängig. „Wir bitten umgehend, an diesem Zustand sofort etwas zu ändern. Die Saison endet in jedem Fall mit dem Oktober und fünf Monate reichen nicht zum Überleben“, klagen Kathleen und Michael Dittert. Rechtsaufsicht prüft Entscheidung der Gemeinde: „Jedes Angebot, mit dem Gäste bequem das Jagdschloss erreichen können, ist uns willkommen“, sagt Agnes Heine vom Jagdschloss und Kerstin Wilhelm, die das Wirtshaus „Alte Brennerei“ im Jagdschloss betreibt, wünscht sich einen entgeltlosen Ortsverkehr in Binz. Schließlich wäre die Kurtaxe dafür extra erhöht worden. „Die derzeit bestehenden Angebote sind verwirrend für Gäste. Wir würden ein zuverlässiges und übersichtliches Angebot brauchen, das sich in ein durchdachtes Konzept einfügt“, findet die Gastwirtin. Gemeindevertreter Ulf Dohrmann (CDU) will bereits von sinkenden Besucherzahlen in und um das Jagdschloss gehört haben. „Ich konnte mich zwar mit einem großen Bus am Jagdschloss nicht anfreunden, aber wenn die VVR nun den Einsatz eines Kleinbusses plant, finde ich das nicht verwerflich. Schließlich gehört Wettbewerb zum Geschäft.“ An einen einstimmig gefassten Beschluss, mit dem die Gemeindevertretung sich grundsätzlich gegen den Betrieb durch die VVR positioniert hätte, kann sich Dohrmann indes nicht erinnern. Vielmehr wäre der Beschluss vom Januar „mit den üblichen zehn zu sieben Stimmen gefasst worden“. Ulrich Sehl legte Beschwerde bei Gemeinde und Landkreis ein. Einmal mehr muss sich nun die Kommunalaufsicht mit einer Angelegenheit des Ostseebades befassen, bestätigt Landkreissprecher Olaf Manzke. Die solle nun prüfen, ob es rechtens ist, wenn die Gemeinde den ÖPNV von der Nutzung der Straße ausschließe, „obwohl eine Genehmigung des Landes vorliegt und auch Müllabfuhr, Rettungsdienst oder Feuerwehr sie nutzen“. Lesen Sie auch Binz: Streit um Tagung der Gemeindevertretung Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Binzer Bürgermeister Gemeindesitzung in Binz: Vorwürfe von „Behörden-Willkür“ bis „Vetternwirtschaft“ VVR plant neue Ortsbuslinie im Ostseebad Binz Von Uwe Driest