Bis Binz: 20-Jähriger legt 2700 Kilometer mit dem Rad zurück

Seinen 20. Geburtstag beging Sebastian Binz in Paris. Das klingt romantischer, als es war. Der junge Mann war nämlich nicht etwa mit dem Taxi dorthin gefahren, sondern mit dem Fahrrad auf der Durchreise und eigentlich eher zufällig am 19. August in der Seine-Metropole angekommen. „Ein paar Tage gönnte ich mir dann aber doch in einem Hostel in der Nähe des Gare du Nord“, erzählt er. Sebastian Binz war gewissermaßen in einer Mission unterwegs. „Ich fand es schon als Kind witzig, dass es sowohl meinen Vor- als auch meinen Nachnamen auch als Städtenamen gibt und als Kind war ich auch schon einmal in Binz.“ So reifte nach dem Abitur vor zwei Jahren der Plan, einmal die Strecke zwischen beiden Städten mit dem Rad zurückzulegen. Zwar sei er bis dahin nicht viel in die Pedale getreten, aber als Jugendlicher spielte der sportliche junge Mann Handball und durchwanderte mit den Eltern die Alpen. Aber die Namensgleichheit war nicht sein einziges Motiv. „Ich wollte etwas von Europa und der Europäischen Union sehen. Wir sprechen immer von einem Europa der Regionen und von der Einheit in Vielfalt, leben das aber im Alltag nicht immer bewusst.“ Der gebürtige Stuttgarter studiert „die Kunst, zu reden“, an der Uni Tübingen. Unter dem Motto „Erfolgreich reden seit 1496“ werden am Seminar für Allgemeine Rhetorik „Experten für strategische Kommunikation ausgebildet“. Das braucht man wohl, wenn man Diplomat werden möchte. Und das möchte Sebastian Binz, der deswegen auch schon Vorlesungen über Internationale Beziehungen und EU-Recht besuchte. Gleich am ersten Tag den Gepäckträger verloren: So kam es also zu der Tour vom ehemals rebellischen Baskenland in das einst beschauliche Vorpommern. Dabei eint die beiden Orte nicht viel mehr, als dass sie im Namen von Sebastian Binz vorkommen. Das etwa 20 Kilometer westlich der französischen Grenze gelegene San Sebastián ist Provinzhauptstadt im autonomen Land der Basken, die den Ort Donostia nennen, hat knapp 200 000 Einwohner und war 2016 Kulturhauptstadt Europas. Binz hat knapp 6000 Einwohner, ist aber immerhin das größte Seebad auf der größten deutschen Insel. Dem Radler mag immerhin der Umstand angenehm erschienen sein, dass es – wenn auch kaum spürbar - begab ging. San Sebastián liegt sechs, Binz jedoch nur drei Meter über dem Meeresspiegel. „Zelt und Campingausrüstung hatte ich schon und zwei Satteltaschen lieh ich mir von meinem Vater. Lediglich eine gepolsterte Radlerhose habe ich mir noch gekauft.“ So ausgerüstet fuhr er mit dem Zug zum Ausgangspunkt seines Abenteuers, von wo er am 7. August startete. Zur Orientierung hatte er sich die speziell für Radwanderer ausgelegte App „Komoot“ auf sein Handy geladen, die seine 2700 Kilometer lange Route maßgeschneidert errechnete und ihn per Sprachnavigation auf Kurs hielt. „Gleich am ersten Tag flog mein Gepäckträger ab, für den ich mir eine Konstruktion einfallen ließ und zweimal musste ich einen Reifen wechseln“, erzählt er. Aber auch von kameradschaftlichen Zufallsbegegnungen mit Seelenverwandten kann Sebastian Binz berichten. „Besonders beeindruckt war ich auch von der freundlichen Mentalität der Hamburger.“ Am Ziel in die untergehende Sonne gefahren: Abschnittsweise hatte der Student auf seiner Tour Begleitung. Von Bordeaux bis Paris begleitete ihn seine große Schwester Nadja und später zwei Freunde von Aachen bis nach Hamburg. Innerhalb von 40 Tagen legte Sebastian Binz 28 Etappen zurück, von denen die längste ihn über 120 Kilometer nach Wismar und weiter nach Rostock führte. Von dort aus erreichte er in den Abendstunden des Dienstag Binz. In diesem besonderen Fall habe er ausnahmsweise über das Befahrensverbot der Seebrücke hinweggesehen und sei im Schritttempo bis an das Ende der Brücke gefahren. „Das Gefühl, nach der langen Tour fast über das Wasser in den Sonnenuntergang zu fahren, war einfach grandios“, erinnert er sich mit verklärtem Gesicht. Übernachtet hat der so geadelte Pedalritter dann auf dem Zeltplatz der Jugendherberge Prora, wo er sich bei hochsommerlichen Temperaturen einen Tag am Strand gönnte, bevor er gemeinsam mit seinem treuen Zweirad die Rückreise mit dem Zug antrat. Lesen Sie auch Wegen Corona: Radfernfahrt Deutsche Alleenstraße auf Rügen abgesagt Corona-Krise: 1477 Fahrzeuge an Zufahrten nach Rügen und Usedom kontrolliert So gehen Abiturienten auf Rügen mit der Corona-Krise um: „Wir machen das Beste daraus!“ Über den Autor Von Uwe Driest