Bisdamitz: Insolventes Hofgut verwaist

Auf dem Hofgut in Bisdamitz regiert der Insolvenzverwalter. In Ställen und Hofladen herrscht seit Monaten gähnende Leere. Jetzt sind auch die Betten im Gästehaus abgezogen, Schafe und Ziegen verkauft, verschenkt, Wassergeflügel geschlachtet. Die Bildungs- und Beschäftigungsgesellschaft Rügen (BBR) zieht sich aus Bisdamitz zurück. Die kreiseigene Gesellschaft beendet ihr Tourismusprojekt „Biolandhof Bisdamitz“. „Wir hatten keine andere Wahl. Wir haben unser Engagement in Bisdamitz zum 30. November beendet“, bestätigt BBR-Geschäftsführer Mario Lindner den Rückzug. „Mit 60 sind die Aussichten nicht rosig“, sagt Heike Knoff. Seit 2003 hatte sie als Projektleiterin der BBR die Fäden in Bisdamitz in der Hand. Dort ging die Gesellschaft, die auf der Insel für Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen sorgt, vor elf Jahren mit dem Erlebnishof-Projekt an den Start. Auf dem Hofgut, das mit seiner Biokäse-Produktion sogar ein Aushängeschild und Markenzeichen für die gesamte Insel war, sollten Urlauber, vor allem aus der Großstadt, das Leben auf dem Bauernhof und die Herstellung von Bio-Produkten hautnah erleben können. Dafür schloss die BBR einen Mietvertrag mit dem Hofgut- Eigentümer Manfred Köhler für Grundstücke und das ehemalige Gutshaus. Das wurde zum Gästehaus umfunktioniert, in dem Besucher übernachten können. Zudem schuf die BBR einen großen Haustier-Zoo, Gehege für Schafe, Ziegen, Ponys, Kaninchen und Meerschweinchen sowie Geflügel entstanden. BBR-Beschäftigte legten einen Spielplatz an, übernahmen die Gästebetreuung und Hofführungen. Das Projekt sei über Jahre ein kostendeckendes gewesen, sagt Mario Lindner. „Aber gerade so, es stand immer auf der Kippe.“ Gekippt ist es dieses Jahr. „Durch das Aus vom Hofgut mussten wir einen dramatischen Besuchereinbruch quittieren.“ Das BBR-Projekt funktioniere nur in Symbiose mit einem florierenden Bio-Landwirtschaftsbetrieb.„Doch den gibt es nicht mehr“, bedauert Lindner. Der Betrieb war in finanzielle Schwierigkeiten geraten, konnte seit zwei Jahren die Pacht für 350 Hektar Kirchenland nicht mehr zahlen. Kirchengemeinde und das kirchliche Immobilienamt in Greifswald kündigten die Pachtverträge, die Ställe wurden geräumt (die OZ berichtete). In Bisdamitz hat jetzt der Insolvenzverwalter das Sagen. Zu dem wurde Rechtsanwalt Gerhard Brinkmann Ende September bestellt, bestätigt die Rostocker Kanzlei, in der er tätig ist. Heike Knoff und ihre Mitstreiter haben aufgeräumt. „Das Geflügel wurde geschlachtet, ebenso einige Schafe, andere Tiere haben wir abgegeben“, blickt sie mit Wehmut auf leere Gehege. Die BBR habe versucht, das Projekt so lange wie möglich zu erhalten, betont Mario Lindner. Obwohl der Hofladen in diesem Jahr gar nicht mehr geöffnet wurde und trotz drohendem Abstellen von Wasser und Strom. Nachdem sich aber herausstellte, dass selbst Schulklassen wegen der schlechten Verkehrsanbindung nicht mehr auf den Hof auf Jasmund kommen — von Urlaubern ganz zu schweigen — habe es keine Alternative zum Rückzug gegeben. „Unser Projekt hätte nur eine Chance, wenn schnell ein neuer Eigentümer und Investor gefunden würde, der den Bio-Betrieb weiterführt und uns weitermachen lässt“, so der BBR-Geschäftsführer. An einer schnellen Lösung sind auch die Lohmer interessiert. „Wir mussten in dieser Saison viel Kritik einstecken“, sagt Torsten Rollin, Geschäftsführer der Touristik-Gesellschaft der Gemeinde. Die hat in ihren Wanderprospekten und Flyern für dieses Jahr das Hofgut noch angepriesen. Doch statt leckeren Käse probieren zu können, mussten sich Wanderfreunde an der verschlossenen Tür die Nase platt drücken. „Das Aus des Betriebes hat uns selbst völlig überrascht“, räumt Torsten Rollin ein. Bisdamitz sei in der Gemeinde, die mit dem Nationalpark vor der Haustür als Wanderparadies gilt, bislang ein äußerst attraktiver Wendepunkt im Wandernetz der Kommune gewesen. „Da ist uns jetzt ein Anziehungspunkt weggebrochen“, bedauert Rollin. „Wir hoffen sehr, dass er schnell durch eine Betriebsübernahme, möglichst durch einen Landwirt, reaktiviert werden kann.“ BBR in Prora 200 bis 250 Langzeitarbeitslose finden im Durchschnitt jedes Jahr in den Projekten der Bildungs-und Beschäftigungsgesellschaft Rügen (BBR) eine sinnvolle Tätigkeit. Die kreiseigene Gesellschaft hat ihren Sitz in Prora. In Bisdamitz auf dem Hofgut wurde eine berühmte Insulanerin geboren: Dort erblickte am 24. Januar 1843 Franziska Tiburtius das Licht der Welt. Sie studierte Medizin in Zürich (Schweiz), weil so ein Frauenstudium damals in Deutschland nicht zugelassen war. Dadurch wurde Tiburtius eine der ersten praktizierenden weiblichen Ärzte Deutschlands. Udo Burwitz

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